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Auch die herrlichen und zahlreichen Mausoleen, welche das große Todtenfeld trägt, das Jerusalem von südlicher und östlicher Seite umgibt, theilten längst das gemeinschaftliche Geschick der Unbeständigkeit alles Irdischen. Nicht ein einziges dieser Gräber ist unerbrochen geblieben, und nicht eins enthält noch Spuren seines Inhalts. Wie könnte es auch anders seyn? Ist doch seit der Zeit, da diese Grabmäler die Könige, Helden und Seher Israel’s aufnahmen, Jerusalem selbst dreimal ausgetilgt worden bis auf die leere Stätte, sind doch unzählige Reiche versunken, Throne eingestürzt, Völker mit ihren Namen verschwunden.

Absalom’s Mausoleum, das schönste und best erhaltene unter allen jenen Denkmälern, ist aus dem lebendigen Felsen gearbeitet und nur der obere Aufsatz, mit der kuppelförmigen, mit einer Lotosblume geschmückten, Spitze ist massives Mauerwerk. Auf den vier Seiten sind Säulen ausgehauen, die einen Fries mit dorischen Verzierungen tragen. Das Ganze macht einen sehr gefälligen Eindruck und erinnert an den Styl und Charakter der ältesten Bauwerke in den von Ioniern und Doriern gegründeten Städten Kleinasiens. Wahrscheinlich waren es, in den Zeiten der Könige und Propheten, griechische Baumeister aus Ephesus und Milet, welchen der Bau dieser Monumente anvertraut wurde; denn bekanntlich war die Kunst für das israelitische Volk selbst immer ein verschlossenes Buch.

In das Innere dieser Gruft führt eine gewaltsam und erst in spätern Zeiten gebrochene unregelmäßige Oeffnung. Es ist eine mit Reliefs von Blumenarabesken einfach verzierte dunkle Todtenkammer; längst leer und der gelegentliche Aufenthalt wilder Thiere, welche in diesem weiten, öden und schauerlichen Todtenfelde ungestört ihr Wesen treiben. In geringer Entfernung von Absalom’s Denkmal ist das Grab Zacharia’s, eine Felsenhöhle, deren Eingang dorische Säulen und ein Frontispiz schmücken, und die Gruft des Königs Josaphat.

Noch immer ist die Nekropolis Jerusalem’s den Juden die heiligste Stätte und die Sehnsucht, nachdem ausgeträumt ist der schwere Traum des Lebens, da zu ruhen, wo die Helden und Großen ihrer Väter schlummern, ist für viele Israeliten der Beweggrund, am Abend ihres Lebens nach Jerusalem zu ziehen. Die unzähligen Grabhöhlen an der ganzen Seite der felsigen Bergwand hin, welche das Thal Josaphat einschließen und bis in die Nähe von Absalom’s Grabmal, dienen noch heute der ihnen vor Jahrtausenden gegebenen Bestimmung und neben den Eingängen befindliche, aufrechtstehende Steinplatten mit hebräischen Inschriften ehren die hier ruhenden Verstorbenen. Jährlich an einem gewissen Tage vereinen sich die jüdische Gemeinde Jerusalem’s und alle Israeliten der Gegend