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Artikel „Zitz, Kath. und Franz“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 373–379, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zitz,_Katharina&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 20:01 Uhr UTC)
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Zitz: Kath. und Franz Z. – Kathinka Therese Pauline Modesta (nach Schindel: K. Rosa Gabriele P. Auguste) – Taufname nur Katharina Therese – Z., geborene Halein und daher oft von sich und andern als Zitz-Halein bezeichnet, Belletristin, ist auch unter einer langen Reihe von Pseudonymen litterarisch aufgetreten, außer mit ihrem Mädchennamen Kathinka Halein (auch Kathinka allein und Tina Halein) sowie dem Anagramm K. Th. Zianitzka unter folgenden: Theophile Christlieb, Dr. Schmid (?), Emeline, August Enders, Johann Golder, Rosalba, Stephanie, Tina, Viola, in Journalen auch Auguste, Emilie, Eugenie, Pauline, Rosalba Stephanie. Es ist hiernach nicht leicht, einen möglichst lückenlosen Ueberblick über ihre umfängliche Schriftstellerei zu gewinnen, zumal natürlich die bloßen Vornamen arg irreführen; immerhin tragen wenigstens bei den größeren Werken die Titel deutliche Namensbezeichnung, sind überdies auch meist an innerlichen Indicien kenntlich.

Kathinka Z. wurde, wie sie selbst bestätigte, am 4. November 1801 (nicht 1802 oder 1803) zu Mainz geboren, als Tochter des Handelsmanns Anton Victor Halein, der keineswegs, wie man liest, einer alten Patricierfamilie der Vaterstadt entstammte. An letzterer hing sie mit allen Wurzeln ihres Daseins, mit ganzer Seele. Die Geschichte „Der Zauberer oder Mainz seit dem Jahre 1838“, die das zweite Bändchen der „Sonderbaren Geschichten aus den Feenländern“ (1844) eröffnet, beweist uns Verständniß für echtes Ortscolorit, auch wenn wir nicht im Vorwort zum 1. Theile lesen, „daß die Mainzer Fastnachts-Programme als Grundlage dieses tollen aber harmlosen Capriccioso’s gedient haben“, ferner aber wärmste Hingabe an die Vergangenheit, „das goldene“, und an die Gegenwart, „das närrische Mainz“, denen der Eingang ein localpatriotisches Lied singt. „Magdalene Horix oder vor und während der Klubistenzeit. Ein Zeitbild“ (1858), in gewissem Sinne auch die vier Novellen-Serien „Rheinsandkörner“ (1851–55) halten dies Milieu fest, das erstere Werk bekundet insbesondere ihr Interesse für die politischen neugeistigen Regungen von Neumainz, die in dem genannten ausgelassenen Schwanke (S. 12 ff.) durch den „Zauberer“ Baron Blauschnut entfesselt werden, dem lebhaften Mainzer Mädchen aber im „tollen Jahr“ in der Gestalt ihres Gatten ganz nahe treten sollten.

Im Elternhause und im Pensionate zu Mainz und Straßburg hatte sie eine sehr sorgfältige Erziehung genossen, in letzterem unter anderem starken Antrieb zur Lectüre französischer Litteratur empfangen, die fürder theils in Nachahmung theils in engerer Erneuerung greifbaren Ausdruck fand. So weist das genannte Märchenbuch neben formell selbständigen „contes de fées“ solche auf, die der Gräfin d’Aulnoy und der Demoiselle La Force entlehnt sind, und ihre älteste Leistung auf dem dann fleißig von ihr gepflegten Gebiete der prosaischen Kleinepik, die „Erzählungen und Novellen“, (1845), tragen den Titelzusatz „Fremd und eigen“: sind sie doch auch aus dem Französischen von Eug. Chapus, Frd. Liedtz, E. Souvestre, Roger de Beauvoir, Mad. Ch. Reybaud und – „Der Notar, 1722, 1723“ „theilweise nach einem französischen Drama“ gearbeitet, mit Ausnahme eines englischen Cabinetsstückchens „Die rothe Nase“ nach Lord Feeling und Zitz’ unabhängig erfundenen „Freund Wispermann“ (I, 39–135). Was beobachtet man aber da? Letztgenannte Novelle ist im Stoffe der Sphäre der, übrigens gut übertragenen schlecht abgelernt, auch stilistisch weniger glatt als die Erzählungen, die sie sich zum Verdeutschen ausgewählt hatte: diese tragen alle etwas Sensation an der Stirne, ein bißchen Abenteurerei ist immer dabei, und die französischen spielen sämmtlich in wirklicher oder Pseudo-Adelsgesellschaft des 17. und des 18. Jahrhunderts. Kein Wunder, daß wir von ihr ein brauchbares „Dictionnaire des Gallicismes, oder Taschenwörterbuch aller Ausdrücke der französischen Sprache, welche sich nicht wörtlich übersetzen lassen“ (1841, 2. Ausg. 1859) besitzen, [374] sowie daß nach ihrem öffentlichen litterarischen Debüt mit den lyrischen „Phantasieblüthen und Tändeleien“ (1824) als Früchte ihrer Feder zunächst nur Uebersetzungen aus dem Französischen begegnen: „Die Fremde. Nach dem Franz. des Vicomte d’Arlincourt“ (1826), „Marion de Lorme“ (Drama in 5 Aufzügen. Aus dem Franz. des Victor Hugo 1833), „Triboulet, oder: Des Königs Hofnarr“ (nach V. Hugo’s Tragödie „Le roi s’amuse“ 1835), „Cromwell“ (nach V. Hugo’s „Trauerspiel“ 1835).

Allerdings mag bei den eben aufgezählten der Erwerbszwang den Ausschlag gegeben haben. Kathinka, die schon als kaum erblühende Jungfrau neben Frohsinn und Heiterkeit einen unwiderstehlichen Drang nach einem Wissen über die Altersgrenze hinaus bezeigt hatte, war nicht bloß auf eine tüchtige Bekanntschaft mit den besten Erzeugnissen der deutschen classischen Epoche – wo Schiller sie packte und hinriß – bedacht gewesen, sondern hatte sich auch in der Musik ausgebildet, überhaupt sich mit gründlichen Kenntnissen versorgt. Sie machte dann in der „Naturgeschichte des gesammten Thierreichs in Versen“ und noch 1850 in der „Geographie in Versen zur Hebung des Gedächtnisses“ seltsamen Gebrauch davon. So konnte sie, als sie zur Familie zurückgekehrt war und sich 1825 nach dem Tode der Mutter die Nothwendigkeit meldete, infolge Rückgangs der wol einige Zeit leidlichen Vermögensverhältnisse des Vaters, sofort eine angenehme Stelle als Erzieherin in Darmstadt und 1827 die Vorstandschaft eines weiblichen Instituts in Kaiserslautern übernehmen, von wo sie freilich schon nach Jahresfrist krankheitshalber und der jüngeren Schwester Julie wegen, die 25jährig ledig starb, heimkehren mußte. Eben damals schloß auch einer der Romane ihres Lebens: Sie löste das 10jährige Verlöbniß (?) mit einem preußischen Officier Namens Wild auf, der sie aber seiner vorläufig noch niedrigen Charge wegen und weil beide vermögenslos waren, zu heirathen kaum wirklich vorgehabt hatte und später auch die Tochter eines reichen Mannes ehelichte.

Aber erst etliche Jahre später, am 3. Juni 1837, heirathete sie den entfernt verwandten Advocaten Dr. Franz Heinrich Zitz, geb. am 18. November 1803 als Weinhändlerssohn, einen unruhigen, bisweilen wüsten Mann, ebenfalls gebürtigen Mainzer. Er war ein hervorragender Anwalt, vermögend und errang wegen seiner Schönheit viel Glück bei den Frauen. Den Bund mit der Halein ging er wol nicht ganz freiwillig ein, sondern unter dem Drucke von Drohung mit Selbstmord. Dieser habe, heißt es, nur zwei Jahre mit ihr regelrecht Haus gehalten, darauf die tadellose Gattin verstoßen und da nach Amerika flüchten müssen. Genau so kann die Sachlage jedoch nicht sein. Schon 1844 nämlich heißt die Schriftstellerin auf Buchtiteln Zitz-Halein, und über den Ocean gezogen ist der zweifellos zügellose Geselle, der ihr Gemahl war, erst Ende 1849, und zwar, so weit sich heute urtheilen läßt, ganz oder wesentlich aus politischen Motiven, nach dem Fehlschlagen der Schilderhebung in der Pfalz. Denn so unfest Franz Z. auch als menschlicher Charakter erscheint und so wenig ein Versuch ansteht, ihn bezüglich des Verhaltens wider sein Weib reinzuwaschen, er hat sich im Jahre 1848 mit größter Rücksichtslosigkeit unter Nichtachtung der eigenen Lebensgefahr den Idealen der demokratischen Strömung am Mittelrhein zur Verfügung gestellt. Er ist so der Führer der angeschwollenen Mainzer Bewegung geworden, über die, wie wir gesehen, vier Jahre vorher seine ahnungslose Frau im Faschingstone gespaßt hatte. Mainz verzichtete im ernsten Lenze des Jahres 48 auf seinen Carneval, dies lebendige Stück seiner Volksindividualität. Im Winter 1847/48 schon wurde in Mainz, während früher die Bühne das Haupt-Gesprächsthema gebildet hatte, lebhaft über Politik disputirt und am Biertische wie auf der Straße die zukünftige Gestaltung des deutschen Vaterlandes besprochen, sodaß Director Löwe wegen der widrigen Zeitverhältnisse die Bühnenleitung mit nächster [375] Saison aufgab. Am 21. Februar spielte man auf dem Stadttheater das Fastnachtstück: „Ungeheure Heiterkeit, oder Eilfmal schon dagewesen“, großes neues europäisch gleichgewichthaltendes Speck-Tackel-Stück von einem verkappten Diplomaten zusammengestellt. Die wohlhabenden Bürger der Stadt zeichneten schon am 15. Mai im Jubel über die Erfolge der volksthümlichen Bewegung im engeren Vaterländchen 30 000 Gulden zu einer Arbeiterstiftung, um den keineswegs befriedigten vierten Stand zu versöhnen, und zwar auf Anregung von Franz Zitz, und Mainz brachte recht eigentlich die Volksstimmung in Hessen-Darmstadt zum Durchbruche. Deren begründender Verfechter im dortigen Landtage ward ja vielmehr Th. Reh. Immerhin hat Z., der Mann mit der scharf energischen, man möchte sagen radicalen Physiognomie – z. B. auch ein ausgewachsener struppiger Seemannsbart, der zusammen mit mit dem wilden Haupthaare den Kopf umrahmte, gegenüber den meist glattrasirten, höchstens mit Schnurr- oder kleinem Backenbarte versehenen 48er Politikern (auch radicalen) – wie ihn gleichzeitige Bilder vorstellen, sowol im Vorparlament zu Frankfurt a. M. als in der Nationalversammlung selbst eine gar wohlbeachtete Rolle gespielt. In des ersteren dritter Sitzung am 5. April beantragte er, die Versammlung solle verlangen, daß der Bundestag, bevor er eine constituierende Versammlung einberufe, sich von dem, von ihm ausgegangenen verfassungswidrigen Ausnahmebeschlusse lossage und die Urheber oder Ausführer dieser Beschlüsse aus seiner Mitte entferne; die Annahme von Bassermann’s einschneidendem Vorschlage, „bevor“ durch „indem“ zu ersetzen, veranlaßte einen Exodus der extremen Linken. Am 26. Mai ordnete die Nationalversammlung eine Commission ab, um die von Zitz vorgebrachten blutigen Conflicte der Mainzer Bürgerschaft mit preußischen Soldaten zu untersuchen; Uebertreibungen Z.’ und republicanischer Verdacht wurden für die Mehrheit das Resultat. Im Herbste kam es wegen des ironischen Antrags der äußersten Linken, die gerichtlicherseits geforderte Verhaftung der Abgeordneten Zitz, Ludw. Simon und Schlössel wegen Aufreizung sowie Mißhandlung von Collegen zu bewilligen, zu einer stürmischen Debatte (s. S. 378 u.), wobei „der Advocat der Mainzer Excesse noch einmal ein untergeordnetes Plaidoyer zum Besten gab“, wie der Ohrenzeuge R. Haym (s. u.) urtheilt, der im Mai 1849 die Frankfurter Conflicte zwischen Civil und Militär so glossirt: „es fehlte nichts, als daß Zitz von Mainz noch unter uns gewesen wäre, seine rothe Beredsamkeit über dies sein Lieblingsthema zu ergießen“. In der Vaterstadt als Oberst der Bürgergarde mit an der Spitze der Ultras und überall vielgenannt, genoß er bei seinen Mitbürgern hohes Ansehen und Vertrauen. Als er rasch der Liebling der Masse geworden war, stimmte die Zitz hie und da in sein Lob ein, auf eine Wiederannäherung des Ungetreuen hoffend, der bis ans Lebensende von ihr nichts hat wissen wollen. In Nordamerika drüben lebte er lange als Notar, meist wol in New-York, kehrte viel später nach Europa zurück, als veränderte Verhältnisse und Gesetze ihn vor Strafe sicherten, und starb am 30. April 1877 in München. Daß die Scheinehe gesetzlich aufgelöst worden ist, wobei in der Klage dem Gatten arg zugesetzt wurde, und die Frau es an Sticheleien selbst in öffentlichen Blättern nicht fehlen ließ, ist Thatsache. Bei K. Goedeke (s. u.) findet sich die uncontrolirbare Notiz: „Die Frau brachte seinem Freiheitsdrange das Opfer ihres Glücks, indem sie sich freiwillig erbot, sich (wann?) so lange von ihm zu trennen, bis er einst ruhiger geworden sein würde. Allein sie wurde für ihre Opferwilligkeit schlecht belohnt, indem sie den boshaften Verläumdungen der Weiber anheimfiel, die, dem galanten Manne zu gefallen, die schutzlose Frau verlästerten“. Wenn daselbst weiter die Freundschaft mit Johanna Kinkel – das könnte nicht später als 1849 sein – und die Achtung Ed. Duller’s, der die katholisch getaufte, aber nie irgendwie katholisirende Dichterin wol der [376] deutschkatholischen Gemeinde genähert hat, Freiligrath’s, G. Kinkel’s u. a. (Dichter) als Ersatz bezeichnet werden, so fehlen auch dafür gegenwärtig Belege; beispielsweise bietet Ad. Strodtmann’s für jene Periode materialreiches Kinkelbuch „Wahrheit ohne Dichtung“ (1850/51) nichts. Immerhin scheint der Bruch nicht als völliger geplant gewesen zu sein: z. B. heißt’s, der Gatte habe ihr nur eine mäßige Abfindung zum Unterhalte gewährt. Sie hat in späteren Jahren ihrer Schriftstellerlaufbahn immer weniger materielle Stütze in der Feder gefunden: als ihren Büchern kaum noch Absatz zutheil ward, erlernte sie die nöthigen Handgriffe und setzte eins selbst. Allerdings sagen die Berichte über ihr Alter, sie habe, dauernd in Mainz wohnhaft geblieben, als infolge der unablässigen Thränen ihrer Leidenszeit eine der Blindheit nahe Augenschwäche, alsdann in den grauen Staar ausartend, die Bejahrte überfiel, im St. Vincenziuspensionate bei den barmherzigen Schwestern daselbst Zuflucht gesucht. Hier starb sie kurz vor dem Gatten, am 8. März 1877. Jederzeit war sie in der Heimath hochgeachtet und verkehrte da die langen Jahre hindurch in angenehmen Gesellschaftskreisen, sodaß ihre Mitbürger sicherlich ihr Recht gaben bezüglich des Ehezerwürfnisses. Für ihre Samariterwirksamkeit im Kriege 1870/71 zeichnete sie ein hessischer Orden aus.

Die Poesie der Dichterin, ursprünglich sonnig und lebensfroh, nahm unter dem Drucke trüber Erfahrungen allmählich einen schweren Zug an, und oft lagerten die Schatten des Trübsinns auf ihr. Aus der „rheinischen Camöne“ ward so „die Sängerin der unglücklichen Liebe“. Die Sammlung „Herbstrosen in Poesie und Prosa“, eine Auswahl ihrer zahlreichen Poesien in verschiedenen Zeitschriften (1846), gibt ungefähr einen Geschmack ihrer eigentlich dichterischen Leistungen vor dem großen Unglück, das ihre Seele traf und die ganze zweite Hälfte ihres Daseins vergiftete. Innige Liebeslieder stoßen schon in der ersten Periode auf, aber erst nach dem harten Schicksalsschlage sind ihre Erzeugnisse aus diesem Stoffgebiete von düsterer Melancholie mehr oder weniger durchsetzt, und ernstes Reflectiren überwiegt demgemäß immer stärker die urwüchsige Stimme der Empfindung. Gerade darin aber bekundete sie die glückliche Gabe, selbsterschaute Gefühle poetisch wiederzuspiegeln, und sie hätte gewiß reinere und lichtere Höhen des Parnasses erstiegen, wofern sie nicht, seit dem dreizehnten Jahre an rasches Schaffen ohne Reifen und Feilen gewöhnt, dann fast beständig infolge ökonomischer Noth, die auch mit ein Motiv zum Eintritte ins Vincenzstift gebildet hat, zur Feder gegriffen hätte. So handhabte sie letztere über drei Decennien erwerbs- und nach und nach immer mehr handswerksmäßig, „sie, der früher die Poesie eine freundliche Genossin gewesen“ und deren Dichtungen bis zur Revolutionszeit hin „zwar auch hier nicht selten trüb, verstimmt und verstimmend, doch ein im ganzen erfreuliches Bild zeigen“ (Goedeke). Den speculativen Nebengedanken ihrer Schriftstellerei verräth schon die vorübergehende Sucht nach lockenden, gesuchten Titeln, die nicht im Inhalte begründet liegen: „Donner und Blitz“, „Süß und sauer“, „Rheinsandkörner“, „Maikräuter“, „Champagnerschaum“, „Korallenzinken“, „Strohfeuer“, sämmtlich aus den Jahren 1850–55. Dies sind meist novellistische Arbeiten, von wechselndem Werthe wie ihre sonstigen Productionen, deren Reihe sich manchmal geradezu überstürzte. Eben als Erzählerin zeigt sie wiederholt Ansätze zu mehr, und wie Seelenzustände, Stimmungen ihr gut lagen, ahnt man leicht aus obigen Andeutungen.

Aus der großen Zahl ihrer Veröffentlichungen stechen einige hervor und verdienen, namentlich erwähnt zu werden. „Donner und Blitz“ (1850), schwärmerisch übertriebene Scenen der jüngsten politischen Situation, einseitig, nach conservativer Sicht sogar parteiisch wie die „Dur- und Molltöne. Neuere Gedichte“ (1859), die staatliche und kirchliche Zustände von entschieden freisinniger [377] Anschauung aus behandeln, jedoch ohne daß es ihr gelang, den Staub des Alltags, der realen Prosa abzustreifen, wogegen ihre Lyrik, sobald sie von Liebe u. ä. Stoffen singt, erwärmt; „Welt-Pantheon. Eine Festgabe“ (1856), eine Reihe von scharf aufgefaßten Charakteristiken berühmter Männer und Frauen, deren Eindruck, bemerkt H. Kurz richtig, das übelgewählte Versmaß beeinträchtigt. In den Dreißiger und Vierziger Jahren wurden die Arbeiten der Zitz viel gelesen, obschon auch die damaligen nicht merklich hervorragten. Infolge ihrer vielschreiberischen Skrupellosigkeit bei der Stoffwahl maß man zuletzt ihrem Wirken keinen Werth mehr bei: „Donner und Blitz [s. o.] von Kathinka Zitz“ ward in Mainz geläufige Redensart, flache Belletristik zu kennzeichnen. Als die phantastische Novellistik freierer Erfindung bei dem, kräftigere Kost, greifbareres Fundament heischenden Publicum nicht mehr verfing, wandte sich die Z. seit 1855 einer Art Sensationserzählung zu, die mit „Kaiserin Josephine, nebst anderen Erzählungen“ (1855) einsetzt und sogleich in „Schillers Laura nebst anderen Erzählungen und Novellen“ (1855) – wie H. Kurz sagt, in Behandlung und Sprache kräftig und selbst keck, aber geschmacklos – dem neuen Felde zusteuert, fesselnde neue Dichtergenien nach ihren romantischen Erlebnissen, ohne positive historische Treue mit dem zweifelhaften Schmucke allerlei hinzugedachter bez. ausgedeuteter Momente solchen Kalibers breit vorzuführen. Es gehören dahin die vier aufgeschwellten, unter „K. Th. Zianitzka“ laufenden Werke, mit denen die Z., nachdem „Beiträge zur Unterhaltungslektüre“ (1856), „Magdalene Horix“ (1858) und der Roman nach dem Französischen „Starkhand“ noch einmal den Versuch gemessenen Schaffens machen, ihre litterarische Wirksamkeit in der Hauptsache abschloß: „Der Roman eines Dichterlebens (Goethe)“, 11 Bände (1863); „Rahel, oder dreiunddreißig Jahre aus dem Leben einer edlen Frau“, 6 Bände (1864), „Heinrich Heine der Liederdichter. Ein romantisches Lebensbild“, 6 Bände (1864), „Lord Byron. Romantische Skizzen aus einem vielbewegten Leben“, 5 Bände (1867). Während die Schicksale und Persönlichkeiten der drei Dichterkönige überkühn, sehr oft stillos aufgeputzt, ja im wesentlichen verzeichnet sind, gebührt dem Buche über Rahel Levin-Varnhagen das Lob gründlicherer Vorbereitung und verständnißvollerer Rücksicht auf die psychologische Wahrheit. In den „Blättern für litterar. Unterhaltung“, wo 1864 S. 147 f. ein Anonymus freundlich, wenn auch principiell die Gattung ablehnend, dem Goethe-Roman Gewissenhaftigkeit und in Zuthaten Enthaltsamkeit nachgerühmt hatte, gab S. 475 f. desselben Jahrgangs Ed. Schmidt-Weißenfels eine ausführliche, stark abfällige Kritik des Buches über die geistreiche Berliner Romantikerin: „nichts als dialogisirte Uebersetzungen (meint s. v. a. Periphrasen)“ der Briefe, Memoiren u. ä. Schriften des Rahel-Kreises; „eine entsetzlichere Salonsprache als Dame Zianitzka zum besten giebt, … hat es nie gegeben.“ Dagegen lesen wir darüber in einer neueren (1898), freilich dilettantischen „Litteraturgeschichte des Rheinisch-Westfäl. Landes“, von G. Köpper, S. 41: „nur schade, daß das Buch so breit angelegt ist, es würde sich sonst wol bis heute seinen ehrenvollen Platz auf dem Büchertische unserer Frauen behauptet haben“. Der schiefe Standpunkt des letzteren Beurtheilers, „das Leben Rahels“ sei da „behandelt worden“ verleitete noch mehr bei den drei angeblichen „Lebensbildern“ Goethe’s, Heine’s, Byron’s andere Zwecke, als sie der Z. vorschwebten und überhaupt nur vorschweben konnten, vorauszusetzen. Interessant sind diese Schriften nicht ohne Ursache geheißen worden, und zwar zumal in der Bedeutung „Interesse erregend“; denn wir messen ihnen das Verdienst bei, daß sie für jene musischen Olympier Sinn und Einsicht bei Leuten erweckt haben, die an den wirklichen Gipfeln der Dichtkunst achtlos vorbeizugehen und sich nicht hinaufzugetrauen pflegen. Dem Bearbeiter (J. Mähly?) des Z.-Artikels bei Bornmüller (s. u.) [378] zufolge sind sie „eine angenehme Lektüre, genügen aber höhren Anforderungen der Kritik oder auch Aesthetik nicht“. Was Schmidt-Weißenfels’ harten Tadel der Rede- und Ausdrucksweise betrifft, so würde selbst falls er ganz unbesteitbar wäre, deren Verflachung bez. gelegentlichere Gespreiztheit oder häufigeres Ersticken im Conversationstone an sich nicht wundernehmen, wo die Z. Jahrzehnte lang ununterbrochen ums Brot geschrieben und infolge ihrer erstaunlichen Fruchtbarkeit viel Fabrikwaare geliefert, vor allem aber verschiedenartige französische Originale, und zwar meist recht gelungen übertragen hatte. Den Zwang zu solcher Engrosarbeit müssen wir weit mehr beklagen als die Kämpfe und Drangsale ihres Gemüthes, welche vielmehr eher sogar förderlich und treibend gewirkt haben. Durch ihn verlor unsere weibliche Litteratur ein vielseitiges Talent, dessen Trägerin im lyrischen Verse eine sichere Hand besaß und in manchen Sätteln der erzählenden Prosa gerecht, dazu auch noch mit Witz, bisweilen sogar glücklicher Satire – für dies beides vergleiche man außer den oben bei ihrer Jugend citirten Schriften die „Variationen in humoristischen Märchenbildern“ (1849) – und einem offenen Auge für die Wirren und Sorgen der schwerkranken Zeit begabt war. Unter mehreren der oben zu Anfang aufgezählten weiblichen Vornamen schrieb die Z. eine lange Kette von Jugendschriften.

Kath. Zitz: 1) ziemlich eingehend, mit manchen anderwärts nicht nachweisbaren Details, behandelt bei Goedeke, Grundr. d. Gesch. d. dtsch. Dchtg.¹ III S. 1039 (Biographie) – 1041, Nr. 1237, nebst sorgsamer Bibliographie (S. 1040 hinter Nr. 7 die zahlreichen Jugendschriften); Brümmer, Lex. d. dtsch. Dicht. u. Pros. des 19. Jahrhs.⁴ IV 424 f.; Frz. Bornmüller, Biograph. Schriftstellerlex. S. 786 f. 2) kürzer abgemacht (schon 1825!) bei Schindel, die deutschen Schriftstellerinnen III, 147 ff., der die vor 1826 in Zeitschriften erschienenen Gedichte verzeichnet („Phantasie-Blüthen und Tändeleien“, die da fehlen, setzt Brümmer unter 1824, Goedeke unter 1826); Damen-Konversations-Lexikon² (1846) V 127 f.; Hnr. Kurz, Gesch. d. dtsch. Lit. IV³ S. 61 u. S. 700 b, mit Charakteristik, woran Hnr. Groß, Deutschlds. Dichterinnen u. Schriftstellerinnen² S. 110 f. angelehnt; K. Schütze, Dtschlds. Dchtr. und Schriftstllr. (1862) S. 516. Das Geburtsjahr hat Brümmer „nach ihrer eigenen Angabe“ auf 1801 festgestellt. 3) Auffällig und unklar ist die Thatsache, warum K. Z., die zwar keine ausgesprochen katholische Gesinnung in Leben und Schaffen zur Schau getragen, aber wol stets nominell ihrer angeborenen Confession angehangen und, gleich dem Gatten, den Lebensabend demgemäß beschlossen hat (freilich ließ sich kein anderes Unterkommen für die hülfsbedürftig gewordene finden), in den meisten Lexicis der katholischen Litteratur deutscher Zunge, voran bei Kehrein, übergangen scheint. Pataky, Lexikon deutscher Frauen der Feder II (1898) S. 466 f. gibt nur Geburts- und Todesdatum und eine, trotz Brümmer’s Beihülfe unvollständige Schriftenliste, aber in dem Anhange S. 67 b ein gutes Verzeichniß der Pseudonyme. – Franz Zitz: vgl. R. Haym, Die dtsch. Nationalversammlung I (1848) 16 f., II (1849) 10–12, III (1850), 154. Bildniß nebst einigen nichtpersönlichen Notizen i. d. „Gartenlaube“ 1898 Nr. 9 S. 141 (f.); sein Auftreten am 5. März und 2. April 1848 ist vermerkt in dem leitenden Erinnerungsblatt „Vor fünfzig Jahren“ i. d. „Münchn. Neuest. Nachrichten“ von diesen beiden Daten 1898 (Nr. 106 und 152). Unsere obigen Angaben über das Mainzer Theater Anfang 1848 folgen fast wortwörtlich Jakob Peth, Geschichte des Theaters und der Musik zu Mainz (1879), S. 253 u. 255. – Eine interessante Aeußerung über Franz Zitz, der (s. o.) mit den ebenfalls radicalen Abgeordneten Schlössel und Ludwig Simon als intellectueller Urheber des Aufstandes und der Mordscenen vom 18. Sept. 1848 galt und deshalb mit diesen vom Frankfurter Appellationsgericht in [379] Untersuchung gezogen wurde, liefert ein Schreiben Arndt’s an M. A. von Bethmann-Hollweg vom 18. October (E. M. Arndt. Ein Lebensbild in Briefen hsg. v. Meisner u. Geerds, 1898, S. 461 f., vgl. 458), er nennt sie „unsere Mörder“ und fürchtet, sie würden von den Geschworenen „durch politische Stimmung gleich dem Schlingel Freiligrath freigesprochen werden“. Allerlei abfällige Urtheile über F. Zitz’ Frankfurter Wirksamkeit hören wir jetzt von Leopold Ladenburg (u. K. Mathy, der ihm vielleicht als einen „Suppleanten“ des zu Anfang gewählten „permanenten Ausschusses“ näher getreten war): Aus dem Nachlaß von K. Mathy, hsg. von Ludw. Mathy, 1898, S. 170, 174, 274 f., 286, 317, 327, 370, 401, 412, 418. – Controllierende Durchsicht der Personalien nahm Landgerichtsdirector Dr. K. G. Bockenheimer in Mainz, der derzeitige beste Kenner und Schilderer der Vergangenheit dieser Stadt vor: er berichtete bez. ergänzte mancherlei.