ADB:Zimmern, Wilhelm Werner Freiherr von
[303] 1488 von Kaiser Friedrich III. zu Innsbruck in die Acht erklärt und seine Besitzungen dem Reiche zugesprochen. Er war in die kaiserliche Ungnade gefallen, weil er angeblich bei dem Erzherzog Sigmund von Oesterreich, dessen Rath er war, gegen den Kaiser intriguirt hatte, indem er dem Erzherzog die Meinung beibrachte, der Kaiser habe ihn mit Gift aus dem Wege räumen wollen, und so Veranlassung wurde, daß der Erzherzog seine Länder dem Hause Oesterreich zu entfremden suchte. Die Zimmern’schen Besitzungen wurden von den Grafen von Werdenberg für das Reich eingezogen. Hans Werner († 1495) hatte bereits längst das Zeitliche gesegnet, als seine Familie endlich im Jahre 1504 ihre Besitzungen, Ehren und Würden zurückerhielt. Während dieser Ereignisse wurde der noch nicht vierjährige Wilhelm Werner zum Grafen Georg von Werdenberg-Sargans nach Ortenstein, einem romantisch auf einem Felsen über dem Rhein gelegenen Schloß im bündischen Domleschgerthal, gebracht. Dort wurde er von dem Grafen Georg, der kinderlos war, etliche Jahre erzogen und sogar zum Erben eingesetzt; allein aus der Erbschaft wurde nichts, vielmehr der junge Herr nach Absterben des Werdenbergers wiederum zu seiner Mutter nach Rottweil geschickt. Diese gab ihn zur weiteren Erziehung an den Stuttgarter Hof, wo er nebst einigen anderen Söhnen vom Adel mit dem jungen Herzog Ulrich von Württemberg gemeinschaftlichen Unterricht genoß. Nachdem er nun etliche Jahre bei Hof gewesen war und sich die dauernde Zuneigung seines fürstlichen Mitschülers erworben hatte, bezog er im J. 1504 die Universität Tübingen, dann Freiburg i. Br. (hier immatriculirt d. 31. Oct. 1504), wo er bis zum Jahr 1509 blieb und sich mit Eifer juristischen und philologischen Studien hingab. Es wird von ihm rühmend hervorgehoben, daß er, als er in Freiburg zum Rector erwählt war, seine lateinischen Reden selbst ausgearbeitet habe. In sein Rectoratsjahr fiel der Tod König Philipp’s von Spanien (1506), weshalb Wilhelm Werner statt der üblichen rothen Rectorkappe der Trauer wegen eine schwarze tragen mußte. Sein Lehrer war unter anderen der Dominicaner Dr. Georg Northofer (geb. 1456), Mitglied der theologischen und philosophischen Facultät, welcher im J. 1508, als er zum fünften Mal Rector war, von dem adeligen Studenten Johann Gaudenz von Blumneck auf offener Straße und am hellen Mittag ermordet wurde. Von der Hochschule heimgekehrt verzichtete Wilhelm Werner zu Gunsten seiner beiden Brüder Hans Werner und Gottfried Werner (der älteste, Veit, war mittlerweile gestorben) gegen Vorbehalt eines jährlichen Leibgedinges und des Oeffnungsrechtes zu der Burg Wildenstein (im Donauthal bei Beuron gelegen) auf seine ganze Erbschaft, da er beabsichtigte, in den geistlichen Stand zu treten. Er bewarb sich eifrig um die Erlangung einer Domherrnpfründe zu Konstanz und erfreute sich hoher Fürsprache. Allein aus der Sache wurde nichts; die Mehrzahl der Kanoniker zu Konstanz sah seinen Eintritt in das Capitel nicht gern, um nicht die Zahl der hochadeligen Mitglieder noch vermehren und diese zu mächtig werden zu lassen. Als Wilhelm Werner Jahr und Tag hingehalten wurde, gab er seine Absicht auf und wandte sich einem anderen Berufe zu. Er versah dann, durch seine Studien vortrefflich geschult, bei 20 Jahren das Amt eines Hofrichters zu Rottweil und zwar als Statthalter der Grafen von Sulz, die dieses Amt als ein erbliches Lehen seit dem Jahre 1360 innehatten. Er besaß eine Behausung zu Rottweil, wohnte aber auch viel auf dem benachbarten Schloß Herrenzimmern. das er von Heinrich, dem Bastardsohne seines Großoheims Gottfried hatte erwerben können, nachdem ihm seine beiden Brüder das ihnen zustehende Lösungsrecht übertragen hatten. Auch die Herrschaft Oberndorf hat Wilhelm Werner eine Reihe von Jahren besessen. Um die Fastnacht 1521 konnte er in sein neuhergerichtetes Heim zu Herrenzimmern die Freiin Katharine v. Lupfen als seine Gattin einführen. [304] Das Eheglück war jedoch nur von kurzer Dauer. Schon um Frohnleichnam (30. Mai) desselben Jahres verschied sie zu Engen in der Herrschaft Hewen, wohin sie sich zu dem für ihren verstorbenen Vater gehaltenen Dreißigsten begeben hatte, infolge eines Unglücksfalles. Wilhelm Werner ging noch eine zweite Ehe ein mit Amalia v. Leuchtenberg, der Wittwe des Grafen Leonhard vom Hag. Im J. 1529, am 19. Juni, übernahm er, vom Kaiser berufen als ein dem Herrenstande angehöriger und zugleich juristisch gebildeter Mann, eine Stelle als Beisitzer am Reichskammergericht. Als solcher konnte er auch vorkommenden Falles den Kammerrichter vertreten, und wirklich wurde er im Jahre 1539 durch das Vertrauen seiner Mitassessoren, nachdem Hans v. Pfalz-Simmern das Kammerrichteramt aufgegeben hatte, zum Verwalter dieser wichtigen Stelle berufen. Erst im J. 1541 wurde der Posten wieder definitiv besetzt und zwar durch den Grafen Hans v. Montfort, der bis 1539 neben Wilhelm Werner Assessor war. Es geschah wol hauptsächlich infolge dieser Ernennung, daß letzterer seine Stelle am Kammergericht ganz niederlegte (1541). Die Zimmerische Chronik gibt zwar vornehmlich drei andere Gründe an, die Wilhelm Werner dazu veranlaßten, nämlich einmal weil die protestirenden Stände damals so gar überhand genommen und die Gerichtspersonen sich in größter Unsicherheit befunden hätten, auch nach und nach die Neugläubigen in das Collegium eingedrungen und dadurch Zwietracht und Mißtrauen entstanden seien, schließlich weil die Gehaltsverhältnisse so gar im Argen lagen. Letztere wurden jedoch vor seinem Abgange geregelt. Während dieser Speierer Amtsführung, die in eine für das Reichskammergericht äußerst wichtige Epoche fiel, verlor Wilhelm Werner seine Gemahlin, welche im J. 1538 unerwartet schnell in Rottweil, wo sie seit den Unruhen des Bauernkriegs ihr Domicil beibehalten hatte, verschied. Die Ehe war kinderlos geblieben. In demselben Jahre wurden die drei Zimmerischen Brüder von Kaiser Karl V. namentlich auch in Erinnerung der Verdienste Wilhelm Werner’s am Hofgericht in Rottweil und am Kammergericht in Speier in den erblichen Grafenstand erhoben. Nach seinem Weggang von Speier benutzte Wilhelm Werner seine Muße, um sich auf seinem Schloß Herrenzimmern namentlich historischen und antiquarischen Studien hinzugeben. Allein sie sollte nicht allzu lange währen. Denn als es galt nach den unruhigen Zeiten des Schmalkaldischen Krieges das Kammergericht, dessen Thätigkeit mehrere Jahre beinahe ganz geruht hatte, wieder in Gang zu setzen, da lenkte sich das Augenmerk Kaiser Karl’s wieder auf den Zimmerischen Grafen. Ein Decret vom 7. August 1548 berief ihn an die Spitze dieses vornehmsten Gerichtshofes und am 1. October konnte zu Speier durch den dortigen Bischof Philipp von Flersheim als kaiserlichen Commissarius die feierliche Beeidigung und Investitur stattfinden. Ohne daß Wilhelm Werner irgendwie den Juristen von hervorragender Bedeutung beizuzählen wäre, wird doch seiner Amtsführung in den Visitationsberichten das größte Lob gespendet. Von den gleichzeitig Berufenen sind vor allem zu nennen Joachim Mynsinger von Frundeck, Werner Koch, Wolfgang Hunger und dann der bekannte Historiker Wiguleus Hund. Nachdem Wilhelm Werner bei sechs Jahren kais. Kammerrichter gewesen war, in welcher Zeit die Wirksamkeit des Gerichts durch Kriegsstürme erheblich gehemmt wurde, zog er sich (7. Februar 1554) vom Amte zurück. Verschiedene Mißstände, die er beklagte, wie auch sein Alter wirkten wol zusammen, um ihn zu diesem Entschluß zu bringen. Er wohnte von nun an wiederum zu Zimmern. Aber nochmals ist er 1556 als kaiserlicher Commissar neben dem Abt Gerwig von Weingarten bei einer Visitation des Kammergerichts thätig. Nach einem langen ruhigen Lebensabend beschloß der Graf seine Tage am 7. Januar 1575, so daß er genau 90 Jahre und einen Tag alt wurde. Seiner Verordnung [305] gemäß wurden die sterblichen Ueberreste in der Zimmerischen Familiengruft in Meßkirch beigesetzt, das Herz aber in der Schloßcapelle zu Herrenzimmern, seinem Lieblingsaufenthalt, unter dem Altarboden niedergelegt, so daß der celebrirende Priester genau über demselben stand. Als später die Schloßcaplanei verlegt wurde, kam das Herz mit bischöflicher Genehmigung in die Capuzinerkirche zu Rottweil. Nach der Aufhebung des Klösterchens wurde es durch einen Besitzer desselben 1839 an den Fürsten von Fürstenberg verkauft und befindet sich seitdem im fürstlichen Archive zu Donaueschingen.
Zimmern: Wilhelm Werner Freiherr von Z. wurde am 6. Januar 1485 als der jüngste von vier Söhnen des Freiherrn Johann Werner v. Z. und dessen Gemahlin, der Gräfin Margarethe v. Oettingen, zu Meßkirch geboren. Die Stammburg seines Geschlechtes, von der dieses den Namen führte, war das jetzt in Ruinen liegende Schloß Herrenzimmern links vom Neckar zwei Stunden unterhalb der Stadt Rottweil. Die Herrschaft Meßkirch hatten die Herren von Zimmern schon im Jahre 1354 durch Heirath erworben. Wilhelm Werner’s Jugend fiel in eine traurige Zeit. Sein Vater Hans Werner wurde am 8. JanuarWas das Andenken des Grafen namentlich auf die Nachwelt gebracht hat, das sind seine historischen Arbeiten, für die er von Jugend auf gesammelt hat. Er liebte es, seine Werke, die meist genealogischen Inhalts sind, mit eigenen Federzeichnungen, namentlich von Wappen zu versehen. Diese Zeichnungen, zum Theil schön colorirt, verrathen eine geübte, gut geschulte Hand. Von seinen Schriften sind erhalten: „Genealogie der Grafen von Kirchberg, des von der vierten Tochter des letzten Grafen von Heiligenberg abstammenden Zweiges“. Originalhandschrift mit Federzeichnungen in der fürstl. Bibliothek zu Donaueschingen; „Genealogie der Grafen von Montfort, des von der fünften Tochter des letzten Grafen von Heiligenberg abstammenden Zweiges“. Originalhandschrift ebenda; „Genealogieen hauptsächlich Schwäbischer Geschlechter“. Originalhandschrift ebenda; „Des kaiserlichen Kammergerichts zu Speier Kammerrichter, Beisitzer und Doctores von 1529–1553“. Originalhandschrift ebenda (für die Geschichte des Gerichts selbst bedeutungslos); „Krönungs-, Begräbnis-, Hochzeits- und Belehnungsfeierlichkeiten von 1486–1558“. Originalhandschrift ebenda; „Genealogische Notizen, die gräfliche Familie Zimmern betreffend“, in einem Psalterium auf dem leeren Raum der sechs Kalenderblätter niedergeschrieben. Originalhandschrift ebenda; „Zimmerischer Totentanz“, er enthält a) Geistliches ABC. b) Spiegel der Kranken. Es sind Betrachtungen über den Tod, die der Graf theils aus anderen Schriftstellern und Dichtern zusammengestellt, theils selbst verfaßt hat. Originalhandschrift in der gräfl. Königseggischen Bibliothek zu Aulendorf mit vielen und guten Malereien, die zum Theil dem Holbein’schen Totentanz entlehnt sind. Auch das Bildniß des Grafen und seiner ersten Gemahlin befindet sich unter den Illustrationen dieser Hdschr.; „Jahrgeschichten des Geschlechts von Zimmern“, auf den Rand des einem Gebetbuch vorangehenden Kalenders geschrieben. Originalhandschrift in der großherzogl. Hofbibliothek zu Karlsruhe. Das Hauptwerk des Verfassers ist eine fünfbändige „Chronik von dem Erzstifte Mainz und dessen Suffraganbisthümern“, die nach mehr als zwölfjähriger Arbeit sehr wahrscheinlich 1550 vollendet wurde. Entgegen dem Verbot des Verfassers ist die Chronik nicht zusammengeblieben, sondern unter die Erben getheilt worden, so kommt es, daß sich das erste Buch, von dem Erzstift Mainz handelnd, in Originalhandschrift in der großh. Bibliothek zu Weimar (der Entwurf dazu abschriftlich in Wolfenbüttel), das zweite Buch, die Bisthümer Worms, Würzburg und Eichstädt umfassend, in Originalhandschrift in der fürstl. Bibliothek zu Donaueschingen, das vierte Buch über die Bisthümer Chur, Hildesheim und Paderborn in Originalhandschrift in der königl. Hausbibliothek zu Stuttgart befindet. Alle drei Bände sind mit Wappenmalereien geschmückt. Auch das fünfte Buch, welches die Bisthümer Halberstadt, Konstanz und Augsburg behandelt, hat sich kürzlich in einem Codex der Universitätsbibliothek Gießen wiedergefunden, und zwar ist diese Copie von dem Verfasser selbst durchgesehen. Das dritte Buch über die Bisthümer Speier, Straßburg und Verden ist bis jetzt noch verschollen. Das ganze Werk, welches von großer Belesenheit des Verfassers und Vertrautheit mit den mittelalterlichen Ueberlieferungen zeugt, hat durchaus den Charakter einer für den [306] Hausgebrauch bestimmten Compilation. Für die Geschichte der Historiographie ist es nicht ohne Bedeutung. Auch möge hier die in Donaueschingen befindliche und mit Wappen und anderen Malereien gezierte Abschrift der Reichenauer Chronik des Gallus Öhem genannt werden.
Dann ist vor allem noch zu erwähnen die Betheiligung Wilhelm Werner’s an der Abfassung der Zimmerischen Chronik, jener unvergleichlichen Quelle für die deutsche Culturgeschichte des 16. Jahrhunderts. Längere Zeit galt unser Graf für den Verfasser. Das ist er jedoch nicht; verfaßt ist die Chronik vielmehr von dem Grafen Froben Christoph von Zimmern und seinem Secretär Johannes Müller. Aber Wilhelm Werner hat mannichfache Beiträge geliefert. Auch zwei Gedichte von ihm, einen geistlichen Spruch und ein launiges Gedicht von einem weltlichen Kloster, hat dieses 1566 vollendete Werk der Nachwelt erhalten. Der Graf war auch ein fleißiger Sammler von allerhand Antiquitäten und Seltenheiten, so daß seine „Wunderkammer“ eine Sehenswürdigkeit bildete. Seine berühmte „Liberei“ wird mehrfach erwähnt. Ein bedauerlicher Unfall traf ihn, als er zur Zeit des Fürstenkrieges seine Schätze von Speier nach Zimmern flüchtete. Den Fuhrleuten gerieth ein Wagen mit zwei Fässem beladen in die Kinzig und konnte nur mit Noth wieder herausgebracht werden. In den Fässern befanden sich aber des Grafen beste Manuscripte und Collectaneen, die er von Jugend auf mit größter Mühe zusammengebracht hatte. Durch das eingedrungene Wasser faulten die Schriften in den Fässern, so daß nicht der dritte Theil mehr leserlich war.
Wilhelm Werner war ein heiterer, lebensfroher Mann, aus dessen Speierer Zeit manch lustig Stücklein erzählt wird, geneigt zu Wagnissen, ein biederer Charakter von einfachem Wesen, wohlwollend für seine Umgebung und mildthätig gegen die Armen, kurz – ein guter, frommer Herr, wie er wiederholt genannt wird. Er war bereits in die Mannesjahre eingetreten, als der religiöse Kampf anbrach. In diesem stand er, obschon nicht blind gegen die mannichfachen Gebrechen ihrer Diener, durchaus auf der Seite der katholischen Kirche, der er zeitlebens ein innig ergebener Anhänger blieb; im übrigen wurzelte er durchaus in den Anschauungen seiner Zeitgenossen.
- Vgl. Zimmerische Chronik hsg. von Barack. 4 Bde, 2. Aufl. Freiburg u. Tübingen 1882, besonders Nachwort 4, 327 ff. – Ruckgaber, Geschichte der Grafen von Zimmern. Rottweil 1840. – Franklin, Die freien Herren und Grafen von Zimmern. Freiburg i. B. und Tübingen 1884. – Beschreibung d. Oberamts Rottweil. Stuttgart 1875. – Ludwig, Ein wiederaufgefund. Band d. Mainzer Erzstiftschronik d. Grafen W. W. von Zimmern, in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. 12, 245 ff.