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Artikel „Wittig, August“ von Eduard Daelen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 638–639, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wittig,_August&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 01:23 Uhr UTC)
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Wittig: August W., Bildhauer, arbeitete sich aus sehr beschränkten Verhältnissen zu einer bedeutenden Künstlerstellung empor. Als Sohn mittelloser Eltern in Meißen am 23. März 1823 geboren, konnte er zu seiner Ausbildung nur die Volksschule besuchen und mußte nachher gleich als Steinmetz sich seinen Unterhalt selbst erwerben. Doch da seine ungewöhnliche Begabung für die Bildhauerei von wohlhabenden Gönnern bald erkannt wurde, so fand er nach kurzem durch ihre Vermittlung Aufnahme in die Dresdener Kunstakademie. Er trat hier in das Atelier Rietschel’s ein, der sich seiner mit besonderem Interesse annahm. In den Arbeiten des Schülers zeigte sich aber auch eine deutliche Beeinflussung der mächtigen Persönlichkeit Hähnel’s, der durch seine herbere Kunstweise dem geläuterten Realismus Rietschel’s gegenüber in Dresden eine Sonderstellung einnahm.

Schon durch seine erste Arbeit, mit der W. 1846 an die Oeffentlichkeit trat, ein Relief „Der Raub des Hylas“, erwarb er sich bei allseitiger Anerkennung den Auftrag zu zwei weiteren Reliefs, den Gartenbau und die Landwirthschaft [639] darstellend, für ein Landhaus in Leipzig bestimmt. Eine seiner nächsten Arbeiten, die Broncegruppe „Siegfried’s Abschied von Chriemhild“ trug dem Glücklichen seitens der Akademie das Stipendium für Rom ein. Nun schien der dornenvolle Pfad zur Höhe des Ruhms hindernißlos vor ihm zu liegen. Auf dem Wege nach Rom nahm er zunächst noch einen längeren Aufenthalt in München und entwarf hier die Skizze zu einer „Caritas“, um diese Gruppe in Rom zur Ausführung zu bringen. Reiche Anregung schöpfte er in München auch aus dem persönlichen Verkehr mit Genelli und Moritz v. Schwind, sowie aus den monumentalen Malereien von Cornelius. In Rom, wo er im Herbst 1849 eintraf, vollendete er zunächst die „Caritas“, welche in Dresden eine so gute Aufnahme fand, daß der akademische Senat sein Stipendium noch um ein Jahr verlängerte. Nun modellirte er zwei Pendantreliefs „Ganymed, den Adler speisend“ und „Hebe, den Pfau der Juno fütternd“. Nach Beendigung dieser Arbeiten begann er eine große Einzelfigur, einen Mann darstellend in voller Jugendkraft, der auf der Jagd seine Beute erblickt und nach Pfeil und Bogen greift, um sie zu erlegen. Ein Gipsabguß dieser vortrefflichen Studie nach dem Leben befindet sich im Krystallpalaste zu London unter den Werken moderner Sculptur. Die Caritasgruppe, ein Werk voll natürlicher Anmuth, wurde für Meißen in Bronce gegossen.

Die Höhe seines Schaffens erreichte er mit der herrlichen Gruppe „Hagar mit dem verschmachtenden Ismael im Schoße“, die eine durchaus harmonische Linienführung und eine edle Ausdrucksweise zeigt und unter die besten Bildhauerwerke der Neuzeit eingereiht zu werden verdient. Das fertige Modell wurde im Januar 1854 in Gips gegossen, aber so sehr sich der Künstler danach sehnte, die Ausführung in Marmor vornehmen zu können, so wurde dieser Wunsch ihm doch erst zwanzig Jahre später erfüllt, als er die Gruppe für die Nationalgalerie in Berlin in Marmor vollenden durfte. Im Austrage der Gräfin Dohna-Dönhofstädt führte er schon früher, 1857 ein Relief der Grablegung Christi in Marmor aus und lieferte auch in dieser Arbeit ein vorzügliches Kunstwerk.

Die längste Zeit seines Lebens beschäftigte ihn eine Gruppe der Pietà für Herrn v. Bethmann-Hollweg. Er begann dieselbe 1858 in Rom und wollte sie auch dort, als er 1862 einen Ruf als Professor an die Düsseldorfer Kunstakademie erhielt, vor seiner Uebersiedelung noch vollenden. Infolge dessen trat er erst 1864 seine neue Stellung an, aber in Düsseldorf zerschlug er bald das Modell der Pietà, weil es seinen Ansprüchen nicht mehr genügte. Dieser Unzufriedenheit mit seiner Leistungsfähigkeit mußte auch ein zweites Modell zum Opfer fallen und erst eine dritte Ausführung derselben Gruppe ließ er, ermüdet und resignirt, bestehen, obwol sie seinen übertriebenen Anforderungen ebenso wenig oder vielleicht noch weniger entsprach wie die vorhergehenden.

Neben der Ausübung seiner Lehrthätigkeit, die seine Zeit bedeutend in Anspruch nahm und seine schöpferische Arbeit wesentlich hemmte, führte er noch einige weniger umfangreiche Werke aus, so die beiden Kolossalbüsten des Directors Wilhelm v. Schadow und von Peter v. Cornelius, die erstere 1869 in Bronce auf dem Schadowplatze in Düsseldorf, die letztere in der Berliner Nationalgalerie aufgestellt. Einige künstlerische Entwürfe, wie der zu einem Grabmal des Grafen Dohna, ferner zu einem Siegesdenkmal, zu Apostelfiguren und Karyatiden blieben unausgeführt. Andere fast fertige Arbeiten gingen bei dem Brande der Akademie 1872 zu Grunde. So wurde sein Lebensabend durch manche trübe Erfahrung, durch vieles Mißgeschick umwölkt und zu den inneren Aufregungen gesellten sich auch noch körperliche Leiden, besonders asthmatische Beschwerden, die sich seit 1882 eingestellt hatten. Am 20. Februar 1893 wurde er von aller irdischen Trübsal durch den Tod befreit.