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Artikel „Winckelmann, Johann Just“ von Julius Pistor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 363–364, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Winckelmann,_Johann_Just&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:36 Uhr UTC)
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Winckelmann: Johann Just W., hessischer Schriftsteller, insbesondere Verfasser von Werken zur hessischen und oldenburgischen Geschichte, wurde am 29. August 1620 als jüngster Sohn des Theologen Joh. W. (s. o.) in Gießen geboren. Da er seinen Vater früh verlor, schickte ihn die Mutter zu Verwandten nach dem nahen Butzbach, wo er auch in der Lateinschule unterrichtet wurde. Von hier siedelte er (1633) nach Marburg über, um dort das Pädagogium und später die Universität zu besuchen. Der Kreis der von ihm betriebenen Studien war der damaligen Gewohnheit gemäß ziemlich ausgedehnt: neben der Theologie, der Philosophie und Jurisprudenz widmete er sich der Geschichtswissenschaft und war u. a. auch Zuhörer des Joh. Balthasar Schupp. Nachdem er (1639) die Magisterwürde erworben hatte, ging er (1640) nach Herborn, um dort seine Studien fortzusetzen. Aber schon im folgenden Jahre finden wir ihn auf ausgedehnten Reisen, die vornehmlich Holland zum Ziele hatten. Nach seiner Rückkehr in die Heimath trat er in die Dienste des Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt und nahm an der Erstürmung von Butzbach (20. April 1646) theil, wandte sich aber bald wieder wissenschaftlicher Beschäftigung zu und machte dem Landgrafen den Vorschlag, eine Geschichte des hessendarmstädtischen Hauses und Landes auszuarbeiten. Georg billigte den Plan, ernannte W. zu seinem Historiographen und verschaffte ihm Zutritt zu den Archiven und Registraturen des Landes. Später begann auch Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel dem Unternehmen Winckelmann’s seine Theilnahme zuzuwenden, und W. dehnte nunmehr seinen Plan auch auf dessen Gebiet aus. Mit Eifer machte er sich ans Werk. Er sammelte eine Anzahl von handschriftlichen Chroniken, verschaffte sich Abschriften von wichtigen Urkunden, copirte Inschriften und reiste, da er auch eine Beschreibung von Land und Leuten liefern wollte, überall umher, um die Städte und Schlösser mit ihren Alterthümern und Sehenswürdigkeiten, die Bergwerke und Manufacturen in Augenschein zu nehmen. Bald darauf (1653) trat W. in die Dienste des Grafen [364] Anton Günther von Oldenburg und war hier gleichfalls litterarisch thätig: er verfaßte u. a. auf Veranlassung dieses Fürsten eine Geschichte von dessen Regierung („Oldenburgische Friedens- und der benachbarten Oerter Kriegshandlungen“). Daneben arbeitete er an seiner hessischen Chronik weiter, sandte in den Jahren 1654–57 die ersten vier seines auf acht Theile berechneten Werkes ein und kam später wiederholt in die Heimath, wo von beiden fürstlichen Häusern eine Commission mit der Censur der Arbeit betraut worden war. Weil die zahlreichen aus politischen Rücksichten erwachsenen Bedenklichkeiten der Commission eine baldige Drucklegung der Chronik nicht erwarten ließen, so entschloß sich W., der nach Anton Günther’s Tod (1667) nach Bremen übergesiedelt war, das Unternehmen auf eigene Hand fortzuführen und ließ zunächst die ersten fünf Theile des Werkes drucken (1697). Da inzwischen die Theilnahme, die der darmstädtische Hof der Arbeit entgegengebracht hatte, aus verschiedenen Gründen erkaltet war, so mußte auf eine weitere Ausstattung mit Karten, Abbildungen u. s. w., wie sie anfangs im Plane des Verfassers lag, verzichtet werden. Letzterer sollte indeß die Vollendung des Werkes nicht erleben: ehe der sechste Theil, der der eigentlichen Landesgeschichte gewidmet war, im Druck fertiggestellt wurde, starb W. am 3. Juli 1699 zu Bremen in großer Dürftigkeit.

Der letzte (sechste) Theil der Chronik, wie sie gedruckt vorliegt, enthält die hessische und die ältere thüringische Geschichte bis zur Trennung der beiden Länder, ist aber nur zum Theil von W. verfaßt worden – die Fortsetzung (von S. 377 an) rührt von dem hanauischen Archivar Bernhard her – und hat heute wenig Werth mehr, da wir über ein reicheres chronikalisches und namentlich urkundliches Quellenmaterial verfügen, als es W. zu Gebote stand, dem es außerdem vielfach an Genauigkeit und an Schärfe des Urtheils gebrach. Nicht höher stehen auch seine Arbeiten zur oldenburgischen Geschichte. Dagegen enthält der geographische und topographische Theil seines Werkes, in den er auch benachbarte Gebiete (z. B. die Wetterau) hineingezogen hat, manche brauchbare, auf gute Beobachtung gegründete Mittheilung über Land und Leute, deren Werth durch die etymologischen Spielereien und wunderlichen Ansichten über die älteste Geschichte der von ihm beschriebenen Territorien nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

H. B. Wenck, Hess. Landesgesch. I. Bd. (Von d. Quellen d. hess. Gesch. § 25.) – Fr. W. Strieder, Grundlage z. e. hess. Gel.- u. Schriftsteller-Gesch. XVII, 130 ff. – K. W. Justi, Hess. Denkwürdigkeiten III, 268 ff. (über e. lateinische Bearbeitung d. hess. Chronik Winckelmann’s). – v. Halem, Gesch. d. Herzogthums Oldenburg I, 21 ff. und II, 493. – Jahrbuch f. d. Gesch d. Herzogthums Oldenburg I, 38. – v. Wegele, Gesch. d. dtschn. Historiographie, S. 443 u. 729 f. – Handschriftliches Material über Winckelmann befindet sich u. a. noch in der Ständischen Landesbibliothek zu Kassel.