ADB:Wilhelm (Herzog von Braunschweig-Lüneburg; 1535 bis 1592)

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Artikel „Wilhelm der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 1–4, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg;_1535_bis_1592)&oldid=- (Version vom 10. Dezember 2024, 15:37 Uhr UTC)
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Wilhelm der Jüngere, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, war von den vier Söhnen Herzog Ernst’s des Bekenners der jüngste und am 4. Juli 1535 geboren; seine Mutter, Sophie, war die Tochter Herzog Heinrich’s von Mecklenburg († am 8. Juni 1541). Den Beinamen des Jüngeren erhielt er zum Unterschiede von seinem Vetter Wilhelm aus der Braunschweiger Linie, dem Bruder des bekannten Herzogs Heinrich d. J. Als der Vater am 11. Januar 1546 starb, war keiner der Söhne volljährig, und es mußte daher eine Vormundschaft eintreten. Der Vater hatte bestimmt, daß diese die Stände übernehmen sollten; aber bei der schwierigen Finanzlage, in der sich das Fürstenthum Lüneburg befand, zeigten diese sich dazu nicht geneigt. Ebensowenig Ernst’s Brüder, an die man sich wandte, die Herzöge Otto von Harburg und Franz von Gifhorn. Der Kaiser ernannte daher den Erzbischof Adolf von Köln und dessen Bruder, Graf Otto IV. von Schauenburg, zu Regenten, die beide katholisch waren und deren Wahl daher mit etwas Mißtrauen im Lande aufgenommen wurde. Doch erwies sich dieses bald als unberechtigt, da sie sich aller Eingriffe in die erst kürzlich neugeordneten kirchlichen Angelegenheiten des Landes enthielten und die ganze Verwaltung einer Regierungscommission überließen, die in Celle ihren Sitz hatte und aus dem Statthalter Thomas Grote, dem Großvogte Jürgen von der Wense, dem Kanzler Balthasar Klammer und dem Dr. J. Möller bestand. In allen wichtigeren Angelegenheiten waren diese an die Zustimmung der Stände gebunden und mußten sie die Meinung der Regenten einholen. Die wichtigste Aufgabe, die ihnen oblag, war die Tilgung der Landesschuld. Diese zu mindern, beschloß man, die fürstliche Hofhaltung in Celle aufzuheben und die fürstlichen Kinder bei Verwandten und befreundeten Höfen erziehen zu lassen. Diese Maßregel scheint nur zum Theil ausgeführt worden zu sein. Bei W. trat sie in Kraft. Er kam, nachdem er daheim von Franz Megales, einem Schüler von J. Camerarius, unterrichtet war, mit einem Hofmeister Moritz Hoßmann 1548 an den Hof seines Großvaters, Heinrich’s des Friedfertigen von Mecklenburg, wo er drei Jahre verweilte. Dann ging er zu weiterer Ausbildung nach Wittenberg, wo er übrigens auf der Universität nicht immatriculirt worden zu sein scheint, und darauf an verschiedene Höfe, den gräflich schaumburgischen, herzoglich mecklenburgischen und insbesondere den kurfürstlich sächsischen, wo er bei dem Kurfürsten August und seiner Gemahlin Anna freundliche [2] Aufnahme fand. Wann er nach Hause zurückgekehrt ist, wissen wir nicht genau. Hier war inzwischen sein zweitältester Bruder Friedrich an den Wunden, die er in der Schlacht bei Sievershausen erhalten hatte, am 20. Juli 1553 in Celle gestorben. Dann hatte auf Grund des mit den Ständen unterm 1. April 1555 zu Oldenstadt abgeschlossenen Recesses der älteste Bruder Franz Otto auf sieben Jahre die Regierung des Landes übernommen. Aber lange, bevor diese Zeit verstrichen war, nachdem er dicht vorher im Anfang des Jahres 1559 sich mit Elisabeth Magdalene, einer Tochter Kurfürst Joachim’s II. von Brandenburg, vermählt hatte, machte der Tod seinem Leben ein plötzliches Ende; er starb am 29. April 1559 in Celle an den Blattern. Am 12. Juni desselben Jahres hielten nun die beiden noch übrig gebliebenen Brüder, Heinrich und W., mit den Ständen in Celle eine Berathung, an der sich Graf Otto von Schauenburg, seit kurzem der Schwager der Brüder, und Bevollmächtigte der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg betheiligten. Hier wurde nun eine gemeinsame Regierung der beiden Brüder auf fünf Jahre festgesetzt. Sie sollten, machte man weiter aus, die alten Räthe behalten, in allen bedeutenderen Sachen ihren Rath einholen, bei Meinungsverschiedenheiten unter sich, ja selbst wenn sie zusammen anderer Ansicht wären als Statthalter und Räthe, der Meinung ihrer vier ältesten Räthe sich fügen, ohne ihren Rath auch kein Ehebündniß eingehen. So ist anzunehmen, daß W., der sich am 12. October 1561 mit Dorothea, der jugendlichen Tochter König Christian’s III. von Dänemark, verheirathete, diesen Schritt nur mit Zustimmung seiner Räthe und seines Bruders Heinrich gethan hat, der wol gar das Versprechen gab, um das Land nicht zu sehr zu beschweren, seinerseits unvermählt zu bleiben, wie dasselbe Abkommen in der folgenden Generation unter Wilhelm’s Söhnen nachweislich getroffen wurde. Ueberhaupt trat Heinrich sehr zurück hinter dem jüngeren Bruder, der die eigentliche Seele der Regierung war. Auf Wilhelm’s Thätigkeit sind daher die meisten der gemeinsamen Regierungshandlungen zurückzuführen. Unter diesen war zunächst von großer Wichtigkeit der Ausgleich, der für die langjährigen Streitigkeiten mit der Stadt Lüneburg gefunden wurde. Ihn vermittelt zu haben, war besonders das Verdienst des Abts von St. Michaelis, Eberhard’s von Holle; der Vertrag, nach dem die Stadt einen Theil der fürstlichen Schulden, ein Achtel der Reichssteuern übernahm, zu einer Beisteuer für die fürstliche Hofhaltung, für die Aussteuer von Prinzessinnen u. a. sich verpflichtete, wurde zu Celle am 19. März 1562 abgeschlossen. Am 19. August 1562 fand dann die Huldigung der Stadt Lüneburg statt, und ein Jahr darauf (19. Aug. 1563) bestätigten die Brüder den Ständen ihre Privilegien. Wieder ein Jahr später kam eine Reihe wichtiger Gesetze heraus, die Kirchenordnung, die Hofgerichtsordnung und eine Polizeiordnung („Reformation und Ordnung … in etlichen gemeinen Sachen“), die alle drei im J. 1564 in Wittenberg erschienen sind. Hierzu kam später (1576) noch das Corpus doctrinae Wilhelminum, das im wesentlichen mit dem wolfenbüttelschen Corpus doctrinae Julium übereinstimmte. Sonst war die Hauptsorge der Brüder auf die Abtragung der bedeutenden auf dem Lande lastenden Schulden gerichtet, mit der ein guter Anfang gemacht wurde. Auch nach Ablauf der ersten fünf Jahre setzten die Brüder die gemeinsame Regierung mit derselben Eintracht fort, bis der Entschluß Heinrich’s, sich gleichfalls zu vermählen, zu völligem Zerwürfniß führte. Er vermählte sich im Jahre 1569 mit Ursula, der Tochter Herzog Franz’ I. zu Sachsen-Lauenburg, und forderte nun eine Landestheilung, der sich jedoch W. und die Stände mit gleicher Entschiedenheit widersetzten. Schließlich wurde am 13. September 1569 ein Vergleich erzielt, nach dem Heinrich als Abfindung Schloß, Stadt und Amt Dannenberg, die dortige Propstei und das Kloster Scharnebeck, 4000 Thaler und [3] eine Jahresrente von 500 Thalern, W. aber das ganze übrige Fürstenthum bekam, dafür jedoch die gesammten Schulden, sowie die Reichs- und Kreissteuern übernehmen mußte. Ferner stellte W. dem Bruder für den Fall der Einlösung der Everstein-Homburgischen Pfandstücke und den Anfall der Grafschaften Hoya und Diepholz gewisse Entschädigungen in Aussicht. Im übrigen behielt sich Heinrich seine Erbrechte bei Erlöschen irgend eines Zweiges des Welfenstammes ausdrücklich vor, und in der That hat einer seiner Söhne, Herzog August, beim Aussterben des mittleren braunschweigischen Hauses (1634) die Regierung des Fürstenthums Wolfenbüttel angetreten und so das neuere Haus Braunschweig begründet. Je größer die Familie Heinrich’s wurde, um so mehr gereuten diesen die Zugeständnisse, die er seinem Bruder gemacht hatte. Er forderte aufs neue eine Landestheilung und brachte sein Anliegen bei dem Kaiser vor, der den Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg, den Herzog Christoph von Mecklenburg und den Herzog Johann zu Schleswig-Holstein zu Commissaren ernannte. Zwei Mal wurde zu Salzwedel zwischen den Parteien vergeblich verhandelt; erst nach Wilhelm’s Tode kam zwischen seinen Söhnen und Heinrich ein Vertrag zu Stande, der letzterem insbesondere auch die Aemter Hitzacker, Lüchow und Warpke überlieferte und von den Ständen zu Uelzen unterm 26. November 1592 genehmigt wurde. Das Haupthinderniß, diese Verhandlungen zum Abschlusse zu bringen, war das schwere Gemüthsleiden gewesen, in das W. seit dem Jahre 1581 gefallen war, und das ihn zu einer selbständigen Führung der Geschäfte unfähig machte. Es wurden ihm sein Schwiegersohn Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und Herzog Philipp II. von Grubenhagen zu Vormündern bestellt, doch hat die Last der Regierung in der Folge vornehmlich Wilhelm’s treffliche Gattin, die Herzogin Dorothea, getragen, der dann allmählich bei dieser Arbeit der älteste Sohn Ernst zur Seite trat. In dieser Zeit erhielt das Gebiet des Fürstenthums Lüneburg eine nicht unbedeutende Erweiterung durch den Anfall der unteren Grafschaft Hoya, die aus den Aemtern Hoya, Nienburg, Liebenau, Alt- und Neu-Bruchhausen bestand und durch den Tod Graf Otto’s VIII. in der Nacht vom 25. zum 26. Febr. 1583 erledigt wurde, sowie durch den Zuwachs der Grafschaft Diepholz, die auf Grund einer kaiserlichen Anwartschaftsertheilung vom 10. Juli 1517 nach dem Abscheiden des Grafen Friedrich († am 21. Septbr. 1585) von den Lüneburgern in Besitz genommen wurde. W. hat dann noch bis zum 20. August 1592 gelebt. In lichten Momenten beschäftigte er sich eifrig mit religiösen Dingen. Er besaß einen frommen, glaubensstarken Sinn und hat seinen Wahlspruch: „Gottes Wort mein einiger Trost“ auch im Leben auf das beste bethätigt. Er beschäftigte sich auch in gesunden Tagen gern mit theologischen Fragen und hat sich über sie mit Leuten wie Martin Chemnitz und Polycarp Leiser, die er zu dem Zwecke häufig aus Braunschweig holen ließ, gern unterhalten. Die Glaubenseinheit der lutherischen Kirche suchte er nach Kräften zu fördern und er blieb der Concordienformel auch treu, als sich manche wieder von ihr abwandten. Als sein Vetter, Herzog Julius, trotz seinem protestantischen Glauben irdischer Vortheile willen seinen Söhnen die Tonsur hatte ertheilen lassen, verurtheilte das W. auf das entschiedenste. „Ehe ich wollte“, sagte er, „meine Kinder also lassen scheren und schmieren, wollte ich denenselbigen lieber zum Kirchhof und Grabe folgen“. Emsig sorgte er für die „Liberey an seiner Pfarrkirche zu Celle“, aus der später die Bibliothek des geistlichen Ministeriums daselbst erwuchs. – W. wurde der Begründer des neueren Hauses Lüneburg, des einzigen noch jetzt blühenden Zweiges des Welfenstammes. Seine Gemahlin hat ihm sieben Söhne und acht Töchter geschenkt, die beim Tode des Vaters noch sämmtlich am Leben waren. Die Söhne haben, da kein Hausgesetz und keine letztwillige Verfügung die Thronfolge tegelten, diese in seltener [4] brüderlicher Einigkeit im Interesse ihres Hauses und Landes geordnet. Wilhelm’s Wittwe starb auf ihrem Wittwensitze zu Winsen an der Luhe am 6. Januar 1617 und ist neben ihrem Gatten in der Stadtkirche zu Celle beigesetzt.