ADB:Wilhelm (Graf von Fürstenberg)

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Artikel „Fürstenberg, Graf Wilhelm v.“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 228–232, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Graf_von_F%C3%BCrstenberg)&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 03:14 Uhr UTC)
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Fürstenberg: Graf Wilhelm v. F., Landgraf in der Baar, ältester Sohn Wolfgangs, geb. 7. Januar 1491, † am 21. August 1549 zu Ortenberg. Seit vielen Jahren, sagt ein Zeitgenosse, haben wir in deutscher Nation keinen martialischeren Menschen gehabt und der alle lobenswürdigen Eigenschaften eines Kriegsmannes in gleicher Weise besessen. Man rühmte an ihm eine besondere Aufmerksamkeit auf alles, was im Kriege dienlich sein könnte, einen wunderbaren Sinn für die militärische Action. Als einige Straßburger Rathsherren einst die unbezwingliche Festigkeit ihrer Stadt rühmten, wies er ihnen eine unbeachtete Furth der Breusch; durch die getraue er sich wol einen Haufen Reiter heimlich in die Stadt zu bringen. Seiner kriegerischen Gesinnung und Fähigkeit entsprach eine so imponirende Erscheinung, daß man wohl meinte, ein Maler, der den Mars bilden wolle, dürfe an Wilhelms Angesicht und Gestalt nichts verbessern, ein Lob, das durch ein erhaltenes Bildniß (s. v. Hefner-Alteneck, Trachten des christl. Mittelalters, III, Tafel 23) nicht Lügen gestraft wird. Unter die heroica ingenia rechnete man den Grafen, aber nicht minder hervorstechend als heldenhafte waren in seiner Natur alle schlimmen Züge des echten Landsknechtes ausgeprägt. Gewaltthätig, unmäßig und verschwenderisch, zügellos im geschlechtlichen Umgang und seine Kriegskunst mehr dem Solde, als einer höheren Idee weihend, erregte er auch in einem Zeitalter, das an überschäumender Kraft und Zuchtlosigkeit keinen Mangel hatte, ein zwischen Bewunderung und Entrüstung getheiltes Aufsehen. Ungewöhnlich frühzeitig entwickelte sich sein ungestümes und abenteuerliches Wesen. Als er, kaum über zehn Jahre alt, in Freiburg dem Unterrichte des geistlichen Magisters Nikolaus Knobloch übergeben ward, vermochte dieser den wilden Knaben schon nicht mehr zu bändigen und ward als Opfer seiner durchtriebenen Schliche zum Gelächter der Stadt. Denn während W. Nachts in übermüthiger Gesellschaft von Adeligen und Studenten auf den Gassen allerlei Unfug verübte, ließ er in seinem Bette neben dem des Magisters einen Jungen mit der Nachthaube auf dem Kopf seine Rolle spielen. Von Freiburg ward W. nach Burgund geschickt, wo sich der Frühreife im Alter von kaum fünfzehn Jahren mit einer reichen Erbtochter, der Gräfin Bona von Neuenburg, vermählte. Er hauste mit ihr meist zu Héricourt, weshalb es erklärlich ist, wenn er ein so vollkommenes Französisch sprach, daß man später am Pariser Hofe kaum an seine deutsche Herkunft glauben wollte. Schon nach neun Jahren ward die kinderlose Ehe durch den Tod der Gattin gelöst. Als schlechter Haushälter, wie man sich denn auch von seiner landwirthschaftlichen Unerfahrenheit spaßhafte Geschichten erzählte, verkaufte der jugendliche Wittwer im Laufe der nächsten Jahre die Güter seiner Frau um ein Spottgeld, siedelte nach Straßburg über, [229] in dessen Nähe die vom Vater ererbten Ortenauer und Kinzigthaler Herrschaften lagen, und führte dort „ein wunderbar seltsam Regiment, davon ein eigen Buch zu schreiben wäre“. Bei Zechgelagen, die er in seinem schönen Hofe in der Kalbsgasse veranstaltete, stieg die tolle Lust wol so hoch, daß Becher und andere Geräthe zum Fenster hinausflogen. In der Jugend ein Brausekopf, hat sich W. auch als Mann nicht durch Besonnenheit ausgezeichnet. Ueber sein erstes kriegerisches Auftreten ist man nicht unterrichtet, auch über seine Stellung im ersten Kriege zwischen Karl V. und Franz von Frankreich ist es schwer, volle Klarheit zu gewinnen. Schon 1519 hatten sich französische Unterhändler um W. bemüht, und wenn man anders einem nur in jüngerer Uebersetzung vorliegenden Bestallungsbriefe Glauben schenken darf, ist er trotz seines Besitzes der halben Ortenau als Reichspfandschaft, trotz seiner Stellung als kaiserlicher Landvogt daselbst, und trotz der wiederholten und am 1. October 1511 für ihn ausdrücklich erneuerten Verbote fremden Kriegsdienstes am 27. Mai 1521 mit einer Besoldung von 6000 Livres in den Dienst des Königs Franz von Frankreich getreten. Im Kriege erscheint er aber dann (nach Bellais Commentarien) im Dienste Karls V., zuerst an der Spitze von 6000 deutschen Landsknechten in Spanien bei den Kämpfen um Fuentarrabia, dann 1523 bei dem Einfall in die Champagne, wo er den Franzosen einige feste Plätze wegnahm. Es muß dahingestellt bleiben, ob unser Text des französischen Bestallungsbriefes unecht oder unrichtig datirt ist, oder ob etwa erst Karl von Bourbon bei seinem Abfalle von Franz I. F. wieder auf die deutsche Seite herübergezogen hat. Dazwischen begegnet Wilhelm 1522 als eifriger Bundesgenosse des Ritters Franz von Sickingen, für dessen Unternehmen gegen den Kurfürsten von Trier er eifrig warb. Nachdem sein Schloß Ortenberg zum Sammelplatz für das oberländische Fußvolk gedient hatte, machte er selbst den Zug gegen Trier mit; nach dessen Scheitern und Sickingens Tod aber wurden er und sein Bruder Friedrich unter Vermittelung des Bischofs von Speier und der Stadt Straßburg von den verbündeten Fürsten, Trier, Pfalz und Hessen wieder zu Gnaden angenommen. Als die Bauernunruhen ausbrachen, stellte er dem Erzherzoge Ferdinand schon 1524 zweitausend Mann auf eigene Kosten zur Verfügung, was dieser jedoch ablehnte. Im folgenden Jahre hatte er im Kriege des schwäbischen Bundes gegen die Aufständischen unter dem Truchsessen von Waldburg den Oberbefehl über das Fußvolk und focht alle Schlachten, auch die entscheidende bei Böblingen mit. 1528 führte er dem Kaiser fünf aus seinen eigenen Herrschaften angeworbene Fähnlein zu und hielt sich im italienischen Feldzuge dieses Jahres überaus wacker, indem er nach dem Zeugnisse des Oberfeldherrn Herzogs Heinrich von Braunschweig seines Leibes und Lebens nicht schonte. Als der schmalkaldische Bund 1534 den kühnen Zug nach Würtemberg zur Wiedereinsetzung Herzog Ulrichs ins Werk setzte, sammelte Wilhelm zu Geisspitzheim bei Straßburg an 6000 Landsknechte, die er dem Landgrafen Philipp zuführte, übernahm dann den Oberbefehl über das ganze 20,000 Mann starke Heer und führte durch den Sieg bei Laufen am 13. Mai einen raschen und vollständigen Erfolg herbei. Dankbar erkannte der Landgraf, als er ihm im Juli den Abschied gewährte, seine Leistungen an, überwarf sich jedoch bald mit ihm, da er ihm nur einen Theil des versprochenen Dienstgeldes bezahlte. Durch seinen Antheil am würtembergischen Zuge mit dem Kaiser verfeindet, trat Wilhelm 1536 als oberster Anführer des deutschen, 6000 Mann starken Fußvolkes in die Dienste Franz I., für den er in den folgenden Jahren in Piemont wie in der Picardie hervorragende Thaten verrichtete. An der Spitze seiner Landsknechte, die er in strenger Zucht zu halten verstand, begleitete er den König 1538 nach Nizza zur Zusammenkunft mit Papst Paul und setzte die Franzosen in Staunen, als er trotz der Aufforderung des Connetables von Montmorency [230] sich weigerte, dem Papste den Fuß zu küssen. Denn schon hatte er sich, allem Anschein nach aus innerer Ueberzeugung, der Reformation, und zwar der calvinischen Richtung, angeschlossen und wie denn in diesem Zeitalter auch Charaktere, von denen man es nicht erwartet, von kirchlichem Eifer sich ganz durchdrungen zeigen, so leistete auch Wilhelm der religiösen Reform namhafte Dienste. Er wohnte der Versammlung der evangelischen Stände zu Schmalkalden und dem Religionsgespräche zu Marburg bei und verschaffte der neuen Lehre in seinen Herrschaften im Kinzigthal und in der Ortenau Ausbreitung. 1546 beauftragte er den Straßburger Prediger Hedio mit der kirchlichen Visitation dieser Gebiete. Nachdem er aber im Februar 1548 das Kinzigthal an seinen Bruder Friedrich abgetreten, wurde durch diesen, jedoch ohne Härte und Gewaltmaßregeln daselbst das Interim durchgeführt. Als Kastenvogt des Benedictinerklosters Gengenbach hatte Wilhelm schon 1525 der Reichsstadt Gengenbach bei dem Versuche, das Kloster zu säcularisiren, Hilfe gewährt; später kam er wiederholt für sich auf den Säcularisationsplan zurück, dessen Durchführung ihm in seinem Nonnenkloster Wittichen wenigstens vorübergehend noch besser gelungen zu sein scheint. Es ist bemerkenswerth, daß auch Wilhelms Schwester Anna Alexandria, seit 1522 an Ulrich von Rappoldstein vermählt, in der Herrschaft Rappoldstein für die Ausbreitung der Reformation sehr thätig war (Bezirksarchiv Colmar). 1539 nennt sich Wilhelm Graf v. F. und Bange (wol Pange bei Metz) und Herr von Pontdevoyle (wol Pontdeveyle bei Macon), nach Herrschaften, die er von König Franz zum Geschenk erhalten hatte. Nach dem Waffenstillstand von Nizza scheint er seinen Abschied aus französischen Diensten genommen und sich nun meist auf den neuerworbenen Gütern um Metz aufgehalten zu haben, wobei es an Händeln mit den Metzern nicht fehlte. Seit 1542 erscheint F. auch im Besitze der benachbarten alten Reichsabtei Gorze. Dort gewährte er Calvin’s Freunde, dem Reformator Wilhelm Farel aus Genf, den die Metzer aus ihren Mauern vertrieben, Zuflucht und einen Schutz, der demselben gestattete, auch fortan in dieser Gegend für die neue Lehre zu wirken. Als am Ostertage 1543 über 200 Metzer nach Gorze kamen, um aus Farel’s Hand das Abendmahl zu empfangen, wurde die Versammlung vom Sohne des Herzogs von Guise mit französischen und lothringischen Knechten überfallen und viele Weiber wie Männer in der Mosel ertränkt, erschossen oder aufgehängt; daß nicht Alle den Untergang fanden, war nur dem Widerstande von Wilhelm’s Leuten zu danken. Der Graf wandte sich darüber mit Klagen und Hilfsgesuchen an die reformirten Eidgenossen, die jedoch eine Intervention ablehnen mußten (Basler Staatsarchiv). Im Winter 1543 trat F. in die Dienste Karls V. zurück, der den berühmten Feldherrn und erfahrenen Kenner der französischen Verhältnisse gern wieder zu Gnaden aufnahm. Ein Brief, den F. 22. October 1543 an seinen Bruder schrieb, zeigt, daß die nationale Gesinnung in ihm nicht völlig erstickt war: „Bin auch desto geneigter zum Handel,“ läßt er sich verlauten, „dieweil der Franzos soweit als nie ins Deutschland kommen ist, damit wir nit von einem fremden Potentaten geregiert werden sollen.“ Bei dem glücklichen Angriffe auf Frankreich, der nun, wol vornehmlich nach seinem Plane, ins Werk gesetzt ward, befehligte F. das gesammte deutsche Fußvolk; er nahm theils mit List, theils Gewalt die Festungen Luxemburg, Commercy, St. Dizier und Vitry und drang bis in die Gegend von Epernay vor. Als er aber hier am 3. September 1544 tollkühn, nur von einem Trompeter begleitet, die Gelegenheit zum Marneübergang ausspähte, sah er sich unverhofft von einer feindlichen Schaar Italiener umringt. Wiewol ohne Brustharnisch und erst kurz vorher bei Chalons durch eine Flintenkugel verwundet, wehrte er sich aufs tapferste mit dem Säbel, bis ihn schwere Kolbenschläge betäubten. Selbst damals, vermaß er sich später, wol davon gekommen zu sein, [231] hätte nur seinem Begleiter vor Schrecken nicht der Athem versagt, um kräftig, wie er es ihm befohlen, in die Trompete zu stoßen. In Paris, wo er noch längere Zeit in Folge seiner Verwundung besinnungslos lag, ward der germanische Recke ungefähr ebenso angestaunt, wie nach hundert Jahren ein anderer deutscher Gefangener, Johann von Werth. Als sein Gefängniß diente zuerst das Haus eines Bürgers, dessen Frau ihn sorgsam pflegte und später selbst nach Deutschland begleitete, dann die Bastille. Der schmalkaldische Bund schickte eine eigene Gesandtschaft an König Franz, um seine Freilassung zu erwirken; auch sein Bruder Friedrich war überall dafür thätig. Sie erfolgte jedoch nur gegen das ungeheuere Lösegeld von 30000 Kronen. Der Kaiser, um theilweisen Ersatz dieser Summe angegangen, wollte nichts davon wissen und F. ist ihm in seinen letzten Lebensjahren wiederum grollend gegenübergestanden. Als der schmalkaldische Krieg drohte, erbot er sich auf dem zu Frankfurt versammelten Bundestage für einen monatlichen Sold von 400 fl., in die Dienste des Bundes zu treten, doch ist es nicht dazu gekommen, wahrscheinlich wegen des leidenden Zustandes, in dem sich F. seit seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft meist befunden haben soll. Das Gerücht von einer in Paris erfahrenen Vergiftung aber ist wol nicht minder grundloses Gerede wie bei dem Vater Wolfgang. Nur als Zuschauer und Berather soll F. dann einige Tage im Lager der Schmalkaldischen verweilt und ihnen den üblen Ausgang des Unternehmens vorhergesagt haben. Immerhin war er so tief in ihre Sache verflochten, erwies sich auch später, nach Karls V. Ausdruck, „je länger je mehr mit allerlei Ungeschicklichkeit zu des Kaisers und des Reiches Nachtheil“, daß am 4. Juli 1549 an seinen Bruder Friedrich das kaiserliche Mandat erging, ihn festzunehmen und in sicherem Gewahrsam zu halten. Sein baldiger Tod überhob den Bruder des mißlichen Auftrags. F. galt als ein unverträglicher Charakter, dem wenige näher treten konnten, und durch sein ganzes Leben ziehen sich neben den großen Kriegen zahlreiche kleinere Fehden und Injurienhändel: so mit dem Junker Georg Staufer von Bloßenstaufen, der am Hofe seines Vaters als Edelknabe erzogen, aus geringfügiger Ursache, man sagte wegen eines Pferdes, mit F. in Streit gerieth und 1514 sein Schloß Wartenberg überrumpelte und ausraubte; so mit dem Straßburger Bischofe Wilhelm, der dem „Grafen von Straßburg“, wie er den Fürstenberger wegen seines Auftretens nannte, schon wegen seiner religiösen Richtung grollte; eines Tages lauerte er ihm in einem Engpasse mit 50 Reitern auf und bekam ihn glücklich in die Hände; dann mit dem Mömpelgarder Landvogte Hans Kaspar v. Bubenhofen und mit dessen Herzoge Ulrich von Würtemberg, dessen Vertreibung durch den schwäbischen Bund benützend, F. 1519 Schloß und Herrschaft Granges einnahm und die Grafschaft Mömpelgard plünderte, während die Stadt selbst durch eine Besatzung von Solothurnern geschützt ward. Daran knüpften sich Streitigkeiten über die Herrschaft Blamont, auf welche sowol Ulrich als F. Anspruch erhoben. Erst damals trat F. aus des Herzogs Dienst, in dem er vorher gleich seinem Vater gestanden. Langwierige Händel Fürstenberg’s mit seinem Untergebenen, dem Hauptmann Sebastian Vogelsberger, erwuchsen aus einer militärischen Subordinationsfrage im französischen Dienste, wurden aber gleichwol vor das Reichskammergericht, dem sich F. nicht unterwerfen wollte, und vor den Kaiser gebracht. F. ließ in diesem Streit zwei Denkschriften drucken, am 15. September 1539: „Bestendiger kurtzer vnd clarer beriecht“ etc. und im Juli 1541 „Summa totius causae“ etc. Hat F. auch seine Unterstützung des Reichsfeindes durch glänzende Waffenthaten für die deutsche Sache wieder gut gemacht – anders als sein Gegner Vogelsberger, der wegen seiner französischen Dienste 1548 zu Augsburg mit dem Schwerte gerichtet ward – so ist es doch, wie der Herr v. Zimmern meint, auch ihm „wie allen [232] deutschen Franzosen“ am Ende nicht gut ergangen, insofern die durch Beute und Lösegelder (im Bauernkriege allein angeblich 15000 fl.) aufgehäuften Reichthümer unter seinen Händen wie der Schnee dahingegangen und geschmolzen sind.

Quellen, vornehmlich archivalische aus Donaueschingen und der Schweiz; Zimmerische Chronik, II.–IV. Bd.; Actenstücke bei Münch, Franz v. Sickingen, III. 78–99. Roth v. Schreckenstein, Die Einführung des Interims im Kinzigthale, Freiburger Diöcesanarchiv II. Franck, Zur Gesch. v. Gengenbach a. a. O. VI. Münch, Gesch. des Hauses Fürstenberg, II. Bd. (unzuverlässig).