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Artikel „Wildvogel, Christian“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 515–516, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wildvogel,_Christian&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:33 Uhr UTC)
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Wildvogel: Christian W., sächsisch-eisenachischer Geheimrath, Senior und Antecessor der Jenenser Juristenfacultät, geboren zu Halle a. d. S. am 13. August 1644, † zu Jena im December 1728. Christian’s Vater, Georg, bekleidete bei Herzog August von Sachsen-Eisenach das Amt eines Rathes und Lehenssecretärs und erfreute sich wegen seiner mannichfachen Verdienste der besonderen Gunst des Fürsten; die Mutter, Marie, war die jüngste Tochter des Rentmeisters von Dippoldiswalde, Daniel Nicolai. Nach erhaltenem häuslichen Unterrichte besuchte W. das Gymnasium seiner Vaterstadt, und vertheidigte vor dem Abgange von demselben mit Geschick eine in das Gebiet der Logik fallende Dissertation „De contrariis“. 1663 kam er auf die Hochschule nach Leipzig, wo er hauptsächlich Institutionen bei Schwendendörfer und praktische Philosophie bei Jacob Thomasius hörte. Angezogen von dem Rufe Brunnemann’s und Samuel Stryk’s ging er 1665 auf die Universität Frankfurt a. O. Dort besuchte er die juristischen Vorlesungen der Genannten und betheiligte sich an den von Stryck geleiteten Disputationen. Da nach dem Ableben seines Vaters die Mittel zur Fortsetzung der Universitätsstudien nicht ausreichten, trat er auf Rath eines Verwandten in Weißenfels, dem damaligen Sitze der Regierung, zu seiner weiteren juristischen Ausbildung in die Praxis, und arbeitete dortselbst bis 1668. Im genannten Jahre hielt er sich behufs Erlangung des juristischen Doctorgrades längere Zeit in Frankfurt auf, und ließ sich nach der Promotion als Anwalt in seiner Vaterstadt nieder, vornehmlich mit Vertheidigung der Rechtsansprüche Armer und Minderjähriger beschäftigt. Im nämlichen Jahre ernannte ihn Barbara Magdalena, verwittwete Gräfin Mansfeld zu Schraplau zu ihrem Consulenten und Rechtsbeistand, und er besorgte die ihm übertragenen Angelegenheiten während elf Jahren zur vollsten Zufriedenheit der Auftraggeberin. Am 24. October des folgenden Jahres (1669) heirathete er Sophia Katharina, die dritte Tochter des Geheimrathes und magdeburgischen Kanzlers Johann Krull, aus welcher Ehe sechs Kinder hervorgingen, welche jedoch mit Ausnahme der ältesten Tochter, Juliana Rosina, in frühen Jahren starben. Letztere wurde die Gattin des mansfeldischen Regierungsdirectors Dr. Ernst de Lage. Im J. 1676 erwählte der als Gönner des Vaters Wildvogel’s bereits erwähnte Herzog August den Sohn aus einer großen Zahl von Bewerbern zum Amtmann des niedersächsischen Kreises. 1678 wurde letzterer von Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar ganz unerwartet nach Weimar berufen, dortselbst [516] zum Hof- und Regierungsrath befördert, und ihm 1681 überdies die Stelle eines Rathes am Consistorium verliehen, wozu im folgenden Jahre noch die Erledigung der Geschäfte der herzoglichen Casse kam.

In diesen neuen Stellungen war W. bis 1685 wiederholt veranlaßt, auf Congressen mit benachbarten Fürsten als Regierungsvertreter zu erscheinen; so namentlich bei den Frankfurter Münzconferenzen von 1680 und bei den zu Leipzig 1681 und 1683 stattgefundenen Berathungen des obersächsischen Kreises, wobei er die sächsischen Fürsten Weimaraner Linie vertrat. Im letztgenannten Jahre (1683) schritt W. zu einer zweiten Ehe mit Erdmuthe Juliane, der jüngeren Tochter des Geheimrathes und Weimaraner Kanzlers Volckmar Happ, Erbherrn von Ehringsdorf und Lergern, aus welcher Ehe zwei Söhne, Wilhelm August und Christian Karl, hervorgingen. 1685 trat er als Kanzler und Consistorialpräsident in die Dienste der reichsfreien Aebtissin Anna Dorothea zu Quedlinburg, bekleidete diese Aemter während zweier Jahre und unternahm während dieser Zeit im Auftrage der Aebtissin wegen Besetzung geistlicher Stellen eine Mission nach Dresden zu Johann Georg III., Kurfürsten von Sachsen.

Der anstrengenden Geschäfte überdrüssig, legte sie W. 1687 nieder, und zog sich in das Privatleben zurück, indem er das Landgut seines vorgenannten Schwiegervaters als Aufenthalt wählte; dortselbst mit Studien seiner freien Wahl beschäftigt ging er auf besonderen Wunsch des Herzogs von Sachsen-Weimar in dessen Namen als Gesandter an verschiedene Höfe; so an den Mainzer, zu dem Kurfürsten Anselm Franz, an den pfälzischen zu dem Kurfürsten Philipp Wilhelm, sowie zum Landgrafen Karl von Hessen-Kassel und fand bei diesen Höfen eine sehr günstige Aufnahme.

Als zu Anfang des Jahres 1690 Professor Falckner mit Tode abging, wählten die „erlauchten Nutritoren“ der Jenenser Akademie einstimmig W. zu dessen Nachfolger, und wurde Letzterer im Juli erwähnten Jahres als ordentl. Professor der Rechte sowie als Beisitzer des Schöppenstuhles und Hofgerichtes feierlich eingeführt. Im nämlichen Jahre wurde ihm seine zweite Gattin durch den Tod entrissen; er wählte bald darauf als dritte Gattin Christiane Sophie, die zweite Tochter des Rechtslehrers Johann Ernst Noricus in Leipzig und Wittwe des Leipziger Kaufmanns Theodor Oertel. Von den dieser Ehe entsprossenen Söhnen starb der eine schon frühzeitig, die beiden anderen wandten sich später den Studien zu. W. erhielt wiederholt Einladungen auswärtiger Universitäten, zog es jedoch vor, in Jena zu bleiben; in Anerkennung dessen ernannte ihn Herzog Johann Wilhelm im November 1697 zum Vicekanzler von Jena und am 1. Januar 1699 zum Geheimrath. Gegen 30 Jahre als geschätzter Lehrer an der Hochschule thätig, starb er 1728 im 85. Lebensjahre.

W. war während der längeren Hälfte seines Lebens vielbeschäftigter Praktiker. Als solchem blieb ihm keine Zeit zu schriftstellerischen Arbeiten. In späteren Jahren, als Docent, veröffentlichte er: „Electa juris civilis et canonici“ (Jena 1700) und „Responsa et consilia“ (Jena 1717); „Dreihundert deutsche Rechts-Sprüche“, theilweise von ihm, theilweise von der Jenenser Juristenfacultät. Außerdem verfaßte er 143 Dissertationen und 56 Programme, fast ausschließlich civilrechtlichen Inhaltes. Eine erschöpfende Aufzählung dieser Abhandlungen gibt Zedler in seinem Universal-Lexikon LVI, 961, 962.

Zeuner, Vitae profess. Jen. LVIII, 241–253. – Neue Bibliothek I, 138 ff. – Zedler a. a. O., S. 959–62.