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Artikel „Wilde, Peter Ernst“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 496–498, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilde,_Peter_Ernst&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 08:58 Uhr UTC)
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Wilde: Peter Ernst W. wurde am 24. August 1732 in Wodike bei Treptow an der Rega als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Den ersten Unterricht erhielt er bis zum Jahre 1746 zu Hause, dann schickte man ihn nach Königsberg i. Pr., wo er zwei Jahre lang das K. Friedrichs-Colleg besuchte. 16 Jahre alt, 1748, trat er als Stud. theol. in die Königsberger Universität; nach vier Semestern reiste er in seine Heimath und predigte daselbst mit großem Erfolg. Trotzdem gab er plötzlich die Theologie auf und ging nach Halle a.S., um daselbst Jurisprudenz zu studiren. Als er hier 1751 an den Pocken heftig erkrankte, war das für ihn eine Veranlassung, das Studium der Jurisprudenz aufzugeben und sich der Medicin zu widmen. Um diesen Vorsatz auszuführen, ging er wieder nach Königsberg i. Pr. zurück, ließ sich als Stud. med. immatriculiren und hörte vor allem Vorlesungen bei dem Professor der Medicin Gottfried Thiesen. Bereits nach einem halben Jahre – so meldet sein Landsmann und Zeitgenosse Gadebusch – fing W. an, selbst den Studirenden der Medicin Unterricht zu ertheilen. Er muß sich ganz besonders ausgezeichnet haben, denn die medicinische Facultät bot ihm nach 11/2jährigem Studium den Doctorgrad an. W. nahm jedoch aus übergroßer Bescheidenheit den Doctorgrad nicht an, blieb aber noch 12 Jahre in Königsberg, sowol mit der ärztlichen Praxis, als mit Unterricht sich beschäftigend. Den Doctorgrad erhielt W. erst 1765 von der medicinischen Facultät zu Greifswald (?). Nun verließ W. seine Heimath, wandte sich zuerst nach Kurland, dann nach Riga, wo er als „Hofmeister“ lebte; hier begann er die Herausgabe einer medicinischen Wochenschrift „Der Landarzt“. Von Riga aus wurde W. 1766 nach Oberpahlen im nördlichen Livland durch den Major Joh. Woldemar von Lauw berufen. Lauw war – wie W. – eine eigenthümliche, großartig angelegte Natur; ein Schwiegersohn des zur Zeit Peter I. mächtigen, aber 1731 in Ungnade gefallenen und nach Sibirien verbannten Staatsraths Haennes Fick[1] aus Mecklenburg, hatte Lauw das große Gut Oberpahlen geerbt. Er war bestrebt, nicht nur im eigenen, sondern im allgemeinen Interesse die Landwirthschaft, die Industrie, Handel und Gewerbe zu heben und zu fördern: im Glauben, daß sein Reichthum unerschöpflich sei, ahmte er das Leben eines kleinen Fürsten nach, hielt sich eine Hofcapelle, eine italienische Schauspielertruppe, einen Hofmaler. Aber er gründete auch ein Krankenhaus und eine Apotheke; zum Leiter dieser Anstalten berief er den Dr. W. aus Riga. Lauw hatte in W. offenbar eine sehr geeignete Persönlichkeit für seine weitgehenden Pläne gefunden. W. nun gründete auf eigene Kosten in dem Vororte Königsberg bei Oberpahlen eine Buchdruckerei; er verschaffte sich vom Gouverneur in Riga die Erlaubniß, censurfrei drucken zu dürfen, unter der Voraussetzung, daß er nur seine eigenen Schriften drucken ließe und daß dieselben nichts gegen die Religion, die Staats- und Landesgesetze enthielten. Man muß bedenken, was das damals 1770 hieß, im russischen Reiche gab es außer in Oberpahlen nur fünf Druckereien: nämlich in St. Petersburg, Moskau, Kiew, Riga und Reval; von diesen sechs Druckereien kamen drei auf die Provinzen Livland [497] und Estland. (Mitau, wo W. seinen „Landarzt“ erst erscheinen ließ war damals noch nicht russisch.) Das Vorwerk, wo W. seine Thätigkeit entwickelte, hieß Königsberg, zur Erinnerung an den Schattenkönig von Livland, Magnus von Holstein, der einst hier mit seiner jugendlichen Gattin auf kurze Zeit sein Burglager aufgeschlagen hatte. W. begann in uneigennütziger Weise und mit rastlosem Eifer thätig zu sein – als Arzt, als Lehrer und Buchdrucker. Von seiner ärztlichen Thätigkeit wissen wir, abgesehen von seinen Schriften, nichts. Mit seiner Buchdruckerei hatte er viel Arbeit, aber keinen Vortheil, obschon er außer seinen eigenen auch fremde Werke druckte; er verkaufte die Druckerei daher an den Major Lauw. Im J. 1773 brannte die Druckerei ab und konnte erst 1782 wiederhergestellt werden; bald nach Wilde’s Tode ging die Druckerei ein.

Vor allem wirkte W. als Lehrer; er scheint eine ganz besondere Vorliebe für das Unterrichten gehabt zu haben. Bacmeister meldet, daß W. an der Ertheilung des Unterrichts ein wahres Vergnügen finde und sich damit weit mehr als mit der ausübenden Arzneiwissenschaft beschäftige. Er unterrichtete junge Leute in der Arzneikunde, um Aerzte zu erziehen; er unterwies junge Edelleute in der Kriegswissenschaft und ließ eine Anleitung dazu drucken. („Die Kriegswissenschaft für junge Leute, die in den Soldatenstand treten wollen.“ I. Band 1783, Oberpahlen, 416 S. 8° mit 4 Kupfern.) Er beabsichtigte auch eine ökonomische Schule zu errichten, nachdem er mit vieler Mühe eine ökonomische Gesellschaft gegründet hatte. Aber er fand wenig Unterstützung für seine weitgehenden Pläne. „Wenn dieser sein Vorsatz – (eine ökonomische Schule zu errichten) – einen glücklichen Ausgang gehabt hätte“, schreibt Gadebusch, „würde W. außer der medicinischen und ökonomischen Schule auch noch andere errichtet haben, worin alle die Wahrheiten vorgetragen werden sollten, die auf Universitäten gelehrt werden, jedoch nach einer ganz veränderten Lehrmethode. Seinem Entschluß zufolge sollten nur die höheren Wahrheiten die einzigen Gegenstände sein, womit man sich auf der hohen Schule beschäftigt. Mitten unter diesen Gedanken meint er von der traurigen Wahrheit überzeugt zu sein, daß die Zeit, da die Wissenschaften in Livland blühen sollten, noch entfernt wäre. Aber er glaubt seine Pflicht erfüllt zu haben, indem er Mühe und Vermögen seinen besten Absichten geopfert hatte.“

Zu Beginn des Jahres 1785 ging W. nach St. Petersburg und ließ sich im medicinischen Colleg examiniren (10. März 1785), um das Recht der ärztlichen Praxis in Rußland zu erhalten; er kehrte nach Oberpahlen zurück, starb aber schon im December desselben Jahres 1785. W. hat ziemlich viel während seines Aufenthalts in Livland veröffentlicht; seine Werke aber sind, wie alle Oberpahlenschen Drucke, bibliographische Seltenheiten. „Der Landarzt“, eine medicinische Wochenschrift, bis 1. März 1765, 52 Nrn. gedruckt in Mitau. (Nachgedruckt in Frankfurt und Leipzig 1769.) „Der praktische Landarzt“, I. Theil 412 S. Mitau 1772. II. Theil 460 S. Mitau 1774. „Lifländische Abhandlungen von der Arzneiwissenschaft.“ Oberpahlen 1770. 416 S. Zweite verbesserte Auflage 1782. Oberpahlen. Die Abhandlungen sind sehr interessant: außer einer Schilderung der Medicinalordnung in Spanien, die als nachahmungswürdig bezeichnet wird, findet sich eine Erörterung über die Methode des medicinischen Unterrichts und sehr bemerkenswerthe Mittheilungen über das Landvolk der Esten und Letten, sowie über das Landleben der Deutschen. Ferner veröffentlichte W. Anweisungen für das Landvolk zur Behandlung von erkrankten Menschen und krankem Vieh; die Abhandlungen, von W. ursprünglich deutsch verfaßt, wurden ins Estnische und Lettische übersetzt. „Discurs über die Dimsdal’sche Art, die Blattern einzuimpfen“ (Oberpahlen 1769, 38 S.); [498] „Etwas vom liefländischen Schulunterricht in Städten und adligen Häusern“ (Mitau [Riga?] 1778, 2 Bogen); „Von der livländischen Pferdezucht und einigen bewährten Pferdekuren“ (Oberpahlen 1770, 99 S.); „Liv- und Kurländische Abhandlungen von der Landwirthschaft“ (Erstes Quartal, 13 Bogen).

Gadebusch, Livländische Bibliothek. 3. Theil. Riga 1777. S. 299 bis 304. – Bacmeister, Russische Bibliothek. I. Bd. St. Petersburg, Riga, Leipzig 1772. S. 567–572. – Ad. Hupel, nord. Miscellaneen, 11. und 12. Stück, Riga 1786, S. 396. – L. Stieda in den Sitzungsberichten der gelehrten estnischen Gesellschaft zu Dorpat, 1884, S. 70–99.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 496. Z. 16 v. u. l.: Heinrich Fick. [Bd. 45, S. 676]