ADB:Wilberg, Johann Friedrich

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Artikel „Wilberg, Johann Friedrich“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 518–519, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilberg,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 16:16 Uhr UTC)
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Wilberg *): Johann Friedrich W., als Schulmann besonders um das Unterrichtswesen der preußischen Rheinprovinz verdient, geboren am 5. November 1766 in Ziesar (heutiger Kreis Jerichow), † am 30. December 1846 in Bonn. W. war der Sohn eines preußischen Invaliden, der bald nach des Sohnes Geburt als Unterbeamter in Potsdam angestellt wurde, aber bereits 1778, infolge des Bairischen Erbfolgekrieges zum Heere eingezogen, in Torgau starb. Jahre seiner Kindheit brachte unter diesen Umständen der Knabe J. F. bei seinem Großvater und seinem Oheime, nacheinander Cantoren zu Karow (Kr. Jerichow), zu, die in ihm früh unwiderstehlichen Drang nach höherer geistiger Bildung weckten. Auch als Lehrling bei einem Schneidermeister in Brandenburg a. H. setzte W. eifrigst seine Studien fort, ermuthigt durch Lectüre von Jung’s Heinrich Stilling, und gewann dadurch bald eine Reihe von Gönnern, die zwar vom Studium der Theologie abriethen, aber desto nachdrücklicher auf die gerade damals in ganz neues Licht gerückte Laufbahn eines Volksschullehrers hinwiesen. Mit Erlaubniß seines Lehrherrn hielt schon damals W. eine Schule für Handwerksburschen, die er Abends und Sonntags im Lesen, Schreiben, Rechnen übte und mit einer Blumenlese aus Salzmann’s Schriften bekannt machte. Entscheidend für W. ward der Auftrag seines Meisters, einige Zeit im Hause des Pastors Rudolph[WS 1] zu Krahne, des geistlichen Gehülfen des Domherrn v. Rochow bei seiner Schulreform in Rekahn, zu arbeiten. Rudolph widmete dem strebsamen jungen Schneider wahrhaft väterliche Liebe, und Rochow nahm ihn auf Rudolph’s Fürsprache für längere Zeit als Hospes in der Schule zu Rekahn auf. Beide Männer und ihre gleichgesinnten Gattinnen würdigten den begabten und gewissenhaften Jüngling bald vertrauter Freundschaft. Seine Gönner vermittelten ihm sodann noch den Besuch des Berliner Schullehrerseminares und einen in vieler Hinsicht lehrreichen und anregenden Aufenthalt in Berlin. Von dort ward er dem philanthropischen Grafen v. d. Recke-Volmerstein auf Overdyck Herbst 1789 als Lehrer für seine Schule zu Hamm, jetzt Hamme (Overdyck) bei Bochum zugewiesen. In schöner Harmonie mit diesem Patrone, dessen Söhne Adalbert und Werner später den Vater in menschenfreundlichen Werken noch überbieten sollten, wirkte W. dort bis ins vierzehnte Jahr, zuletzt neben seiner in der Umgegend berühmt gewordenen Dorfschule nach Rochow’scher Art auch eine kleine Schulmeisterschule versorgend. Im J. 1803 wurde er als Vorsteher und Lehrer des Armeninstitutes nach Elberfeld berufen [519] und damit neben dem Schulamte in die Armenpflege verflochten, der er fortan lebenslang regsten Eifer zuwandte. Freilich vertauschte er das Amt des Armenlehrers schon zwei Jahre später mit der ihm anvertrauten Stelle des Leiters und Hauptlehrers am neugegründeten sog. Bürgerinstitute, einer mit Kosthaus verbundenen Privatschule für Kinder des höheren Bürgerstandes. Mehr und mehr trat in dieser Zeit W. als pädagogischer Schriftsteller mit kleineren Arbeiten hervor (Lesebuch, Auszüge aus dem Schultagebuche u. s. w.), durch die er zu seiner Freude auch Pestalozzi’s Beifall erwarb. Im J. 1814 ernannte die preußische Verwaltung des Herzogthumes Berg W. nebenamtlich zum Schulpfleger für einen Theil des Kreises Elberfeld, was ihm Anlaß zu höchst ersprießlicher Thätigkeit für den Lehrerstand an Volksschulen gab. Er gründete eine Lehrerwittwen- und Waisencasse, eine Lehrerbibliothek, hielt wöchentliche Versammlungen mit Vorträgen zur Fortbildung der ihm anvertrauten Lehrer ab und stand diesen mit Rath und That auch sonst väterlich bei. Sehr segensreich wirkte W. als Präses der Elberfelder Armenverwaltung in den Kriegsjahren 1813–15, besonders unmittelbar nach der Schlacht bei Waterloo durch eine Reise auf die brabantischen Schlachtfelder. Inzwischen war sein Ruf bereits so hoch gestiegen, daß auf Anhalten seines Freundes Wilhelm Diesterweg, des späteren Bonner Professors der Mathematik (1782–1835), die Universität Tübingen den Autodidacten 1816 zum Doctor der Philosophie ernannte. Bald nachher trat ihm der jüngere Bruder Adolf Diesterweg als Lehrer an der lateinischen Schule zu Elberfeld nahe und schloß sich ihm innig an. Von Wilberg’s Lehrerconferenzen, an denen Diesterweg eifrig theilnahm, schreibt dieser: „Wir wurden alle ermuthigt und gekräftigt durch Klarheit der Gedanken, durch Fülle der Erfahrungen, durch aufstrebenden Lebensmuth und Begeisterung für das Wirken des erziehenden Lehrers sowie durch heitern Scherz und entfesselte Rede. Wer hier nicht aufgerüttelt wurde aus dumpfem Schlafe, nicht belebt für angestrengte Thätigkeit im edlen Berufe, wem hier nicht aufging die Liebe zu lichtvoller Wahrheit und Wärme des Gemüths: der dürfte wol überhaupt unempfänglich gewesen sein für diese hohen Dinge“. Diesterweg widmete W. 1844 die 3. Auflage seines „Wegweisers“. Mit Uebergang des Bürgerinstitutes an die Stadt Elberfeld zu Gunsten der neuen städtischen Realschule trat W. 1829 ebenfalls als Inspector der Volksschulen in städtischen Dienst. In diesem Amte wirkte er noch thatkräftig bis 1837; dann zog er sich nach Bonn zurück, wo er vor dem Koblenzer Thore eine Villa besaß. Dort lebte er fast noch ein Jahrzehnt in ehrenreicher Muße. In Wilberg’s einnehmender Gestalt und Haltung fanden die Zeitgenossen sein Wesen treffend ausgeprägt: festen Willen, unermüdlichen Fleiß, warme Menschenliebe, biedere Würde, frische Heiterkeit. Man nannte ihn einen glücklichen Mann, der Glück verbreitete, wo er konnte, und wohin er trat. Glücklich war er auch in seiner 38jährigen Ehe (1797–1835) und in seinen vier Kindern, die er trotz seiner stets offenen Hand in behaglichem Wohlstande hinterließ. Wilberg’s Sohn war der Gymnasialdirector Friedrich Wilhelm Wilberg (1798–1852) zu Essen. Unter der ziemlich bedeutenden Anzahl der Schriften J. F. Wilberg’s ragen hervor: „Lesebuch für Kinder, die gern verständiger und besser werden wollen“ (Hamm 1793); „Ueber das Armenwesen“ (Elberfeld 1834); „Erinnerungen aus meinem Leben nebst Bemerkungen über Erziehung, Unterricht und verwandte Gegenstände“ (Essen 1836); „Gedanken und Urtheile des Vetters Christian über Leben und Wirken im Mittelstande. Nebst Mittheilungen aus seinem schriftlichen Vermächtnisse“ (ebd. 1843). Seine „Aufsätze über Unterricht und Erziehung“ erschienen, für Lehrer und Eltern gesammelt, ebenfalls in Essen (2 Bde.).

Vgl. Diesterweg. J. F. Wilberg (Essen 1847). – Kohlrausch. Erinnerungen (Hannover 1863; S. 129 ff.).

[519] *) Zu Bd. XLII, S. 474.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Stephan Rudolph (1729–1803), Pfarrer in Krahne und Prediger in Reckahn.