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Artikel „Wieck, Friedrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 373–375, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wieck,_Friedrich&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 16:41 Uhr UTC)
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Wieck: Friedrich W., Musiker und Musikpädagoge, geboren am 18. August 1785 zu Pretsch bei Torgau, † im Sommerquartier in Loschwitz bei Dresden am 6. October 1873. Trotzdem sich seine musikalische Veranlagung schon früh zeigte, sollte er dennoch nach des Vaters Willen Theologie studiren. Im J. 1798 [374] kam er auf die Leipziger Thomasschule, deren Besuch aber durch Krankheit auf anderthalb Jahre unterbrochen wurde. Erst 1800 wurde er als genesen nach Torgau aufs Gymnasium geschickt und nach Erledigung desselben 1804 auf die Wittenberger Universität. Daß er hier mehr Musik als Theologie betrieben hat, beweist das Abgangszeugniß, in dem es heißt, „daß er sich zuviel mit der arte musica beschäftigt habe“. Nach seinem ersten Examen nahm er eine Hauslehrerstelle beim Herrn v. Seckendorf auf Zingst in der Nähe von Querfurt an. Hier machte er Bekanntschaft mit dem Musiker Adolf Bargiel. Der Einfluß dieses Mannes war entscheidend für seinen Lebenslauf. Nachdem er noch kurze Zeit als Hauslehrer bei der Generalin von Levezow gewirkt hatte, gab er die Theologie auf und begann den neuen Lebenslauf mit einer Pianoforte- und Musikalienleihanstalt in Leipzig – wol um sich einen sicheren Lebensunterhalt zu verschaffen und mit Muße Musikstudien machen zu können, denn praktisch war der „alte W.“, wie er später nur hieß, sein Leben lang. Damals machte gerade Logier’s Unterrichtsmethode (vgl. A. D. B. XIX, 110) die Runde durch Deutschland, und alle Welt glaubte damit Wunderdinge ohne Mühe zu erreichen; auch W. wurde bald ein eifriger Anhänger derselben. Doch sein praktischer Verstand überzeugte ihn bald, daß Manches besser zu machen sei und so nahm er nur das Brauchbare auf und schuf eine eigene Wieck’sche Methode, die sich auch sehr bald eines guten Rufes erfreute. Noch in späterer Zeit wanderten tüchtige Clavierspieler zu ihm, um diese Methode kennen zu lernen. Sie bestand größtentheils in einer natürlichen Haltung der Hand, Ausbildung des Handgelenks und in eigens von ihm erfundenen sehr einfachen aber trefflichen Fingerübungen, verbunden mit einer nach und nach sich an Kraft steigernden Fingergelenkigkeit. Obgleich er auch als Componist thätig war, hat er selbst doch nie einen regelrechten Cursus durchgemacht, sondern sich an den damaligen gangbaren Werken herangebildet. Besonders war ihm Karl Maria v. Weber ein zur Nacheiferung reizendes Vorbild; ihm widmete er auch sein opus 7, acht Gesänge. Seiner ersten Ehe mit der Tochter des Cantors Tromlitz entsprossen drei Kinder: Klara, die bekannte Clavierkünstlerin und spätere Frau Robert Schumann’s und zwei Söhne: Alwin und Gustav (Alwin widmete sich auch der Musik und wurde ein geschätzter Musiklehrer nach seines Vaters Methode). Diese Ehe war aber keine glückliche und endete schon vor 1828 mit der Scheidung. Die geschiedene Frau heirathete dann den oben erwähnten Bargiel; Sohn dieser Ehe war der bekannte Berliner Componist Woldemar Bargiel. Am 31. Juli 1828 ging W. eine zweite Ehe mit Klementine Fechner ein, der eine Tochter Marie entstammte. Auch aus dieser wollte er durchaus eine bedeutende Clavierspielerin machen und hat sie in fast grausamer Weise gedrillt, doch die Natur hatte ihr die nöthige Veranlagung versagt und so wurde sie zwar technisch sicher und leistete nach dieser Seite hin bewundernswerthes, doch das Seelenvolle, die geistige Vertiefung in die Composition blieb ihr verschlossen. W. war eine kräftige, biedere echt deutsche Natur, dabei aber hart und strenge. Im geselligen Verkehr genoß er eines gewissen Rufes als derber, origineller, seine Wahrheitsliebe bis zur Grobheit steigernder Kauz, der aber damit dennoch ein glückliches geselliges Temperament verband, so daß sein Haus der Sammelpunkt aller Künstler wurde. 1840 siedelte er nach Dresden über und hier lernte er den Gesangspädagogen und einst berühmten Sänger Mieksch kennen, bei dem er dann Gesangsstudien machte, um auch als Gesangslehrer zu wirken. Durch seine Beharrlichkeit und praktische Veranlagung erreichte er auch bald einen gleichen Ruf als Gesangs- wie als Clavierlehrer. In beiden Fächern hat er Schüler gebildet, die sich einen Weltruf erworben haben. Ich nenne nur Hans v. Bülow, Anton Krause, Professor Seiß, Rollfuß, Friedrich Reichel, Merkel, Riccius, Stade u. s. w. In älteren [375] Jahren war Loschwitz bei Dresden sein ständiger Sommeraufenthalt und aus Nah und Fern fand sich ein Kreis von Gästen ein, der seine Gesellschaft suchte und dessen Mittelpunkt er stets war. Bei der Feier seines 86. Geburtstages am 18. August 1871 überreichten ihm seine früheren Schüler eine bedeutende Summe zur Gründung einer Friedrich Wieck-Stiftung zur Unterstützung unbemittelter, talentvoller Kunstjünger. Seine Compositionen sind nicht hervorragend; hierfür fehlte ihm eine unmittelbare Erfindungskraft; dagegen haben seine musiklitterarischen Arbeiten einen Werth, der auch allgemein anerkannt wurde. Hierher gehören „Clavier und Gesang. Didaktisches und Polemisches.“ 1853. 3. Aufl. 1878. Auch in englischer Uebersetzung erschienen. Ferner „Musikalische Bauernsprüche“. 2. Aufl. 1875. Den dunkeln Punkt in seinem Leben, die egoistische Weise, in der er die Liebe zwischen seiner Tochter Klara und Robert Schumann zu hintertreiben suchte, wollen wir unberührt lassen; er wird den älteren Zeitgenossen noch lebhaft im Gedächtniß stehen.

A. v. Meichsner, Fr. W. und seine Töchter. Lpz. 1875. – Adolph Kohut, Fr. W., Ein Lebensbild. Dresden 1888.