ADB:Wettstein, Johann Rudolf (Baseler Theologe)

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Artikel „Wettstein, Johann Rudolf I.“ von Arnold von Salis in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 248–250, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wettstein,_Johann_Rudolf_(Baseler_Theologe)&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 00:28 Uhr UTC)
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Wettstein: Johann Rudolf W. I, Professor, Dr. theol., von Basel, Sohn des bekannten Bürgermeisters Joh. Rud. W. (s. o.) und der Anna Maria Falkner, geboren am 5. Januar 1614, kam 1628 zur Hochschule, wurde 1631 M. philos., vertiefte sich dann besonders in die dogmatische und polemische Theologie, wurde 1634 (28. Oct.) Candidat, docirte vorerst vicariatsweise griechische Sprache, ebenso Rhetorik, wurde 1637 (3. März) Professor der griechischen Sprache, machte im folgenden Jahre eine Studienreise durch die Schweiz, Frankreich, England, Belgien und Deutschland, rückte 1643 (10. März) zum Prof. philos. (Organi Aristotelici) vor, und verehelichte sich mit Margarethe Zäslin, welche ihm 12 Söhne und 5 Töchter gebar. (Ueber seinen gleichnam. Erstgebornen vgl. den folgenden Artikel.) 1647 übernahm er auch die Geschäfte eines Bibliothekars. Er war „ein großer Liebhaber der Schriften der Kirchenväter und der griechischen Sprache, so daß er deßwegen verschiedene griechische Mönche auch in seinen Kösten unterhalten, und Caspar Schweitzern zu seinem Thesauro Ecclesiastico viele gelerte Anmerkungen mitgetheilet“.

Am 11. December 1649 wurde er durch Theod. Zwinger zum Dr. theol. [249] promovirt; seine Inauguralrede hielt er „Ueber die Ursachen der Irrthümer und Zwistigkeiten in der Religion“ (De origine errorum et dissensionum in religione). Dagegen wurde ihm erst 1654 (1. Sept.) eine theologische Professur zu theil, und zwar übungsgemäß zuerst diejenige der Dogmatik und Polemik (Controversiarum et Locorum Communium), und schon 1656 (25. Jan.) die des Neuen Testaments.

Besondere Verdienste erwarb er sich als Curator der öffentlichen Universitätsbibliothek, die zu mehren er eifrig bemüht war. Als 1661 Amerbach’s Bibliothek, mit kostbaren Beständen aus dem Nachlaß des Erasmus, nach Holland sollte verkauft werden, setzte W. Alles in Bewegung, daß dieser kostbare Schatz nicht ins Ausland wandere, und erreichte es durch seinen Vater, den Bürgermeister, daß derselbe auf Staatskosten erworben und der Universitätsbibliothek einverleibt wurde. Die Regierung bezahlte dafür 8000 Reichsthaler, die Universität fügte aus ihrem Fiscus 1000 Thaler bei (nach Athen. Raur.; nach Ochs VII, 320 waren es 6000 und 3000 Thlr.). Ebenso wurde auf Wettstein’s Antrieb a. 1662 die Bibliothek aus ihren bisherigen ungünstigen Localitäten in die weiteren Räume des Hauses zur „Mücke“ verlegt, dessen Saal einst 1431 dem Conclave gedient hatte, in welchem Felix V. von den Concilsvätern zum Papst war ernannt worden. Weniger Dank erwarb sich wol W. durch seine Mitarbeit an dem, im gleichen Jahre 1662 von ihm, Joh. Buxtorf II und Antistes Luk. Gernler herausgegebenen „Syllabus Controversiarum“ (vgl. Hagenbach, Basl. Conf., S. 168). Dieser katechismusartig in Fragen und Antworten abgefaßte Häresienkatalog sollte insbesondere bei den wöchentlichen Disputationen der Theologiestudirenden als Basis dienen und sie in den orthodoxen Grundsätzen befestigen. Um so auffallender ist die Stellung, welche W. etwas später einnahm gegenüber einer Einrichtung, welche diese orthodoxen Bestrebungen krönen sollte. Anno 1675 wurde nämlich die von Joh. Heinrich Heidegger in Zürich, unter Mithülfe von Frz. Turrettini in Genf und Antistes Luk. Gernler in Basel verfaßte „Formula Consensus ecclesiarum helveticarum“ auch in Basel eingeführt und den Geistlichen jeweilen zur Unterzeichnung vorgelegt. W. aber, welcher über die Allgemeinheit der Gnade (circa gratiam universalem) dieselben Ansichten hegte, welche jene Consensformel an den Theologen von Saumur (Ludw. Capellus u. A.) verdammte, verweigerte seine Unterschrift und wollte auch Andere von dieser Verpflichtung befreit wissen. Das erreichte er zwar nicht; aber, dank der persönlichen Hochachtung, welche er überall genoß, wurde er selber nie zur Unterzeichnung der Formel gezwungen und überhaupt unangefochten gelassen. Nicht lange nachher, 1686, verzichtete man in Basel wieder auf die Verpflichtung der Geistlichen auf dieselbe, und am 26. Mai 1723 wurde sie vom Rathe endgültig beseitigt. Zwei Mal, 1656 und 1669, war W. Rector magnificus. Alt und lebenssatt, wurde er zu seinen Vätern versammelt am 11. December 1684. Er hat Vieles druckfertig ausgearbeitet, aber nur Weniges wirklich herausgegeben, aus großer Gewissenhaftigkeit. Publicirt wurden, außer etwa 15 Dissertationen (welche Leu aufzählt), folgende Schriften von ihm: „Certum animae solatium, ex Rom. 8, 14“ (1638); „Marci Diadochi sermo contra Arianos“, aus einer Basler Handschrift griech. und latein. herausgegeben (1642), wieder abgedruckt „cum libello Origenis de Oratione“ (1694); „Oratio in Obitum (rsp. Memoria benedicta) Theodori Zuingeri“ (1655); „Origenis Exhortatio ad Martyrium“, die er aus einer Basler Handschrift zusammenstellte und die nachher sein Sohn herausgab, als Anhang zur eigenen Publication von Origenis „Contra Marcionitas“ (1673 u. 1674); „Refutatio Fabulae XI. M. VV.“; „Tractatus Vinc. Bandelii de conceptione B. Virginis Mariae“. Ungedruckt blieb: „Eucharisticon Encomio Ironico Dorschei oppositum“.

[250] Ueber Wettstein findet sich das wesentlichste in Athen. Rauricae 1778, S. 76, 89, 369, 397. – Leu, Allg. helvet. Lexicon 1764. – Haller, Bibl. d. Schweiz. Gesch. II, S. 393, Nr. 1616–1618. – K. R. Hagenbach, Gesch. d. Basl. Conf. 1857, S. 172 f. – K. R. Hagenbach, Die theol. Schule Basels. 1860, S. 29, 32, 33. – Tholuck, Das akadem. Leben d. 17. Jahrh., S. 333.