ADB:Werthern, Georg von (kursächsischer Staatsmann)

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Artikel „Werthern, Georg von“ von Woldemar Lippert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 125–127, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werthern,_Georg_von_(kurs%C3%A4chsischer_Staatsmann)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:25 Uhr UTC)
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Werthern: Georg von W., kursächsischer Staatsmann, wurde am 15. September 1581 zu Beichlingen geboren als Sohn des Hans v. W. (geb. am 28. März 1555 zu Wiehe, † als kursächsischer Obersteuereinnehmer im Thüringischen Kreise am 1. Mai 1633 zu Beichlingen) und der Anna v. Ponickau († 1592), und Enkel des im vorstehenden Artikel über Wolfgang v. W. erwähnten Georg v. W. Seine Ausbildung erlangte er seit 1602 auf der Universität Jena und seit 1605 durch Reisen in den Niederlanden, England und Frankreich. 1606 zurückgekehrt widmete er sich der Landwirthschaft, verheirathete sich am 9. Februar (alten Stils) 1607 mit Eleonore v. Hoym und lebte meist auf den thüringischen Gütern. Am 29. December 1615 trat er in weimarische Dienste als Geheimer und Kammerrath, in welcher Stellung er besonders die herzoglichen Domänenangelegenheiten zu leiten hatte. 1617 schied er aus Gesundheitsrücksichten aus dieser Stellung aus und übernahm wieder die Bewirthschaftung seiner Güter. Sein Vater verfügte 1617 über seine Besitzungen zu Gunsten der Söhne Georg (aus erster Ehe), Georg Thilo und Hans Heinrich (aus zweiter Ehe) und trat jedem 1620 bereits die ihm zufallenden Antheile völlig ab, wobei Georg die Herrschaften Beichlingen, Frohndorf und andere Güter, Georg Thilo Brücken, Werthern u. a., Hans Heinrich Wiehe, Allerstedt u. a. erhielt. Doch schon das nächste Jahr entzog Georgen wieder dem Landleben: sein Landesherr Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen machte ihn zu seinem Geheimen Rathe, am 24. Juni 1621 erfolgte seine Vereidigung auf dieses, unsern heutigen Ministerstellungen zu vergleichende hohe Staatsamt. Sofort darauf wurde W. als außerordentlicher Gesandter nach Wien geschickt, wo er für seinen Herrn am 3. August die Belehnung mit den Reichslehen, am 13. August die mit den königlich böhmischen Lehen des Kurhauses Sachsen empfing. In den folgenden Jahren zog er sich stets, sobald ihm sein Dienst soviel freie Zeit ließ, auf seine Güter zurück, deren Verwaltung er, ein eifriger Landwirth, sich mit Sorgfalt hingab und deren Nothlage und Verwüstung in den späteren Kriegszeiten ihm schweren Kummer bereitete. Viel Muße vergönnte ihm freilich sein verantwortungsvolles Amt und das Vertrauen seines Herrn, der in schwierigen Fällen seinen Rath am wenigsten missen mochte, nicht. Ende 1622 und Anfang 1623 weilte er als Gesandter auf dem Deputationstag zu Regensburg, wo er außer den allgemeinen Reichsangelegenheiten mit speciellen Aufträgen wegen der Sicherstellung der Schuldforderungen Johann Georg’s an den Kaiser und der Verpfändung der Lausitzen zu thun hatte. Im Juni 1624 begleitete er den Kurfürsten zum Kurfürstentag nach Schleusingen, wo Sachsen den Baiernherzog Maximilian im Besitz der pfälzischen Kur anerkannte, im September 1627 auf den Kurfürstentag zu Mühlhausen zu den Verhandlungen über die Herstellung des Friedens und über die katholischen Restitutionspläne. Am 24. November 1628 übertrug ihm der Kurfürst das Amt des Oberhofrichters zu Leipzig, des Vorsitzenden in diesem obersten sächsischen Gerichtshofe für Civilprocesse, wodurch er jedoch nicht verbunden war, seinen ständigen Wohnsitz in Leipzig zu nehmen, sondern nur zu den regelmäßigen vierteljährlichen Gerichtsterminen sich einzustellen, eine Pflicht, von der ihn aber, besonders in den dreißiger Jahren, der Kurfürst häufig dispensirte, indem er ihn zur Theilnahme an den Geheimen Rathssitzungen an den Hof beorderte, denn die Stelle eines Geheimen Raths behielt W. bei. Seit dem 24. Januar 1625 war er, da seine erste Gemahlin 1622 gestorben war, mit Rahel v. Einsiedel vermählt; sein sehr glückliches Familienleben wurde jedoch oft durch schwere Krankheit, besonders Steinleiden, getrübt, das ihm auch das Reisen sehr erschwerte und ihm [126] in seinem Dienste hinderlich wurde. Dieser ungünstige Gesundheitszustand veranlaßte ihn auch, 1629 nicht nur um Erleichterung im Dienst zu ersuchen und sich nur noch auf ein Jahr zum regelmäßigen Besuch der Rathssitzungen zu verpflichten, sondern auch das erledigte Directorium im Geheimen Rathe auszuschlagen. Da dies auch der dienstältere Geheime Rath Joachim v. Loß that und dem Kurfürsten sonst keine geeignete Persönlichkeit zu Gebote stand, traf er den Ausweg, den Directorposten nicht definitiv zu besetzen, sondern stets dem ältesten der anwesenden Geheimen Räthe den Vorsitz zu übertragen; deshalb leitete bei Loß’ seltenem Erscheinen in den Sitzungen W. meist die Verhandlungen und nach Loß’ Tode (1633) führte er auch den Titel als Director des Geheimen Raths. Bei allen wichtigen Verhandlungen der Folgezeit sehen wir ihn denn auch in maßgebender Weise betheiligt, so im August 1630 zu Zabeltitz bei den Berathungen mit den brandenburgischen Räthen, die anläßlich der Zusammenkunft der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg stattfanden, im Frühjahr 1631 beim Leipziger Convent der evangelischen Stände, in den dreißiger Jahren fast immer bei den Besprechungen mit Nikolai, dem Vertreter Schwedens in Dresden, bei der Abfassung der Instructionen kursächsischer Gesandter und anderer wichtiger Schreiben. Am 10. December 1630 übertrug ihm der Kurfürst, um ihm einen neuen Beweis seiner Zufriedenheit zu geben und ihn zugleich zu vermögen, noch auf ein weiteres Jahr sich dem Dienst im Geheimen Rathe zu widmen, auch den Posten eines Oberhauptmanns von Thüringen auf Lebenszeit und gestattete ihm, nach Ablauf des Jahres nur dann an den Sitzungen theilzunehmen, wenn er zu wichtigen Geschäften eine besondere kurfürstliche Aufforderung erhielt; selbst bei völliger Invalidität sollte ihm der Geheimrathstitel nebst der halben Besoldung, die Oberhofrichterstelle aber solange verbleiben, als er ihr vorstehen könne.

In den nächsten Jahren war W. am kurfürstlichen Hofe einer der Hauptvertreter der Friedenspartei, die dem Eingreifen Schwedens in die deutschen Verhältnisse und daher auch dem unfreiwilligen Bündniß Johann Georg’s mit Schweden abgeneigt war. Obwol strenger Lutheraner und mit dem damaligen Vorkämpfer der schrofflutherischen Orthodoxie, dem einflußreichen Oberhofprediger Dr. Mathias Hoe von Hoenegg, auf freundschaftlichem Fuß stehend, theilte W. nicht die schwedenfreundliche Gesinnung eines großen Theiles des sächsischen Hofes, die bei einzelnen, z. B. bei Hoe, auch mit durch schwedische Gelder bewirkt war; er und der Kammerrath Dr. David Döring galten neben dem Obercommandirenden der sächsischen Truppen Hans Georg v. Arnim als Häupter der schwedenfeindlichen Partei, die, im Geleise der alten kursächsischen Politik verharrend, im möglichsten Anschluß an den Kaiser ihr Ziel sah und deshalb besonders auf den Frieden mit diesem hinarbeitete, um im Bunde mit ihm und überhaupt durch das Zusammenwirken der deutschen Katholiken und Lutheraner die territoriale Festsetzung fremder Mächte im Reiche zu verhindern. Auf Einzelheiten von Werthern’s Geschäftsführung in diesen Jahren ist hier nicht einzugehen. Nach dem Scheitern der langen geheimen Verhandlungen Arnim’s mit Wallenstein durch des letzteren Tod traten 1634 die Friedensaussichten in eine günstigere Phase, als es der Friedenspartei gelang, directe Verhandlungen mit dem Kaiser in Gang zu bringen. Wesentlich auf Werthern’s Einfluß ist die Wahl der Gesandten zu den Verhandlungen zurückzuführen. Auf das nachdrücklichste vom Kurfürsten aufgefordert, kam er trotz seiner Krankheit im Juni nach Dresden, während gleichzeitig sein Freund und College Nikolaus Gebhard v. Miltitz und Dr. Oppel in Leitmeritz mit den kaiserlichen Gesandten zusammentrafen; neben den officiellen Berichten, die ihm als Vorsitzenden des Raths in erster Linie zugingen, lief noch eine eingehende Privatcorrespondenz mit Miltitz, durch die er [127] seine Ansichten zur Geltung brachte. Seit August in Pirna fortgesetzt, führten die Verhandlungen am 24. November 1634 zu einem Präliminarabkommen, und nach den im März 1635 zu Prag wieder aufgenommenen Berathungen am 20. (30.) Mai 1635 zum definitiven Frieden. Werthern’s Verdienste um die Erreichung dieses langerstrebten Zieles erkannte der Kaiser selbst durch ein besonderes Schreiben an ihn vom 31. August 1635 an. Zu Anfang des Jahres 1635 war er wieder schwer erkrankt, dann aber heimgereist; als es jedoch galt, die Verhandlungen mit den übrigen protestantischen Ständen wegen ihres Beitrittes zum Frieden zu führen, wurde er Ende Mai selbst unter Versagung des wegen der dringendsten privaten Rechtsgeschäfte erbetenen Urlaubes zurückberufen. Im September und December führte er wieder den Vorsitz in den beiden Oberhofgerichtsterminen zu Leipzig. Der Vergeltungszug der Schweden für Sachsens Parteiwechsel traf im Anfang von 1636 besonders die Gebiete Thüringens, wo auch die Werthern’schen Besitzungen lagen, sehr hart. W. begab sich nach Dresden und starb hier am 10. Juni 1636.

Aus erster Ehe stammten außer drei Töchtern und zwei frühverstorbenen Söhnen die zwei Söhne Dietrich (kursächsischer Obersteuereinnehmer, Kammerdirector und Geheimer Rath, geb. 1613, † 1658) und Wolfgang (kursächsischer Geheimer Rath, Director des Bergrathscollegiums, Oberhauptmann des Erzgebirgischen Kreises, Director der Obersteuereinnahme, geb. 1614, † 1660), deren Linien mit ihren Kindern bezw. Enkeln ausstarben. Aus der zweiten Ehe Werthern’s gingen außer drei Töchtern und einem frühverstorbenen Sohne noch zwei Söhne hervor, von denen der jüngere Friedrich der Vater des im Folgenden sogleich zu besprechenden Grafen Georg v. W., des Stifters des ersten gräflichen Zweiges, der ältere, Hans (kursächsischer Kammerherr, adliger Inspector der Landeschule Pforta, geb. 1626, † 1693) der Ahnherr des heutigen gräflichen Zweiges ist.

Vgl. Albinus. Historie, und H. von Werthern, Stammtafeln (s. bei Dietrich v. W.). – G. Irmer, Die Verhandlungen Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser 1631–1634. 3 Theile (Lpz. 1888, 1889, 1891). – Besonders aber Briefschaften des Gräflich Werthern’schen Archivs zu Beichlingen und Acten des Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchivs zu Dresden. Eine längere biographische Skizze Georg’s denke ich an anderer Stelle zu geben.