ADB:Wenzel (Herzog von Sachsen-Wittenberg)

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Artikel „Wenzel, Kurfürst, Herzog von Sachsen-Wittenberg und Lüneburg“ von Wilhelm von Sommerfeld in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 735–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wenzel_(Herzog_von_Sachsen-Wittenberg)&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 05:03 Uhr UTC)
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Wenzel, Kurfürst, Herzog von Sachsen-Wittenberg und Lüneburg, entstammte dem Hause der askanischen Herzöge von Niedersachsen, die sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts in eine Lauenburger und eine Wittenberger Linie gespalten hatten, und ward geboren zwischen 1332 und 1343 als Sohn des Herzogs Rudolf I. von S.-Wittenberg und seiner dritten Gemahlin Agnes, geborenen Gräfin von Lindow und Ruppin. Von seinen beiden, erheblich älteren Brüdern Rudolf II. und Otto folgte der erstere, welcher keine Söhne hatte, dem Vater in der Regierung nach; der zweite starb schon 1350, hinterließ aber einen Sohn, Herzog Albrecht, der mit W. annähernd gleichaltrig war. Nach Rudolf’s II. Tode (Dec. 1370) gelangte nach den Bestimmungen der sog. Sächsischen Goldenen Bulle von 1356 die Herrschaft im Herzogthum S.-Wittenberg und die damit verbundene Würde eines Kurfürsten und Erzmarschalls des Reiches an W., doch findet sich neben ihm mehrfach auch Albrecht als Träger jener Reichsämter bezeichnet, ohne daß eine rechtliche Begründung hierfür klar hervorträte; übrigens scheint zwischen beiden Fürsten andauernd ein gutes Einvernehmen bestanden zu haben. Gleiche Rechtsansprüche aber hatten beide auf das Herzogthum Lüneburg, dessen Erwerbung seit 1370 das gemeinsame Hauptziel ihrer Politik bildete. Schon im J. 1355 hatte Karl IV., angeblich auf Antrag des derzeitigen welfischen Herzogs Wilhelm von Lüneburg, dessen Tochtersohn Albrecht war, dem Hause Wittenberg die Anwartschaft auf jenes Gebiet ertheilt und im März 1370, nachdem Wilhelm ohne Hinterlassung von Söhnen gestorben, das Land definitiv an Rudolf II., W. und Albrecht zur gesammten Hand verliehen, zunächst aber ohne thatsächlichen Erfolg, da der welfische Herzog Magnus der Jüngere von Braunschweig, welchen Wilhelm zum Erben angenommen und dem er noch bei eignen Lebzeiten die Huldigung der Lüneburger Stände verschafft hatte, die Rechtmäßigkeit der kaiserlichen Verfügung nicht ohne Grund bestritt und sich weigerte, den sächsischen Fürsten das Herzogthum zu überlassen. Erst als die mächtige Stadt Lüneburg, von Magnus bedrückt, im Januar 1371 zu W. und Albrecht übertrat, vermochten letztere in ihrem neuen Gebiete Fuß zu fassen, doch vertheidigte Magnus auch fernerhin mit dem Schwerte sein Recht, bis er im Juli 1373 in einem Gefechte den Tod fand. Zwischen den Vormündern seiner Söhne und den Wittenberger Fürsten kam darauf ein Vergleich zu Stande, wonach beiden Herrscherhäusern zugleich von den Lüneburger Ständen gehuldigt, die Regierung aber im Namen aller Prätendenten von W. und Albrecht, nach deren Tode abwechselnd von dem jeweiligen ältesten männlichen Nachkommen Magnus’ und demjenigen der Wittenberger Fürsten auf Lebenszeit geführt werden sollte. Die thatsächliche Regentschaft in Lüneburg übernahm indessen Albrecht, der auch seine Residenz fortan daselbst hatte, doch hielt sich auch W., wiewol er seinen bisherigen regelmäßigen Wohnsitz zu Wittenberg beibehielt, nicht völlig von der persönlichen Leitung der Lüneburger Angelegenheiten fern, wie denn auch die Urkunden Albrecht’s großentheils zugleich in Wenzel’s Namen ausgestellt sind. Ebenso schlossen beide gemeinsam im J. 1374 mit Herzog Erich von Lauenburg, dem früheren Verbündeten von Magnus, eine Sühne und Erbeinigung, welche ebenso wie der vorerwähnte Vertrag von Karl IV. bestätigt wurde. Im Juni und Juli 1376 finden wir W. mit den übrigen Kurfürsten und dem Kaiser vereinigt am Mittel- und Niederrhein, wo er an der Wahl des jungen Böhmenkönigs Wenzel zum römischen König sich betheiligte und dafür von Karl eine für ihn günstige Bestätigung und Erweiterung der Sächsischen Goldenen Bulle erlangte. Eine Zwistigkeit, die er bei dieser Gelegenheit mit dem Herzog von Brabant über das schon früher zwischen beiden Häusern streitige Recht, dem Kaiser das Schwert vorzutragen, gehabt haben soll, mag ihn dazu veranlaßt [736] haben, die Kurschwerter in das Wappen seines Geschlechtes aufzunehmen. Im nächsten Jahre begleitete er den Kaiser in die Altmark, wo Karl unter anderm einige kriegerische Operationen zu Gunsten Albrecht’s unternahm, der mit den Welfen inzwischen wieder in Kampf gerathen war. Auch später zeigt er sich, seiner kurfürstlichen Stellung entsprechend, noch öfters in Reichsangelegenheiten thätig und gemäß den Traditionen seines Hauses in naher Verbindung mit den Luxemburgern, ohne indessen eine hervorragende Rolle auf dem Gebiete der hohen Politik zu spielen. Ueberhaupt erscheint er, soviel unsere allerdings wenig zahlreichen Nachrichten über ihn erkennen lassen, im ganzen als eine zurückhaltende, nicht sehr energische Persönlichkeit, doch wird er andererseits als ein frommer, gerechter und friedliebender Fürst und wohlwollender Herr seiner Unterthanen bezeichnet.

Nachdem sein Neffe Albrecht im J. 1385 ohne Hinterlassung von Söhnen gestorben war, übernahm W. selber die Regierung im Herzogthum Lüneburg, unter Mitwirkung seines Schwiegersohnes Bernhard, eines Sohnes des Herzogs Magnus. Doch sah er sich bald mit Herzog Heinrich, einem Bruder Bernhard’s, in Zwistigkeiten verwickelt, die nach mehreren, auf die Dauer erfolglosen Vermittlungsversuchen im Frühjahr 1388 zum offenen Kriege führten. Ehe es indessen zu einem entscheidenden Schlage kam, verfiel W. bei der Belagerung von Celle, der Residenz seines Gegners, plötzlich in schwere Krankheit, angeblich vergiftet von dem Propste Bertram von Ebstorf, und starb kurz darauf in der Neustadt von Hannover. In der Michaelskirche zu Lüneburg ward er begraben.

W. war vermählt mit Cäcilie, Tochter des Herzogs von Carrara und kaiserlichen Statthalters zu Padua, und gewann mit ihr drei Söhne, Rudolf (III.), Albrecht (III.) und Wenzel, von denen die beiden älteren nacheinander dem Vater in der Herrschaft folgten, und zwei Töchter, Anna und Margarethe, die mit Söhnen des Herzogs Magnus vermählt wurden.

Chr. Schöttgen et G. Chr. Kreysig, Diplomataria et scriptores hist. German. medii aevi, III (Altenburg 1760). – Script. rer. Brunsvic., III, ed. Leibnitz (Hannover 1711). – Chr. E. Weiße, Gesch. d. Chursächs. Staaten II (Leipzig 1803). – Sudendorf, Urk.-Buch zur Gesch. d. Herzöge von Braunschweig u. Lüneburg, IV–VI, mit Einleitungen (Hannover 1864–69). – Böhmer, Regesta Imperii T. VIII (Innsbruck 1877). – Weizsäcker, Reichstagsacten I (München 1867). – v. Heinemann, Cod. Dipl. Anhalt. T. III–V (Dessau).