ADB:Wenzel, Heinrich
Max Müller nach Oxford, an den er durch den verstorbenen Professor Noiré empfohlen war. Dieser lenkte seine Aufmerksamkeit auf die noch ungehobenen Schätze, welche die tibetanische Litteratur, namentlich für ein historisches Studium des Buddhismus enthält. Zur Erwerbung der dazu nöthigen philologischen Kenntnisse begab er sich auf Max Müller’s Rath 1881 nach Herrnhut zu Jäschke, dem damals einzigen gründlichen Kenner dieser Sprache in Deutschland. Unter diesem studirte er zwei Jahre lang und besorgte auch die zweite Auflage von Jäschke’s tibetischer Grammatik, worauf er sich nach dem Wunsche seiner Mutter für die akademische Laufbahn vorbereitete. Er habilitirte sich auch 1886 in Leipzig mit der Uebersetzung des Suhrillekha, [737] nahm aber nach dem bald darauf erfolgten Tode der Mutter seinen dauernden Aufenthalt in England, erst in Oxford, dann in London, wo er ganz seinen Studien lebte. Hier ereilte ihn am 16. Juni 1893 ein früher Tod, die Folge einer Blutvergiftung, zu der sich nach dem Sectionsbefund eine beiderseitige Lungenentzündung gesellt hatte.
Wenzel: Heinrich W., Orientalist, wurde geboren am 7. Juni 1855 in Mainz. Er entstammte einer kurmainzischen Beamtenfamilie; sein Vater war der als Arzt und Mensch gleich ausgezeichnete Karl W. (vgl. über diesen Beil. 55 der Münch. Allg. Zeit. 1894). Nachdem er (Michaelis 1874) das Gymnasium seiner Vaterstadt durchlaufen hatte, bezog er die Universitäten Jena, Leipzig und Tübingen. In Tübingen promovirte er (Ostern 1879) mit einer Dissertation über den Instrumental im Rigveda. Nach kurzem Aufenthalt in Straßburg ging er, um seine orientalischen Studien fortzusetzen, zuBei dem Mangel einer andern Biographie gebe ich unten, entgegen dem sonstigen Brauch dieser Sammlung, eine wie ich hoffe vollständige Liste des von W. zum Druck Gebrachten. Freilich gibt auch sie ein sehr unvollständiges Bild von dem Umfange seiner Studien, da er eine Reihe größerer Arbeiten, namentlich Textausgaben, in allen Stadien der Vollendung hinterläßt, und bedarf daher dringend der Ergänzung durch einen Katalog seines handschriftlichen Nachlasses, – eine Ehrenpflicht der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, die von dem Vater Wenzel’s zur Generalerbin der Bücher und Manuscripte seines Sohnes ernannt wurde. Schon aus den obigen knappen Angaben läßt sich erkennen, wie gewissenhaft W. sich für seinen Beruf vorbereitet hatte, und wäre es ihm vergönnt gewesen, die Ernte seines Lebens in die Scheuern zu bringen, so würde sein Name von der Nachwelt in einer Reihe mit Schiefner und Jäschke genannt werden. Das Schicksal versagte ihm den Lohn für sein ideales Streben: um so mehr ist es unsere Pflicht, sein Andenken in Ehren zu halten.
Während der letzten Jahre seines Lebens war W. körperlich leidend und auch sein Gemüthszustand hatte etwas für seine Freunde Beunruhigendes. Er schloß sich immer mehr von der Gesellschaft ab und fand sein Glück nur in der stillen Einsamkeit seiner Studirstube. Die Warnungen und Bitten seiner Freunde, etwas für seine Erholung zu thun, blieben ohne Erfolg. ‚I am all right‘ pflegte er zu erwidern. Doch blieb er gefällig für alle Fachgenossen, die sich um Auskunft an ihn wandten. Er übersetzte die Arbeiten russischer Gelehrten, um sie dem Abendland zugänglich zu machen. Die Wenigen, die ihm auch menschlich näher treten durften, schätzten ihn hoch wegen seines reinen Charakters und seiner gediegenen, umfassenden Bildung.
Der Eindruck, den er auf ferner Stehende machte, spiegelt sich charakteristisch in einem Artikel des Cymru, einer in Liverpool erscheinenden wälschen Zeitung, der wenige Tage nach seinem Tode veröffentlicht wurde. Es muß zum Verständniß bemerkt werden, daß das Boarding House, das W. in London bewohnte, das Absteigequartier der nach London kommenden Wälschen war. Ich gebe den Schluß des Artikels in wortgetreuer englischer Uebersetzung, wie sie auf meine Bitte von Dr. Phillips angefertigt wurde, einem jungen, walisischen Arzte, der auch W. bis zu seinem Tode treulich gepflegt hat:
‚Dr. Wenzel lived for about six years in the happy Welsh home 'Gwalia House', 8/9 Upper Woburn Place: and undoubtedly there will be a great many Welshmen who have been in the habit of patronising Gwalia, who will tenderly remember the quiet, thoughtful man, rather tall and fair and who wore spectacles.
We have many a time seen him come direct from his study to the dinner table and return without saying a word.
He was master of about 12 languages and it is hardly necessary to add that he was a German student, who had made his work a labour of love‘.
Ueber den Instrumentalis im Rigveda. Tübingen 1879, H. Laupp. – Tibetan grammar by H. A. Jäschke, Moravian Missionary. 2. ed. prepared by Dr. H. W. London 1883. (Trübner’s Collection of simplified grammars VII.) – The Dharma-Sangraha, an ancient collection of Buddhist technical terms, prepared for publication by Kenjiu Kasawara, a Buddhist priest from Japan, [738] and after his death edited by F. Max Müller and H. W. Oxford 1885 (Anecdota Oxoniensia, Aryan Series I, 5). – Suhrillekha. Brief des Nāgārjuna an König Udayana. Aus dem Tibet. übersetzt von H. W. Lpz. 1886, Voß. – Bçes pai phrin yig. (Friendly Epistle.) Translated by H. W. Journal of the Pali Text Society 1886, S. 1–32. – Index to the Verses in the Divyāvadāna. JPTS 1886, S. 81–93. – A Jātaka-tale from the Tibetan. Journal of the Royal Asiatic Society 1888, S. 503–511. – The Valāha Jātaka. JRAS 1889, S. 179. – Letter to the Disciple by Candragomin. JRAS 1889, S. 1133–1137. – Wasilief’s notes on Buddhism. JRAS 1890, S. 231–242. – Candragomin’s Letter. JRAS 1890, S. 203 f. – Tsonkhapa. JRAS 1892, S. 141 f. – List of the Tibetan mss. and printed books in the library of the Royal Asiatic Society. JRAS 1892, S. 570–579. – Dr. Serge d’Oldenburg on the Buddhist Jātakas. JRAS 1893, S. 301–356. – Dr. Serge d’Oldenburg, The Buddhist sources of the (Old Slavonic) legend of the Twelve Dreams of Shahaïsh. Transl. by H. W. JRAS 1893, S. 509–516. – Tibetan Literature. Academy 1888, S. 293 f. – Coincidences in Buddhist literature and the Gospels. Ac. 1889, S. 27. – Hospitality myths. Ac. 1889, S. 256 f. – Some contributions to Pali lexicography. Ac. 1890, S. 177. – G. Huth, 1) The Chandoratnākara, 2) Die tibetanische Version der Naiḥsargikaprāyaçcittikadharmās, besprochen von H. W. Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 1893, S. 99–102. – The legend of the origin of the Tibetan race. Festgruß an Roth, S. 170–172. Stuttgart 1893.