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Artikel „Weiß, Michael“ von Julius Groß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 579–581, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9F,_Michael&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 18:06 Uhr UTC)
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Weiß: Michael W., Stadtrichter in Kronstadt, wurde am 13. Januar 1569 in Mediasch geboren, wo sein Vater Johann W., aus Eger in Böhmen gebürtig, Bürgermeister war. Seine Mutter Gertrud war die Tochter des Mediascher Stadtschreibers Lorenz Wolf. Von 1583–1585 besuchte er als Schüler das Collegium in Klausenburg; die aus dieser Zeit stammenden lateinischen Gedichte zeugen von einer nicht gewöhnlichen Begabung des jugendlichen Verfassers. Ein Jahr nach seiner Rückkehr von Klausenburg verlor er Vater und Mutter schnell nach einander; die Mutter starb am 28. August, der Vater am 4. September 1586 an der Pest. Nach dem Tode der Eltern verließ er Siebenbürgen, um anderwärts sein Fortkommen zu suchen. Er erhielt zuerst die Stelle eines Secretärs bei dem kaiserlichen Befehlshaber in Szathmár, dem Grafen Ferdinand von Hardeck. Später wurde er bei der ungarischen Hofkanzlei in Prag angestellt, wo er sich durch eifrige und geschickte Dienste so sehr auszeichnete, daß ihn Kaiser Rudolf II. im J. 1589 sammt seinen drei Brüdern und zwei Schwestern in den Adelstand erhob. Der Aufenthalt in Prag war die Schule seiner späteren politischen Thätigkeit. Im Jahre 1590 kehrte er nach einer größeren Reise, die ihn unter anderen nach Heidelberg, Altona und Wien führte, nach Siebenbürgen zurück. Auf den Rath mehrerer einflußreicher Freunde, mit denen er schon in Prag in Verbindung [580] gestanden, wählte er Kronstadt zu seinem Wohnort, das ihm einen größeren Wirkungskreis in Aussicht stellte, als seine Geburtsstadt Mediasch. Hier heirathete er die Tochter des Kronstädter Stadthanns Andreas Kemmel. Es war natürlich, daß der kenntnißreiche, aus größeren Verhältnissen kommende 21jährige Mann unter seinen Mitbürgern bald eine bedeutende Rolle zu spielen begann. Nachdem er schon im J. 1591 in den Rath der Hundertmänner aufgenommen worden war, wurde er 1594 als einfacher Communitätsmann mit der ehrenvollen Aufgabe betraut, die Stadt auf dem Landtag in Klausenburg zu vertreten. Und von nun an finden wir ihn wiederholt als Mitglied von Gesandtschaften im Dienste Kronstadts und der Fürsten von Siebenbürgen. Im J. 1595 reiste er mit einer Gesandtschaft des Fürsten Sigmund Bathori, der das türkische Joch abzuschütteln gedachte und deshalb in eine engere Verbindung mit dem österreichischen Kaiserhaus treten wollte, an den kaiserlichen Hof nach Prag. In demselben Jahre begleitete er den Abgesandten des Fürsten Kornis Gáspár, der den Auftrag erhalten hatte, den neuen Woiwoden der Moldau in sein Amt einzusetzen, und war auch in dem Gefolge des Fürsten auf dessen siegreichem Feldzuge in die Walachei gegen die dort lagernden Türken. Im Jahre 1600 wurde W. zum Rathsherrn erwählt. Im Lande tobte der Kampf, den der Wankelmuth Sigmund Bathori’s, der drei Mal die Regierung an Oesterreich abtrat, um sie drei Mal wieder in Anspruch zu nehmen, heraufbeschworen hatte. Räubernd und plündernd durchzogen die zuchtlosen Scharen des kaiserlichen Generals Basta das Land. Besondern Groll hegte er gegen Kronstadt, weil dieses allein von den sächsischen Städten dem Fürsten Bathori sich ergeben hatte. Basta drohte, die Stadt mit Feuer und Schwert zu verwüsten. Da wurde W. abgesandt, um den Zorn des Generals zu besänftigen. Und auch in den folgenden Jahren der unglücklichen Erhebung des von dem ungarischen Adel und den Seklern zum Fürsten ausgerufenen Moses Szekely leitete W. die Unterhandlungen der Stadt mit diesem, dem walachischen Woiwoden Radul und dem General Basta, der nach Szekely’s Fall Kronstadt mit einer unerschwinglich hohen Brandschatzungssumme bedrohte. Als im J. 1605 unter den siebenbürgischen Ständen Verhandlungen gepflogen wurden über die Anerkennung Stefan Bocskay’s als Fürsten von Siebenbürgen, übertrug die sächsische Nation die Vertretung ihrer Angelegenheiten auf den damals abgehaltenen Landtagen dem Kronstädter Rathsherrn M. Weiß. Im Auftrag des neu erwählten Fürsten reiste er dann mit einer Gesandtschaft in die Walachei, um mit dem Woiwoden Radul ein Bündniß abzuschließen. Der Fürst und der Woiwode lohnten seine Dienste mit reichen Geschenken. Eine ähnliche Rolle spielte W. während der kurzen Regierungszeit Sigmund Rakoczi’s (1607–8). Gesandtschaften wurden an die Höfe von Wien und Constantinopel abgeschickt, um zu verhindern, daß der nach dem Fürstenstuhl strebende Homonai dort Unterstützung für seine Absichten fände. Zu Gesandten an die Pforte wurden David Veres und W. gewählt.

Mit dem Regierungsantritt Gabriel Bathori’s (1608) beginnt die letzte Phase in dem Leben und der politischen Wirksamkeit des Mich. W. In der ersten Zeit seiner Regierung schenkte auch Gabriel Bathori dem in Staatsgeschäften vielfach bewanderten Mann sein Vertrauen. W. übte wesentlichen Einfluß auf die Verhandlungen mit dem Woiwoden der Walachei Radul, dem der Fürst nicht freundlich gesinnt war, und brachte ein friedliches Verhältniß zwischen beiden zu Stande. Auch mit einer Gesandtschaft an den Woiwoden der Moldau wurde er von ihm betraut. Es war der letzte Dienst, den er im Auftrage des Fürsten vollführte. Bathori’s Abneigung gegen die Sachsen und [581] seine Absicht, die sächsische Nation zu vernichten, trat immer deutlicher hervor. Sie zeigte sich schon im J. 1610, als Bathori in Kronstadt als Gast weilte und sich hier in schmähenden Worten über die Einwanderung der Sachsen erging, wogegen W. entschiedene Einsprache erhob. Sie offenbarte sich dann in schrecklicher Weise in der Einnahme und Verwüstung Hermannstadts. Dasselbe Schicksal drohte Kronstadt. Da nahm Michael W. den Kampf gegen den Bedränger seines Volkes auf. Der erste Schritt, den er zur Rettung Kronstadts that, war, daß er die Unterstützung des benachbarten Woiwoden Radul und der Türken zu gewinnen suchte. Mit Hilfe Radul’s wurde der erste Angriff Bathori’s auf Kronstadt im J. 1611 zurückgeschlagen. Ein türkisches Heer, das vor Kronstadt lagerte, wußte W. durch kluge Unterhandlungen zum Abzug zu bewegen. Doch bald holte der Fürst zu neuem Schlage aus. Im Februar 1612 rief er die drei Völker Siebenbürgens gegen die eine Stadt unter die Waffen. Vergebens richtete W., den Kronstadt in diesem Jahre zu seinem Stadtrichter gewählt hatte, ein mahnendes Schreiben an den Fürsten. Dieser forderte mit zürnenden Worten die Uebergabe der Stadt. Da mußte das Waffenglück entscheiden. Am 8. October zog W. mit einer beherzten Schar aus Kronstadts Mauern, an seiner Seite Andreas Götzi, der im Auftrag der Pforte der Stadt ein bunt zusammengewürfeltes Heer zugeführt hatte. Am 16. October kam es zur Schlacht in der Nähe von Marienburg. Die romänischen Söldner wichen beim ersten Ansturm und rissen die übrigen Scharen, darunter auch Götzi, mit sich. Umsonst versuchte W. die Reihen wieder herzustellen; als er alles verloren sah, wandte auch er das Roß. Im angeschwollenen Burzenfluß stürzte sein Pferd, die nachsetzenden Feinde hieben auf ihn ein, nach kurzer Gegenwehr war er zum Tode getroffen. Unter den Gefallenen deckten auch neununddreißig Schüler des Kronstädter Gymnasiums, dessen Bibliothek W. noch im J. 1608 mit einer werthvollen Büchersammlung beschenkt hatte, die Wahlstatt. Das Andenken ihres verdienstvollen Stadtrichters ehrten die Kronstädter durch Prägung einer goldenen Denkmünze mit der Aufschrift: Er that die Pflicht, die er dem Vaterland schuldig war.

Liber annalium raptim scriptus per Michaelem Weiss in Trauschenfels, Deutsche Fundgruben zur Geschichte Siebenbürgens, S. 124 ff. – Michael Weiß. Eine historische Skizze von B. v. M. in Transsilvania. Periodische Zeitschrift für Landeskunde. Redigirt von J. Benigni v. Mildenberg und C. Neugeboren, S. 167 ff. – Trausch, Schriftsteller-Lexikon III, 484 ff. – G. D. Teutsch, Geschichte der Siebenbürger Sachsen II, 133 ff. – Mika Sándor, Weiss Mihály, in Életrajzok herausg. von Szilágyi.