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Artikel „Weiß, Karl“ von Karl Uhlirz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 577–579, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9F,_Karl&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:15 Uhr UTC)
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Weiß: Karl W., Director des Archivs und der Bibliothek der Stadt Wien, k. k. Regierungsrath, geboren zu Wien am 13. Februar 1826, † ebenda am 23. December 1895. Er gehörte einer Wiener Bürgerfamilie an und trat [578] im J. 1843, da er einer schweren Krankheit wegen seine Studien aufgeben mußte, als Beamter beim Magistrate seiner Vaterstadt ein. Durch seinen Eifer und seine Verwendbarkeit lenkte er die Aufmerksamkeit des Bürgermeisters Czapka R. v. Winstetten auf sich, von dem er ebenso wie von dessen Nachfolgern Johann Caspar Freiherrn v. Seiller und Dr. Cajetan Freiherrn v. Felder vielfache Förderung erfuhr. Neben der amtlichen Thätigkeit blieb er seinen litterarischen Neigungen treu, wobei er besonders durch den ihm verwandten Assistenten an der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste Dr. Gustav Heider, der nachmals in hoher amtlicher Stellung die Entwicklung künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens in Oesterreich erfolgreich beeinflussen sollte, angeregt und unterstützt wurde. Durch Heider wurde W. auch in den Kreis jener Männer eingeführt, welche damals die Anlage eines kunstgewerblichen Museums sowie die Pflege der Kunstgeschichte eifrig betrieben und sich um die Erforschung und Erhaltung der Alterthümer in der Monarchie bemühten. Hier erhielt W. den entscheidenden und nachhaltigsten Antrieb für sein ferneres Wirken. Nicht allein betheiligte er sich an der Lösung jener allgemeinen Aufgaben, er faßte auch den Gedanken diese Bestrebungen für die Geschichte und Topographie Wiens nutzbar zu machen. Hiezu war in der That der rechte Augenblick gekommen, da nach langer Vernachlässigung nunmehr auch in der Bürgerschaft das Interesse für die Stadtgeschichte wieder zu erwachen begann und die auf Grund des neuen freisinnigen Statutes gewählte Stadtvertretung jeder Anregung auch auf diesen Gebieten opferwillig und verständnißvoll entgegenkam. Schon im J. 1855 hatte W. die Gründung einer Stadtbibliothek durchgesetzt, deren Wien seit dem Jahre 1780 entbehrte, in welchem der Stadtrath die reiche und werthvolle städtische Büchersammlung an die k. Hofbibliothek abgegeben hatte; acht Jahre später wurde das Archiv von der Registratur, mit der es bis dahin vereinigt war, abgetrennt und seiner Leitung unterstellt. Mit verständnißvoller Umsicht wandte W. auch den andern geschichtlichen und künstlerischen Ueberbleibseln, Bildern, Plänen und Alterthümern aller Art, die als ein wenig geachtetes Erbe ferner Vergangenheit an den verschiedensten Orten zerstreut waren, seine Aufmerksamkeit zu. Im J. 1873 übernahm er die Obsorge über die im städtischen Zeughause verwahrte, für die Geschichte des bürgerlichen Waffenwesens überaus wichtige Waffensammlung der Stadt. Im selben Jahre konnte er zum ersten Male die Früchte seiner Sammelarbeit der Oeffentlichkeit in einer historischen Ausstellung vorführen. Auf seinen Vorschlag wurde im J. 1882 die Organisation der in seiner Hand vereinigten Aemter durch die Bestellung wissenschaftlich vorgebildeter Beamter den gesteigerten Anforderungen angepaßt und im nächsten Jahre veranstaltete er im neuen Rathhause eine geschichtliche Ausstellung zur Erinnerung an die Belagerung der Stadt durch die Türken im J. 1683. Anläßlich dieser Ausstellung erhielt er von dem Kaiser, der ihn schon im Jahre 1862 durch Verleihung der goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft und im J. 1872 durch das Ritterkreuz des Franz Josefsordens ausgezeichnet hatte, den Titel eines k. k. Regierungsrathes. Die Uebersiedelung der Gemeindeämter in die Prachträume des neuen Rathhauses bot ihm Gelegenheit, den lange gehegten Plan der Errichtung eines historischen Museums der Stadt endlich auszuführen. Dasselbe konnte am 26. Juni 1888 eröffnet werden und damit erachtete W. sein Lebenswerk in dieser Richtung als abgeschlossen. Nachdem noch seinem Vorschlage entsprechend das Archiv von den andern Sammlungen abgelöst und so auch diesem Amte die Bahn zu selbständiger und gedeihlicher Entwicklung durch ihn eröffnet worden war, trat er, in jeder Weise von dem Gemeinderathe geehrt, am 26. April 1889 in den Ruhestand.

[579] Das Vertrauen, welches er sich in jahrelanger Thätigkeit erworben hatte, gab ihm mannichfache Gelegenheit, seinen Rath auch in Angelegenheiten geltend zu machen, die nicht unmittelbar in den Bereich seiner eigentlichen Amtsgeschäfte fielen. In dieser Hinsicht haben namentlich seine Mitarbeit an dem am 27. April 1879 abgehaltenen Huldigungsfestzuge zur Feier der silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares, die von ihm gegebene Anregung zur Anlage einer eigenen Abtheilung auf dem Centralfriedhofe für die Gräber besonders verdienter und berühmter Personen sowie seine Vorschläge für die plastische und malerische Ausschmückung des neuen Rathhauses das künstlerische Leben der Stadt ausgiebig gefördert.

Noch müssen wir seiner fruchtbaren und vielseitigen schriftstellerischen Thätigkeit gedenken, aus deren Erzeugnissen hier nur seine „Geschichte der öffentlichen Anstalten für die Armenversorgung in Wien“ (1867), die Einleitung zu den Vorlagen zur Revision des prov. Wiener Gemeindestatuts (1868) und seine Geschichte der Stadt (2. Auflage 1882/3) zu erwähnen sind. Auch die A. D. B. enthält eine Reihe von Artikeln von seiner Hand, namentlich aus dem Kreise der Wiener Kunstgeschichte.

Nur wenige Jahre der Ruhe sollten dem verdienten Manne gegönnt sein, ein Leiden, das sich als die Folge eines Lebens voll täglicher Arbeit und Thätigkeit gebildet hatte, machte sich immer mehr geltend und führte endlich seinen Tod am 23. December 1895 herbei. Ohne Frage haben wir es als sein bleibendes Verdienst zu rühmen, daß er in treuer Anhänglichkeit an seine Vaterstadt den Fleiß eines ganzen Lebens und die Hingebung unermüdlichen Pflichtgefühles an Schöpfungen und Anregungen wandte, welche geeignet waren, die Theilnahme der Bürgerschaft an der Vergangenheit dieses großen Gemeinwesens zu erhalten und zu erhöhen, sowie der Forschung auf dem Gebiete der Wiener Stadtgeschichte zu seiner und in künftiger Zeit zu dienen.

Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 54, 128 mit ausführlichem Verzeichnisse seiner Schriften. – Wiener Zeitung 1895, Nr. 297 S. 8. – Wiener Abendpost 1895, Nr. 296 S. 3. – Blätter des Vereins für Landeskunde von Nied.-Oesterr. N. F. 29 (1895), XXV. – Revue historique 60, 476.