ADB:Wechel
Geitzkofler’s Selbstbiographie (s. u.) hervorgeht, der diese Form gebrauchte und gut unterrichtet [365] sein mußte, da er eine Zeit lang bei Andreas W. wohnte. Christian W., der erste Vertreter dieser Familie, soll von Basel gewesen und im J. 1522 in Paris als Buchhändler angenommen worden sein. Dazu sei bemerkt, daß der früheste Druck, der seinen Namen trägt, so viel uns bekannt, erst von 1526 stammt. Ist jenes frühere Datum richtig – und es sieht so aus, wie wenn es Acten entnommen wäre – so wird es auf Chr. Wechel’s Zulassung als einfacher Buchführer (ohne Druck und Verlag) zu beziehen sein. Was nun aber die Basler Herkunft betrifft, so ist diese Angabe doch wol nur darauf zurückzuführen, daß Chr. W. seine Geschäftsräume im Haus „zum Basler Schilde“ (in der Rue St. Jacques) hatte. Diese Marke hat er aber dem Hause keineswegs selbst gegeben; denn unter dem gleichen Schild trieb dort schon vor ihm der Basler Buchhändler Konrad Resch sein Geschäft (s. Panzer’s Annales typogr.). Da dieser eben im J. 1526 zum letzten Mal vorkommt, so dürfte unser W. sein unmittelbarer Nachfolger geworden sein. Woher er nun aber stammte, ist ebenso ungewiß wie das Jahr seiner Geburt. In Basel jedenfalls kommt der Name W. weder damals noch später vor, während er uns z. B. in Schorndorf in Württemberg um jene Zeit begegnet ist (in der Form Wehelin). Nicht unwahrscheinlich dagegen ist es, daß Chr. W. in Basel wenigstens seine Lehrzeit durchgemacht hat; man könnte hiefür u. a. die Aehnlichkeit seines zweiten Drucker- und Verlegerzeichens (s. u.) mit dem Frobenschen ins Feld führen. Wie über seine Herkunft so wird auch sonst über den Mann vielerlei gefabelt. Daß er verarmt sei und zwar weil er des Antonius Cornellius Schrift: Querela infantium in limbo clausorum, 1531, gedruckt habe, ist schon von Bayle als unrichtig nachgewiesen worden, es wird aber immer wieder behauptet. Sodann soll schon Chr. W., um den Widerwärtigkeiten zu entgehen, denen er als Protestant in Paris ausgesetzt gewesen, sein Geschäft nach Frankfurt verlegt haben, während sein Sohn Andreas an der Seine zurückgeblieben sei. Auch dies ist falsch. Es gibt keinen Druck aus Frankfurt, der des ersten W. Namen trägt, wol aber solche aus Paris bis an das Ende seiner Thätigkeit; sein Name wird denn auch in den Frankfurter Bürgerverzeichnissen vergebens gesucht. Dies schließt natürlich die Möglichkeit nicht aus, daß Chr. W. Belästigungen, vielleicht auch Störungen in seinem Geschäftsbetrieb zu erfahren hatte, wie ja zu seiner Zeit Robert Estienne zum Wegzug nach Genf sich genöthigt sah (1550); aber Gewisses haben wir darüber nicht feststellen können. Was nun aber die Leistungen des Mannes betrifft, so reicht er allerdings nicht an den eben genannten Rob. Estienne heran, doch ist auch ihm eine hervorragende Stelle in der Geschichte des Buchgewerbes gesichert, sowol durch die Zahl als durch die Bedeutung der von ihm verlegten und meist auch gedruckten Schriften. Schon im J. 1544, zehn Jahre vor seinem Tod, betrug deren Zahl nach einem in diesem Jahr herausgegebenen Verlagskataloge weit über 300. Sie sind meist wissenschaftlichen Inhalts und gehören den verschiedensten Sprachen (u. a. auch der hebräischen) an. Fast alle Fächer sind vertreten, am wenigsten wol die Jurisprudenz, hervorragend dagegen die Philologie mit sehr vielen Classikerausgaben und die Medicin. Auch technisch betrachtet verdienen Chr. Wechel’s Drucke alles Lob. Viele sind mit schönen Holzschnitten ausgestattet, und was Fehlerfreiheit anbelangt, so hat sich unser Meister an dem Wettkampf der französischen Druckereien jener Zeit mit Erfolg betheiligt. Von seinen Marken zeigt die ältere, die in verschiedenen Größen und Gestalten erscheint, als wesentlichen Bestandtheil sinen Baum, auf dem ein Vogel sitzt, während ein anderer Vogel, mit diesem sich streitend, auf der Seite fliegt; um den Baum schlingt sich ein Spruchband mit der Aufschrift: Unicum arbustum non alit duos erithacos. (Nach der Nouvelle biographie générale Art. Wechel wäre diese Marke das Druckerwappen des Simon Dubois [366] oder Silvius, der für Chr. W. druckte, gewesen. Wenn damit gesagt sein soll, daß sie Chr. W. nicht eigenthümlich war, so ist es falsch; denn sie läßt sich auf Werken nachweisen, die nicht Dubois sondern W. selbst gedruckt hat.) Bald brauchte der Druckererherr auch eine andere Marke: ein von zwei Händen gehaltener, mit zwei Schlangen umwundener geflügelter Stab ist von zwei sich kreuzenden Füllhörnern umgeben und über diesen springt ein Flügelpferd (Pegasus). Dieses Zeichen (oder wenigstens der Pegasus) war auch an dem zweiten Geschäftshause, das er neben dem alten in der Rue St. Jacques verhältnißmäßig frühe in der Rue St. Jean de Beauvais errichten konnte, angebracht und es ist in den eben angegebenen wesentlichen Bestandtheilen auch in der Folgezeit, unter seinen Nachkommen, die Marke der Wechel’schen Firma geblieben. – Zum letzten Mal kommt Christian[WS 1] Wechel’s Name, so viel uns bis jetzt bekannt, auf Drucken des Jahres 1553 vor (andere nennen 1554 als letztes Druckjahr); er muß in diesem oder dem folgenden Jahr gestorben oder wenigstens vom Geschäft zurückgetreten sein; denn von 1554 an erscheint an seiner Stelle sein Sohn Andreas W. Unter ihm, dessen Geburtsjahr gleichfalls nicht bekannt ist, der aber schon 1535 als Buchhändler aufgenommen worden sein soll, ward der Buchdruck und Verlag zunächst auf der früheren Höhe erhalten. Er galt für einen „fürnemen Buechdrucker und Buechfürer“ und bei ihm fanden viele Deutsche und Schweizer, die nach Paris kamen, freundliche Aufnahme, zum Theil auch Kost und Wohnung, wie Ludw. Camerarius, Steph. Geitzkofler, Felix Platter; namentlich stieg bei ihm, so oft er Paris besuchte, der damals in kursächsischen Diensten stehende Diplomat Hubert Languet ab. Seine ausgesprochene protestantische Richtung mag außer der Landsmannschaft ihm diese Gäste zugeführt haben; sie sollte ihm aber auch verhängnißvoll werden. Eine erste Katastrophe brach im J. 1569 (oder schon 1568?) über ihn herein. Seine Bücher wurden verbrannt, sein Vermögen eingezogen und er selbst mußte froh sein mit heiler Haut davonzukommen, was er wesentlich dem Präsidenten des obersten Gerichtshofes Achille de Harlay zu danken hatte. Er mußte aber das Land verlassen. Doch konnte er nach einiger Zeit wieder zurückkehren und im Juni 1571 hatte er seine Druckerei soweit hergestellt, daß er sie wieder in Thätigkeit setzen konnte. Allein das nächste Jahr brachte die Bartholomäusnacht, bei der auch er, wie viele andere Buchhändler zum Opfer ausersehen war; nur der Kaltblütigkeit seines damals gerade wieder bei ihm wohnenden Freundes Languet verdankte er seine Rettung, wie er selbst in der Vorrede der dem Freunde zum Dank gewidmeten Wandalia von Albert Krantz, Frankfurt 1575, berichtet. Nun kehrte er Frankreich für immer den Rücken und zog mit seiner Familie nach Frankfurt a. M., wohin auch schon andere hugenottische Flüchtlinge sich gewendet hatten. Schon am 23. December 1572 erhielt er dort das Bürgerrecht. Das neugegründete Geschäft brachte er bald wieder zu großer Blüthe. Unter den Werken, die er hier verlegte, ist neben den Classikerausgaben und geschichtlichen Schriften insbesondere die große lateinische Bibel des Tremellius und Junius zu nennen, die von 1575–79 bei ihm im Druck erschien. Er starb im Spätjahr 1581 (beerdigt am 1. November), ohne Zweifel an der Pest. Seine Nachfolger wurden die Schwiegersöhne Johann Aubry und Claude de Marne, beides französische Flüchtlinge. Sie führten das Geschäft zum Theil unter ihren eigenen Namen, meist aber unter der Firma der Erben A. Wechel’s fort und machten diesem Namen alle Ehre. Als „Bibliopolae Caesaris“ hatten sie Niederlagen in Wien und Prag, wovon die erstere Johann Aubry, die zweite Claude de Marne gehörte. Auch fällt in ihre Zeit ein bemerkenswerther Höhepunkt in der Geschichte der Wechel’schen Druckwerkstätte, die Correctorthätigkeit des Friedr. Sylburg (siehe A. D. B. XXXVII, 282 ff.), der, vielleicht noch von Andreas W. hiefür geworben, [367] 1582 zu diesem Zweck nach Frankfurt übergesiedelt war und bis zu seinem Weggang nach Heidelberg im J. 1591 manche damals sehr geschätzte Textausgabe z. B. den ganzen Aristoteles für diese Druckerei besorgte. Der Wiederdruck der obengenannten lateinischen Bibel brachte die Wechel’schen Erben in Conflict mit der lutherischen Geistlichkeit der Stadt und obwol derselbe verhältnißmäßig einfach dadurch gelöst wurde, daß sie auf das Titelblatt Hanau anstatt Frankfurt setzten, so gab die Sache Joh. Aubry doch Veranlassung nach Basel zu ziehen, ohne daß er übrigens seinen Antheil an der Wechel’schen Firma aufgab. Als aber die französischen Flüchtlinge unter dem Schutze der Grafen von Hanau die Neustadt Hanau gründeten, zog auch Claude de Marne mit sechs Pressen dorthin und gleichzeitig ward das Basler Geschäft von der Wittwe des Joh. Aubry, der 1600 oder 1601 gestorben war, nach Hanau verlegt. Von da an gibt es also Wechel’sche Drucke, die aus letzterer Stadt datirt sind; doch verschwindet Frankfurt nie ganz als Erscheinungsort und von 1608[WS 2] ab tritt es (wenigstens nach Schwetschke’s Codex nundinarius wieder ausschließlich an die Stelle von Hanau. Als 1610 auch der andere Schwiegersohn Andreas Wechel’s gestorben war, kommt die altberühmte Firma nur noch selten auf Drucken vor, bis sie (wieder nach Ausweis des Codex nundinarius) mit dem Jahr 1629 ganz aus der Geschichte des Buchdrucks und Buchhandels verschwindet. – Als Sohn des Andreas W. ist früher oft auch ein anderer Frankfurter Drucker und Verleger betrachtet worden: Johann W., jedoch mit Unrecht. Denn als er am 27. Januar 1581 in Frankfurt zum Bürger angenommen wurde, ward er als „frembdt“ in die Liste eingetragen; er war von Köln in die Mainstadt gekommen. Doch spricht manches dafür, daß er im weiteren Sinn gleichfalls zur Familie gehörte. Es sei nur auf sein Verlegerzeichen hingewiesen, in welchem der Wechel’sche geflügelte Stab mit den zwei Schlangen und Füllhörnern ebenfalls vorkommt; nur sitzt hier auf dem Stab eine Eule und statt des Pegasus tritt als weiteres Symbol hinzu Pallas Athene, die mit der Rechten jenen Stab, mit der Linken aber einen Schild mit dem Buchstaben W hält. Joh. W. hat gleichfalls eine bedeutende Thätigkeit entfaltet – Schwetschke zählt, von 1582 ab, mehr als 100 Verlagswerke von ihm auf – und insbesondere hat Fr. Sylvius auch für ihn gearbeitet, wie derselbe denn auch eine Zeit lang bei ihm gewohnt hat. Er starb aber schon 1593 (beerdigt 14. Juli), worauf sein Geschäft in die Hände des Zacharias Paltenius, der die Wittwe heirathete, überging.
Wechel: eine bedeutende Buchdrucker- und Buchhändlerfamilie des 16. Jahrhunderts. Der Name lautete ursprünglich Wechelin, wie aus- Vgl. 1) in Bezug auf Christian Wechel die Pandectae Konr. Geßner’s (Tiguri 1548), der ihm das 13. Buch derselben widmet und einen Verlagskatalog von ihm zum Abdruck bringt. – Maittaire, Annales typogr. tom. 2, pars 1, 1722, p. 405 ff., wo außer dem eben genannten noch ein anderer Verlagskatalog, von 1544, abgedruckt ist. – Bayle, Dictionnaire historique et critique, Basle 1741, p. 490. – 2) inbetreff Andreas Wechel’s und seiner Nachfolger Hub. Languet, Epistolae ad Joach. Camerarium patrem etc., Groningae 1646, passim, bes. S. 106, 138. – Cl. Italorum et Germanorum epistolae ad P. Victorium rec. Bandinius II, Florentiae 1760, p. 168. – Bayle a. a. O., S. 491 u. die dort genannten Quellen. – Lukas Geitzkofler’s Selbstbiographie in A. Wolf, L. Geitzkofler, Wien 1873, S. 34. – Dann bes. Pallmann, S. Feyerabend im Archiv für Frankfurts Geschichte, Neue Folge, Bd. 7 (Register) und Könnecke, Hessisches Buchdruckerbuch, Marburg 1894, S. 124 ff., wo namentlich über die Erben nähere Mittheilungen gemacht werden. – Ein hs. Verlagskatalog von A. W. findet sich im Wiener Archiv in den Acten der Büchercommission (nach Kapp); von seinen Erben gibt es gedruckte derartige Kataloge z. B. von 1590 und 1596. – Die Drucker- und Verlegermarken s. z. B. bei Brunet, Manuel du libraire, 5me éd., [368] t. II, col. 913, t. III, col. 1578 und in verschiedenen Formen bei Silvestre, Marques typogr. p. I, II, Paris 1853, 1867 (Register). – Könnecke a. a. O. – 3) Betreffs Joh. W. Pallmann a. a. O.