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Artikel „Camerarius, Ludwig“ von Moriz Ritter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 724–726, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Camerarius,_Ludwig&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 02:22 Uhr UTC)
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Camerarius: Ludwig C., nimmt in dem Stammbaum der berühmt gewordenen Mitglieder des Geschlechtes der Kammermeister die dritte Stelle ein: sein Großvater war der Humanist Joachim I., sein Vater der Nürnberger Arzt und Naturforscher Joachim II. Er selber wurde am 22. Jan. 1573 zu Nürnberg geboren, † 1651. Zur juristischen Laufbahn bestimmt, besuchte er die Universitäten Leipzig, Helmstädt und Altdorf, weiterhin Italien und erwarb sich in Basel den Doctortitel (1597); hierauf beschäftigte er sich einige Zeit am Reichskammergericht zu Speier, von wo er, noch im J. 1598, in den Rath des [725] Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz (als „Nebenrath“?) gezogen wurde. Fürs erste scheint er in Heidelberg vornehmlich als rechtskundiger Rath verwandt zu sein; den Angelegenheiten der auswärtigen, besonders der Reichspolitik, mit denen er wenigstens bis zum Januar 1602 nicht betraut worden war, trat er näher, als er im J. 1603 in die pfälzische Reichtagsgesandtschaft aufgenommen und um dieselbe Zeit zum Mitglied des „Oberraths“, des höchsten Regierungscollegiums für auswärtige Politik und innere Landesregierung, ernannt wurde. (Nach einem Schreiben Anhalts, 26. Mai 1604, im Bernburger Archiv.) Von da ab erscheint er, sowol unter Friedrich IV. als unter Friedrich V., fast regelmäßig unter den pfälzischen Gesandten bei Reichstagen, Kurfürstenversammlungen und Unionsconventen, überhaupt wurde er vielleicht der thätigste Diplomat des kurpfälzischen Hofes für diejenigen Geschäfte äußerer Politik, die sich innerhalb der Grenzen des deutschen Reiches hielten. Verhängnißvoll ward es für ihn, daß er seit 1616 in die Umtriebe bezüglich der künftigen Kaiserwahl und der Nachfolge im Königreich Böhmen hineingezogen ward. Das Nähere über diese Verhandlungen wird die Biographie Friedrichs V. bringen. Hier genüge die Angabe, daß C., als sein Herr die böhmische Krone angenommen, im October 1619 mit ihm nach Prag zog, ihm während seines einjährigen Königthums als Begleiter, Rath und Gesandter unermüdlich diente, daneben noch von den schlesischen Ständen das Amt eines Vicekanzlers annahm, und endlich nach der Schlacht bei Prag (Nov. 1620) dem Kurfürsten Friedrich V. auf seiner Flucht folgte. Im J. 1621 finden wir ihn wieder in Heidelberg, im folgenden Jahre führt ihn eine Gesandtschaft nach Norddeutschland und Dänemark, im J. 1623 befindet er sich bei seinem Herrn im Haag. Seit der Niederlage Friedrichs V. war die Thätigkeit des C. eine doppelte: eine diplomatische und eine litterarische. Als gewandter Publicist hatte er schon im J. 1619 bei Friedrichs böhmischer Krönung den Auftrag erhalten, die Annahme dieser Krone in einem offenen Ausschreiben zu rechtfertigen. Als dann der litterarische Kampf zwischen bairischen und pfälzischen Publicisten im J. 1621 mit Herausgabe der „Anhaltischen Kanzlei“ begann und bis zum J. 1628, in welchem das „Archiv der unirten Protestanten“ erschien, geführt wurde, suchte C. in mehreren Broschüren die Enthüllungen und Beschuldigungen der Gegner mit Vertheidigung und Angriff zu erwidern (Näheres darüber bei Reinh. Koser, Der Kanzleienstreit. Halle 1874). Die diplomatischen Verhandlungen zum Zweck der Restitution Friedrichs V. brachten den nach allen Seiten thätigen Staatsmann seit 1623 mit der schwedischen Regierung in enge Beziehung. Dies hatte die Folge, daß Gustav Adolf ihn mit Bewilligung Friedrichs V. im J. 1626 zu seinem Rath und Bevollmächtigten, und endlich im J. 1629 zum ordentlichen Gesandten bei den Generalstaaten machte, welchen Posten er unter Gustav Adolf, unter der Regentschaft und in der ersten Zeit der Regierung Christians[1] bekleidete. Im J. 1645 zog er sich, nachdem er einen ehrenvollen Abschied erlangt hatte, nach Gröningen zurück. „Du sammelst“, sagte ihm damals Spanheim, „einen Schatz für den Staat, der demselben bei deinen Lebzeiten oder nach deinem Tode zu gute kommen wird.“ Dies bezog sich wol auf die von C. vorgenommene Sammlung und Sichtung seiner Correspondenz, der Briefe seiner Vorfahren und der Schreiben zahlreicher Gelehrten und Staatsmänner des 16. und 17. Jahrhunderts. Es wurde damals der Grund gelegt zu der berühmten Camerarischen Sammlung (darüber Halm in den Sitzungsberichten der Münchner Akademie, Philosoph.-histor. Cl. 1873 S. 341 ff.). C. selbst publicirte im Druck die „Epistolae H. Langueti ad J. Camerarium“ (Gröningen 1646) und gab dem Spanheim das Material zur Edition von „Bongarsii epistolae ad Camerarium“ (Leyden 1647). Im Juni des Jahres 1651 hatte C. die Genugthuung, nach Heidelberg und [726] der dem Erben seines früheren Herrn restituirten Pfalz zurückzukehren. Wenige Monate nachher, im October desselben Jahres, ist er gestorben.

Vgl. Freher, Theatrum virorum eruditorum. Nürnberg 1688. Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon (nebst der Ergänzung von Nopitsch).

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Camerarius, Ludw. III 725 Z. 13 v. u. l.: Christinas (statt Christians). [Bd. 56, S. 395]