ADB:Waldersee, Friedrich Graf von

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Artikel „Waldersee, Friedrich Graf von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 698–700, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Waldersee,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 05:59 Uhr UTC)
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Waldersee: Friedrich Gustav Graf v. W., königlich preußischer Generallieutenant und Kriegsminister, ward am 21. Juli 1795 als der dritte Sohn des anhaltischen Oberhofmeisters Grafen Franz v. W., des Begründers seines Geschlechts, und dessen Gemahlin, einer Gräfin von Anhalt, zu Dessau geboren, trat am 21. November 1812 in Potsdam als Grenadier beim Regimente Garde zu Fuß in den preußischen Heeresdienst, zog im Frühling des nächsten Jahres als Fähnrich in den Krieg, erhielt für sein Verhalten in der Schlacht bei Groß-Görschen, wo er verwundet ward, das Eiserne Kreuz und den russischen St. Georgsorden 5. Classe, wurde am 16. Mai 1813 zum Secondlieutenant befördert und focht im weiteren Verlaufe des Krieges bei Leipzig und vor Paris. Der Feldzug vom Jahre 1815 brachte ihm keine Verwendung vor dem Feinde. Die nachfolgende lange Friedenszeit benutzte er zunächst zu eigener militärwissenschaftlicher Fortbildung, daneben auch zu schriftstellerischer Thätigkeit, indem er einen „Leitfaden zur Instruction des Infanteristen“ schrieb, welcher auch nach seinem Tode, namentlich durch die Fürsorge eines Neffen, des jetzigen Generals der Cavallerie und commandirenden Generals des IX. Armeecorps Grafen v. W., gefördert, in immer neuen Auflagen erschienen ist, von denen im Jahre 1895 die 129. im Gebrauche war, ein Buch von bleibendem Werthe, welches für die zahlreichen, später veröffentlichten Schriften gleichen oder verwandten Inhaltes vorbildlich geworden ist. Eine ähnliche Arbeit, im Heere im Gegensatze zu dem eben erwähnten „kleinen W.“ der „große W.“ genannt und „Der Dienst des preußischen Infanterieunterofficiers“ betitelt, alle Gebiete des Lebens und Wirkens des letzteren begreifend und zuerst 1843 erschienen, hat 1895 die 20. Auflage erlebt. Im praktischen Dienste seine Gaben des Erziehens und Unterrichtens zu bethätigen, gab ihm die am 10. October 1827, nachdem er 1826 Capitän geworden war, erfolgende Ernennung zum Commandeur der Schulabtheilung des Lehr-Infanteriebataillons zu Potsdam Gelegenheit. Als solcher hat er ersterer, zur Vorbereitung junger Leute für die Laufbahn des Unterofficiers, namentlich der Infanterie, bestimmten Truppe die Grundlage gegeben, auf welcher ihre Nachfolger, die „Infanterieschulen“, noch gegenwärtig bestehen und in ausgedehntem Umfange für jenen Zweck thätig sind. Zum Stabsofficier ernannt verließ er nach zehn Jahren, am 12. Juli 1837, diese Stätte seines erfolgreichen Wirkens; am 7. April 1840 erhielt er, nachdem er ein Jahr zuvor den Prinzen Wilhelm, nachmaligen Kaiser Wilhelm I., auf einer Reise durch Deutschland, die Schweiz und Italien begleitet hatte, das Commando des Füsilierbataillons seines alten Regiments, des nunmehrigen 1. Garderegiments zu Fuß, aber schon am 25. Mai 1841 wurde er von neuem auf das vor vier Jahren von ihm verlassene Arbeitsfeld zurückversetzt, indem er zum Commandeur des Lehr-Infanteriebataillons zu Potsdam ernannt wurde, einer Truppe, welche bestimmt ist, die unter den Augen des Kriegsherrn beim Gardecorps bestehenden Einrichtungen und die bei diesem für die Ausbildung maßgebenden Grundsätze auf die gesammte Infanterie des Heeres zu übertragen. Daneben gehörte er als Mitglied Commissionen an, welche mit der Bearbeitung eines Dienst-, sowie des Exercierreglements und von Bekleidungsvorschriften beauftragt waren. Am 18. Juni 1846 wurde er zum Oberstlieutenant befördert und am 9. März 1848 mit der Führung des Kaiser Alexander-Garde-Grenadierregiments Nr. 1 zu Berlin beauftragt.

Damit trat er in einen neuen thatenreichen Abschnitt seines Lebens. Nach den Märzkämpfen, an denen auch das W. unterstehende Regiment seinen Antheil [699] gehabt hatte, gelangte dieses auf dem Kriegsschauplatze in Schleswig-Holstein zu einer dem Soldaten mehr zusagenden Wirksamkeit und W. war es vergönnt, dabei eine besonders dankbare Rolle zu übernehmen, indem er am 23. April in der Schlacht bei Schleswig als Führer der Vorhut der unter den Befehl des Generals v. Möllendorf gestellten rechten Flügelabtheilung, in richtiger Würdigung der Verhältnisse und selbständig seine Entschlüsse fassend, entgegenstehender Weisungen ungeachtet, zunächst das durch den ersten Angriff Gewonnene festhielt und sodann, die Erfolge des fortgesetzten Kampfes ausnutzend, wesentlich beitrug, den letzteren zum Siege zu gestalten. Die Verleihung des Ordens pour le mérite erkannte seine Verdienste an. – Waldersee’s Theilnahme am Feldzuge gegen Dänemark war damit in der Hauptsache beendet, das nächste Jahr aber brachte neue soldatische Verwendung. Dieses Mal wieder gegen einen inneren Feind, indem er mit zwei Bataillonen seines eigenen und einem des 24. Infanterieregimentes zur Unterstützung der königlich sächsischen Truppen bei der Bekämpfung des Maiaufstandes nach Dresden entsandt wurde. Sein Eingreifen führte die entscheidende Wendung und den Sieg herbei, König Friedrich Wilhelm IV. dankte ihm dafür, indem er ihn zum Obersten beförderte. Er selbst veröffentlichte über die Vorgänge ein Buch „Der Kampf in Dresden im Mai 1849. Mit besonderer Rücksicht auf die Mitwirkung der preußischen Truppen geschildert und militärisch beleuchtet“ (Berlin 1849). – Bei beiden Gelegenheiten, 1848 und 1849, war ihm vergönnt gewesen diejenigen Ansichten und Weisungen zu erproben und bewährt zu finden, welche er schon im ersteren Jahre in einer weiteren Schrift „Die Methode zur kriegsgemäßen Ausbildung der Infanterie für das zerstreute Gefecht“ niedergelegt hatte; das Buch hat ebenfalls zahlreiche Auflagen erfahren, von denen die 4. 1872 erschienen ist; Waldersee’s Ausbildungsmethode wurde 1850 durch das Kriegsministerium der gesammten Infanterie empfohlen und ist, der eingetretenen Veränderungen in Reglement und Waffen ungeachtet, in ihren Grundzügen noch immer Richtschnur.

W. selbst aber ward nun in eine Reihe sehr verschiedener Dienststellungen berufen. Ende 1849 wurde er an die Spitze des Cadettencorps gestellt, wo er dafür sorgte, daß dessen Umwandlung in bürgerliche Erziehungsanstalten unterblieb und die militärische Eigenart erhalten ward, dann entsandte ihn der König in das Staatenhaus des Unionsparlaments nach Erfurt und am 15. Mai 1851, nachdem W. einen Monat lang an der Spitze der 14. Landwehrbrigade gestanden hatte, als Bevollmächtigten zur Bundesmilitärcommission nach Frankfurt a. M. Zwei Jahre später erfolgte am 22. März 1853 seine Beförderung zum Generalmajor und zum Commandeur der 14. Infanteriebrigade in Magdeburg und nach Jahresfrist die Versetzung nach Frankfurt a. M. als Commandeur der dortigen preußischen Besatzung. In dieser Stellung hatte er vielfache Beziehungen zum Bundestagsgesandten Otto v. Bismarck, mit dem er sich in voller Uebereinstimmung inbetreff der Preußen in Deutschland gebührenden Stellung und der ihm obliegenden Aufgabe befand; es waren Ansichten, denen er auch als Mitarbeiter an der Wehrzeitung in den Jahren 1848 und 1854 mehrfach Ausdruck gegeben hatte. Seine letzte dienstliche Verwendung war die am 5. Mai 1854 beginnende als Kriegsminister unter dem Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel, mit welchem er am 6. November 1858 vom Amte zurücktrat. Er hat damals eine Umformung des Heeres, wie Roon sie später ins Werk setzte, als nothwendig erkannt, es geschah aber nichts um sie zur Ausführung zu bringen. Am 9. April 1857 war er zum Generallieutenant befördert; bei seinem Scheiden vom Ministerposten wurde ihm die Führung des VII. Armeecorps angeboten, er hielt sich dazu indessen für nicht kräftig genug, sondern trat [700] in den Ruhestand und ist am 15. Januar 1864 zu Potsdam gestorben. Die Muße seiner letzten Jahre hat er benutzt, ein weiteres werthvolles Buch „Die Methode zur kriegsgemäßen Ausbildung der Infanterie und ihrer Führer im Felddienste“ (Berlin 1860) zu schreiben. Eine andere schriftstellerische Arbeit, die er um das Jahr 1842 begann, „Der Feldherr und sein Generalstab“, ist unvollendet geblieben.

Militär-Wochenblatt Nr. 63/64. Berlin 1895.