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Artikel „Wagner, Johann Philipp“ von Robert Knott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 519–521, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Johann_Philipp&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 20:14 Uhr UTC)
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Wagner: Johann Philipp W. wurde am 24. Januar 1799 zu Fischbach, Amt Langen-Schwalbach im Herzogthum Nassau geboren und trat 1815 in das in der Fahrgasse zu Frankfurt a. M. gelegene Eisengeschäft von Gebrüder Basse als Lehrling ein, aus welchem er 1840 nach 25jähriger Wirksamkeit als Buchhalter austrat. 1823 verheirathete sich W. mit der Wittwe Winter geb. L’Allemand. Diese Ehe blieb kinderlos. 1852 verheirathete sich W. zum zweiten Male mit einem Fräulein Rosa Trost. Eine Tochter aus dieser Ehe ist in jugendlichem Alter gestorben. W. war Mitglied des Physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M., gehörte sogar während der Jahre 1833–34, 1835 bis 38, 1839–42, 1844–47 und 1849–52 zu dessen Vorstandsmitgliedern. Seit 1862 lebte er als Privatmann in Frankfurt a. M., wo er am 8. Januar 1879 starb.

Mit Unterstützung des Herrn Mechanikus Fritz Albert beschäftigte sich W. frühzeitig mit physikalischen Studien. In der Oeffentlichkeit wurde sein Name zuerst genannt, als Prof. Dr. Neeff bei der Jahresfeier der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft am 1. Mai 1836 das kleine Modell einer elektromagnetischen Kraftmaschine (Rotationsapparat) vorzeigte und darüber berichtete (Frankfurter Jahrbücher VII, 153). Zwei andere ganz davon verschiedene Constructionsarten hatte W. bereits vollständig entworfen und begonnen, aber noch nicht ganz ausgeführt. Am 25. Februar 1837 zeigte W. im Physikalischen Verein den elektromagnetischen Hammer vor, die seitdem allgemein angenommene Vorrichtung zum automatischen Oeffnen und Schließen einer Volta’schen Kette, eine höchst sinnreich erdachte, das mechanische Talent ihres Erfinders bekundende Vorrichtung, die die weiteste Verbreitung gefunden hat (die Erfindung ist übrigens unabhängig von ihm auch von De la Rive in Genf gemacht worden). Dr. Neeff berichtete darüber auf der Naturforscher-Versammlung zu Freiburg 1838, in Poggendorff’s Annalen (1836, Bd. 46, S. 104 ff.) und auf der Naturforscher-Versammlung zu Erlangen 1840 (Amtlicher Bericht S. 90). Auf derselben Versammlung legte Prof. Boettger einen Wagner’schen Apparat vor zur Erzeugung von Tönen auch in nicht magnetischen Metallen durch den unterbrochenen galvanischen Strom (vgl. dazu das „Tageblatt“, S. 46).

1838 hatte W. einen kleinen elektromagnetischen Wagen construirt. Es war das ein Versuch der Anwendung des Elektromagnetismus als Triebkraft, welches Problem trotz der Apparate, die Jacobi (der von der russischen Regierung reichliche Unterstützung dafür erhielt), dal Negro, Mac Gauley, Wheatstone, Hjorth, Hunt u. A. angaben, noch keine Lösung gefunden hatte, weil die Wirkung des Elektromotors schnell abnimmt und der Funke zerstörend wirkt (vgl. Frankfurter Gewerbfreund, 3. Jahrgang, S. 355; Dingler’s Polytechn. Journal, Bd. 118, S. 26). Im dritten Jahrgang des Gewerbfreundes (S. 353) ist ein Vortrag abgedruckt, welchen W. als Vicedirector des Gewerbvereins in der Versammlung der Gewerbetreibenden hielt: Ueber Elektromagnetismus als Triebkraft. Er äußerte damals: „Ich glaube nach vierjährigem rastlosen Streben den Standpunkt endlich erreicht zu haben, wo ich mit fester Zuversicht die Ueberzeugung aussprechen kann, daß nunmehr für die Industrie eine neue Triebkraft gewonnen ist“ (auch in Dingler’s Polytechn. Journal, Bd. 80, S. 372). In demselben Jahrgang des Gewerbfreundes (S. 313) findet sich auch ein Aufsatz über Elektromagnetismus als bewegende Kraft von dem später als Statistiker [520] bekannt gewordenen Dr. v. Reden, welcher das Historische der Wagner’schen Entdeckungen gibt.

Am 15. Januar 1841 (Gewerbfreund, 4. Jahrgang, S. 41) zeigte W. in der Versammlung der Gewerbtreibenden zwei elektromagnetische Rotationsapparate und einen Rotations-Magnetelektromotor mit Zählapparat für ärztlichen Gebrauch vor. Am 22. April 1841 faßte die deutsche Bundesversammlung, auf Antrag der Freien Stadt Frankfurt, folgenden Beschluß: „Der Deutsche Bund, in der Absicht, das Geheimniß des Frankfurter Bürgers J. P. Wagner in Betreff der Benutzung des Elektromagnetismus als Triebkraft zu erwerben und dasselbe durch Veröffentlichung gemeinnützig zu machen, sichert dem besagten J. P. Wagner für die ausschließliche Abtretung dieses Geheimnisses eine aus der Bundes-Matricularkasse zu zahlende Summe von 100 000 Gulden zu für den Fall, wenn a) Wagner zuvörderst eine elektromagnetische Maschine in großem Maßstabe, wie solche namentlich auch für Locomotiven erforderlich sein würde, auf seine Kosten erbaut; b) nach einer von der Bundes-Versammlung zu veranstaltenden sachverständigen Prüfung es ihr bewährt werden sollte, daß das Geheimniß den davon gehegten Erwartungen entspricht, und c) J. P. Wagner sich zum Voraus und unbedingt dem Ausspruch unterwirft, den die Bundesversammlung sich deshalb vorbehält.“

Am 17. Mai 1841 wendet sich W. an den Fürsten Karl Egon zu Fürstenberg (geb. 1796, † 1854) mit der Bitte, für die Herstellung der großen Maschine ihm seine Unterstützung zu gewähren. Das Antwortschreiben des Fürsten, d. d. Karlsruhe 5. Juni, beginnt so: „Nachdem Uns die Erscheinungen des Elektromagnetismus und dessen Anwendungen im Gebiete der Wissenschaften und Künste stets ein lebhaftes Interesse eingeflößt und in Uns ebenfalls den Wunsch und die Erwartung hervorgerufen haben, es möchte der Wissenschaft, verbunden mit dem natürlichen, zu ihrer Anwendung geeigneten Talente, gelingen, das in seinen Erscheinungen so überraschende Agens der Elektricität zu einem folgsamen Diener und kräftigen Unterstützer des menschlichen Gewerbfleißes zu machen; – nachdem ferner Herr J. P. Wagner aus Frankfurt dieser schönen Aufgabe, ausgerüstet mit ausgezeichnetem Fleiß, Talent und Studium, wie Uns berichtet und von verschiedenen Seiten bestätigt wird, seit einer Reihe von Jahren obgelegen und bereits solche Resultate im Kleinen erzielt hat, daß es im höchsten Grade wünschenswerth ist, daß seine Entdeckungen und Erfindungen auch im Großen erprobt und wo möglich zur Anwendung gebracht und dem Herrn Erfinder die Mittel an die Hand gegeben werden, die ihm von der hohen deutschen Bundes-Versammlung für die praktische Erprobung seiner Erfindung eventuell ausgesetzte Prämie zu erlangen, und nachdem es insbesondere Unser Wunsch ist, das diesfallsige Verdienst in jeder Beziehung der deutschen Nation gesichert zu sehen, Wir auch in den Charakter und die Persönlichkeit des Herrn Wagner ein besonderes Vertrauen setzen, – so nehmen Wir keinen Anstand, auf die Uns in dem Vortrage d. d. Frankfurt 17. Mai 1841, unterzeichnet von den Herren Wagner, Sulzberger und Unserem Hüttenverwalter Müller, gestellten Ansinnen unter der Annahme einzugehen, daß die auf die erste Probemaschine zu verwendende Summe den Betrag von 7000 Gulden nicht übersteige“. Es folgen nun die näheren Anweisungen an den Bergrath Steinbeis, dem Herrn W. bei Herstellung seiner Maschine in aller Weise zur Hand zu gehen.

W. hielt sich mehrere Monate in den fürstlichen Werkstätten zu Riesdorf bei Stockach auf (Joh. Müller, Bericht über die neuesten Fortschritte der Physik. Braunschweig 1849. I, 543), mit der Verfertigung elektromagnetischer Wagen beschäftigt; aber seine und des Fürsten Hoffnungen sollten nicht in Erfüllung gehen. Die deutsche Bundesversammlung faßte am 13. Juni 1844 den Beschluß: [521] „Da sich durch sachverständige Prüfung der Maschinen herausgestellt habe, daß die Bedingungen nicht erfüllt seien, unter welchen dem Herrn Wagner 100 000 Gulden zugesichert worden, so habe es nunmehr mit diesem Beschluß sein Abkommen“. W. arbeitete trotzdem weiter und hat noch bis 1866 seine Versuche fortgesetzt. Er hat über dieselben im December 1865 der Wiener Akademie der Wissenschaften berichtet. (Erfolge der Bestrebungen, den Elektromagnetismus als Triebkraft nutzbar zu machen. Vorgelegt in der Sitzung der Wiener Akademie der Wissenschaften am 8. Februar 1866. Mit einer Tafel. Sitzungsberichte Bd. 53, Abth. 2, S. 308.) In der schon erwähnten Zeitschrift, dem Frankfurter Gewerbfreund, von welchem 6 Jahrgänge (1838–44), herausgegeben vom Gewerbverein und redigirt von Prof. Boettger (Frankfurt, Sauerländer) erschienen, sind außer den oben erwähnten Beiträgen noch zahlreiche technische Mittheilungen von W. abgedruckt.

Am 20. Juni 1846 schlug der Blitz in das Gebäude der Taubstummen-Anstalt zu Frankfurt a. M. Das Ereigniß gab W. Veranlassung sich mit der Lösung des Problems zu beschäftigen, wie es zu vermeiden sei, daß unvollkommen functionirende Blitzableiter nicht mehr schaden als nützen. Vgl. dazu: Dr. med. W. Stricker, „Ueber Anwendung des Galvanismus zur Prüfung der Blitzableiter (nach Angabe von Herrn J. P. Wagner)“ (Frankfurter gemeinnützige Chronik, 1846, Nr. 18; auch in Dingler’s Polytechn. Journal 1877, S. 265 und in Poggendorff’s Annalen, Decbr. 1846, übergegangen). 1849 war W., damals Director der Gewerbehalle, einer der beiden Commissarien, welche das Reichsministerium des Handels zur Berichterstattung nach Paris sandte. Sein Bericht erschien 1850 bei Sauerländer (143 S.). Die Heizungsvorrichtungen beschäftigten ihn vielfach. Von 1857 an hat er die Weißfrauen-, Nikolai- und Peterskirche, die Naumann’sche und die Dondorf’sche Druckerei zu Frankfurt und mehrere Leipziger Etablissements mit zweckmäßigen Heizungsvorrichtungen versehen. Von 1840–78 war W. Inspector der in der Stadt Frankfurt bestehenden Dampfmaschinen. Zum letzten Mal hat er am 7. October 1878 eine solche Besichtigung vorgenommen. Von da an nahm seine Schwäche zu und eine kurze Krankheit führte den Tod des rastlos thätigen, in seiner Einfachheit liebenswürdigen Mannes herbei.

Nekrolog des Herrn J. P. Wagner von Dr. med. W. Stricker im Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. für das Rechnungsjahr 1878–1879. Frankfurt a. M. 1880. – Poggendorff, Biographisch-litterarisches Handwörterbuch. Leipzig 1863. – Wilhelm Stricker, Die Geschichte der Heilkunde und der verwandten Wissenschaften in der Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt a. M. 1847.