Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Steinbeis, Ferdinand“ von Rudolf Krauß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 789–791, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steinbeis,_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 05:18 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Stegmann, Karl David
Band 35 (1893), S. 789–791 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ferdinand von Steinbeis in der Wikipedia
Ferdinand von Steinbeis in Wikidata
GND-Nummer 11906135X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|789|791|Steinbeis, Ferdinand|Rudolf Krauß|ADB:Steinbeis, Ferdinand von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11906135X}}    

Steinbeis *): Ferdinand St. wurde am 5. Mai 1807 zu Oelbronn (württ. O.-A. Maulbronn) als Sohn des dortigen Pfarrers geboren; seine Mutter war eine Schwester des Dichters Justinus Kerner. Die Kinderzeit verlebte er theils an seinem Geburtsort, theils in Ilsfeld (O.-A. Besigheim), wohin sein Vater versetzt worden war. Bis zum 14. Jahre wurde der begabte Knabe von dem Vater und verschiedenen Lehrern privatim in alten und neuen Sprachen, wie in Realfächern unterrichtet; gleichzeitig wurde er, da ihm frühzeitig ein praktischer Beruf zugedacht war, in allerlei Handwerk unterwiesen. Seine späteren Lehrjahre führten ihn auf die k. württembergischen Eisenwerke, wo er theils den technischen Betrieb, theils den Bureaudienst der Beamten kennen lernte. Seine Ausbildung vollendete er auf der Universität Tübingen. Er hörte dort mathematische, naturwissenschaftliche und staatswirthschaftliche Vorlesungen, erhielt 1826 den staatswirthschaftlichen Facultätspreis und erwarb sich im folgenden Jahre die philosophische Doctorwürde. Nachdem er das Bergcadetten- und das Dienst-Examen bestanden hatte, erhielt er seine erste Anstellung [790] als Hüttenschreiber im Hüttenwerk Ludwigsthal bei Tuttlingen. Doch verließ er schon 1830 den Staatsdienst wieder, um zunächst den fürstl. Fürstenbergischen Hüttenwerken zu Thiergarten und Immendingen vorzustehen. Seit 1842 leitete er die Stumm’schen Eisenwerke in Neunkirchen und führte dort den Coakshochofenbetrieb ein. Sommer 1848 wurde er von der württembergischen Regierung als technischer Rath an die neuerrichtete kgl. Centralstelle für Gewerbe und Handel berufen, deren Directorium er 1856 übernahm. 1860 wurde ihm die Stelle eines Vorstands der kurz vorher begründeten kgl. Commission für die gewerblichen Fortbildungsschulen übertragen.

In diesen beiden Stellungen entfaltete er bis zum J. 1880 eine emsige, von den schönsten Erfolgen gekrönte Wirksamkeit. Von Natur gut veranlagt, nach der wissenschaftlichen Seite hin vielseitig gebildet, nach der praktischen vorzüglich geschult, dabei thatkräftig und thatenlustig, beseelt vom Streben sich hervorzuthun – war er ganz der Mann dazu, in einer Zeit, da das gewerbliche Leben allenthalben einen gewaltigen Aufschwung nahm, die arg zurückgebliebene Industrie seines engeren Heimathlands in neue Bahnen zu lenken. Er erkannte mit scharfem Blick, wie günstig hier die Elemente für höhere Entwicklung der Gewerbthätigkeit seien, und verstand sie trefflich auszunützen. Es gelang ihm nicht nur, die Production im Lande auf eine bedeutendere Stufe zu heben, sondern auch, neue Absatzgebiete für württembergische Waaren zu finden. Die Verbreitung der württembergischen Industrie im Ausland ist eines seiner entschiedensten Verdienste. Ein besonders geeignetes Mittel dazu sah er in Ausstellungen. Mit Nachdruck vertrat er auf solchen die Interessen der schwäbischen Aussteller. Auf den verschiedenen Welt- und sonstigen Ausstellungen, die er meist als Regierungscommissär und Preisrichter besuchte, war er eine wohlbekannte und angesehene Persönlichkeit. Nach London, Paris, München, Philadelphia, Wien, Moskau pilgerte er der Reihe nach. Auch bei der Eröffnung des Suezcanals im Jahre 1869 war er anwesend. Seine Fürsorge galt dem inneren Gedeihen der württembergischen Industrie so gut wie dem äußeren. An der Gründung des gewerblichen Musterlagers, des jetzigen Gewerbemuseums, war St. in hervorragender Weise betheiligt. 1852 übernahm er die Vorstandschaft des Stuttgarter Gewerbevereins. Namentlich legte er glänzende Proben seines organisatorischen Talents durch Errichtung von Fortbildungsschulen ab. Diese Einrichtungen, zu deren Studium zahlreiche Staaten Commissäre entsandten, dienten anderen Ländern zum Muster. Auch auf die Frauenarbeitsschulen erstreckte sich seine Thätigkeit.

Daneben wirkte St. vielfach als Schriftsteller. Hauptsächlich redigirte er das Gewerbeblatt aus Württemberg (dem württ. Staatsanzeiger beigegeben) von dessen Bestehen (Jan. 1849) bis zu seinem Rücktritt (1880). Auch in sonstige Zeitschriften und Tagesblätter lieferte er Aufsätze. In Buchform erschien 1853 „Die Elemente der Gewerbeförderung, nachgewiesen an der belgischen Industrie“. Unter seiner Leitung entstand auch das große Werk Vischer’s: Die industrielle Entwicklung im Königreich Württemberg und das Wirken seiner Centralstelle für Gewerbe und Handel in ihren ersten 25 Jahren.

Die äußere Anerkennung blieb Steinbeis’ Wirken nicht versagt. Im Lauf der Zeit erhielt er den Präsidenten-, zuletzt den Geheimeraths-Titel mit dem Prädicat Excellenz. Viele württembergische und fremdländische Orden zierten seine Brust. Neben Fürstenhuld wurde ihm auch die Gunst des Volkes zu theil. Er, der zu den populärsten Persönlichkeiten im Lande gehörte, wurde von vier Städten (Ulm, Reutlingen, Blaubeuren, Vaihingen a. d. E.) zum Ehrenbürger ernannt. 1862–1868 saß er als erwählter Abgeordneter des Bezirks Blaubeuren in der zweiten württembergischen Kammer.

[791] St. hatte von den volkswirthschaftlichen Lehren seines Landsmanns Friedr. List den Ausgang genommen, hatte aber allmählich eine Linksschwenkung gemacht und war schließlich zum entschiedenen Vorkämpfer des Freihandels geworden. Als am Ausgang der 70er Jahre die Politik des Reichs sich mit nicht minder großer Bestimmtheit für den Schutzzoll erklärte, glaubte St. seine Grundsätze nicht mit der nunmehr herrschenden Richtung vereinigen zu können und nahm 1880 seinen Abschied. Er siedelte nun nach Leipzig zu seiner dort verheiratheten Tochter über, wo ihm im Kreis der Seinigen ein heiterer Lebensabend beschieden war. Bis an sein Ende im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte bewahrte er dem gesammten öffentlichen, insbesondere dem gewerblichen Leben seine unverminderte Theilnahme. Ließ es sich doch der 82jährige Greis nicht nehmen, 1889 die Fahrt zur Pariser Weltausstellung zu unternehmen. Mit seinem Heimathland blieb er in ununterbrochener Verbindung und stattete ihm bei verschiedenen Anlässen Besuche ab. St. entschlief sanft, ohne von einer Krankheit heimgesucht gewesen zu sein, darum unerwartet am 7. Februar 1893. Seine Leiche wurde von Leipzig nach Ulm übergeführt. An der Seite seiner schon 1876 im Tod ihm vorangegangenen Gattin wurde er am 11. Februar auf dem dortigen Friedhof begraben.

Vgl. das oben erwähnte Buch Vischer’s, ferner die Nekrologe der verschiedenen Tagesblätter im Febr. 1893, namentlich Gewerbeblatt aus Württemberg, 1893, Nr. 7 und Wieck’s deutsche illustrirte Gewerbezeitung, 1893, Nr. 9. – Ausführlicher Nekrolog im Schwäbischen Merkur 1893, Kronik Nr. 54, Abendblatt.

[789] *) Zu S. 689.

WS: Die Seiten 792 bis 796 enthalten ein „Verzeichniß der im 35. Bande der Allgem. Deutschen Biographie enthaltenen, sowie aller in dem Werke nicht an der nach der alphabetischen Reihenfolge ihnen zukommenden Stelle abgedruckten Artikel“, das hier jedoch nicht transkribiert wird.