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Artikel „Volmar, Isaak, Freiherr von Rieden“ von Hermann von und zu Egloffstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 263–269, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Volmar,_Isaak&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:50 Uhr UTC)
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Volmar: Isaak, Freiherr v. Rieden, Staatsmann im Dienste des Hauses Oesterreich, ward geboren im J. 1582 zu Steußlingen, nach anderer Annahme zu Weinsberg in Schwaben als Sohn des herzoglich württemberg. Vogtes Abraham V. Für den weitaus größten Theil seines Lebens sind, da dieses noch niemals zum Gegenstande einer eingehenderen Forschung gemacht worden ist, die vorhandenen Nachrichten ziemlich dürftig, und das Wenige, was wir von ihm wissen, darf nicht einmal als durchweg zuverlässig bezeichnet werden. Sicher ist, daß V. im protestantischen Glauben, dem seine Eltern angehörten, erzogen wurde. Irrthümlich erscheint dagegen die Behauptung, daß er protestantische Theologie studiert habe und eine Zeit lang sogar Prediger gewesen sei, denn im Widerspruch mit ihr steht die Thatsache, daß V. schon 1599, im Alter von siebzehn Jahren, in Tübingen zum Doctor der Rechte promovirt worden ist. Etwa sieben Jahre später, im December 1606, ward er als Professor der Rhetorik an die Hochschule zu Freiburg im Breisgau berufen; er verblieb in dieser Stellung wiederum fast sieben Jahre und widmete sich, abgesehen von seiner Berufsthätigkeit, auch mit Eifer rechts- und staatswissenschaftlichen Studien. Am 23. October 1613 legte er seine Professur nieder, verblieb jedoch fürs erste noch in Freiburg und war daselbst die nächste Zeit hindurch, auf jeden Fall noch bis zum April 1615, als Rechtsanwalt thätig. Späterhin vertauschte er seinen Wohnort mit der Stadt Ensisheim im Elsaß, dem Sitze der vorderösterreichischen Landesregierung, in deren Dienste er eintrat, und bei der er bereits 1621, unter der Statthalterschaft Johann Christof’s v. Stadion, das wichtige Amt eines Kanzlers bekleidete.

An der Spitze der Regierung Vorder- und Oberösterreichs – d. h. der [264] elsässischen, schwäbischen und tirolischen Besitzungen des Hauses Habsburg – stand zu Anfang des 17. Jahrhunderts der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian von Oesterreich, ein eifriger Vertreter der katholischen Restaurationspartei; nach dessen Tode im J. 1618 gelangte an seine Stelle sein Vetter Leopold aus der steierischen Linie des Erzhauses, ein Fürst, der an Eifer für die katholische Sache seinem Vorgänger nichts nachgab. Bei der kirchlichen Richtung der beiden Erzherzöge ist sicher anzunehmen, daß auch V. zu der Zeit, wo er als landesfürstlicher Beamter in ihre Dienste trat, sich bereits vom protestantischen Bekenntnisse losgesagt hatte und zur römischen Kirche übergegangen war. Für sein späteres Leben sollte sein Glaubenswechsel von entscheidender Bedeutung werden und auch ihm, wie so vielen anderen Convertiten, eine glänzende Laufbahn eröffnen.

Wie lange V. in Ensisheim thätig gewesen ist, läßt sich mit Bestimmtheit nicht ermitteln; jedenfalls befand er sich aber noch 1627 in seiner dortigen Stellung. Während der folgenden Jahre hielt er sich, wie wir hören, vorübergehend bei dem Grafen Johann Ludwig von Nassau-Hadamar auf, der in der Folge gleichfalls zur römischen Kirche übertrat und sich dem Dienste des Hauses Oesterreich widmete. Im J. 1630 finden wir V. sodann am Hofe Kaiser Ferdinand’s II., und vermuthlich ist er damals zum Reichshofrathe ernannt worden. Seines Bleibens in der Umgebung des Kaisers war nicht allzu lange. Schon wenige Jahre später wurde er als Präsident der Innsbrucker Hofkammer in den Dienst der vorder- und oberösterreichischen Regierung zurückberufen.

Erzherzog Leopold war inzwischen 1632 gestorben, und an seiner Stelle führte jetzt seine Wittwe, Claudia Felicitas aus dem Hause Medici, von ihrer Residenz Innsbruck für ihren minderjährigen Sohn Ferdinand Karl die vormundschaftliche Regierung. Unter Claudia’s Rathgebern nahm V. zwar nicht die erste, aber doch immerhin allem Anscheine nach eine recht wichtige Stelle ein; Genaueres ist uns allerdings über seine Schicksale während der Amtsführung in Innsbruck, obwol sie mit kurzer Unterbrechung gegen zehn Jahre dauerte, ebenso wenig bekannt, wie über seinen früheren Lebenslauf. Im wesentlichen beschränken sich unsere Nachrichten für den genannten Zeitraum auf seinen Antheil an der hartnäckigen Vertheidigung der Rheinfestung Breisach durch die Kaiserlichen im Herbst 1638, während ihrer Belagerung durch das vereinigte französisch-schwedische Heer unter Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar. Im Auftrage Kaiser Ferdinand’s III., der die Eroberung der Festung durch seine Feinde unter allen Umständen zu verhüten wünschte, war V. zum Commandanten derselben abgeschickt worden, und durch seinen unermüdlichen Zuspruch vor allem soll dieser zum muthigen Ausharren bewogen worden sein, trotz der wiederholten Aufforderungen der Belagerer zur Uebergabe der Stadt und trotz des entsetzlichen Elendes, das schon bald nach dem Beginn der Belagerung in Breisach herrschte. Bei dem feindlichen Oberbefehlshaber erregte Volmar’s Verhalten große Erbitterung; gesteigert wurde sie noch durch Schmähungen, die der Letztere gegen den Herzog gerichtet hatte, und die diesem zu Ohren gekommen waren. Nur mit Widerstreben und auf vielfältiges Bitten ließ sich Bernhard daher nach der Einnahme der Stadt bewegen, auf die Bestrafung jenes erbitterten Gegners zu verzichten.

Die Entsendung Volmar’s nach Breisach beweist, welch’ hohes Vertrauen man in Wien und in Innsbruck auf ihn setzte. Nicht minder ergibt sich dies aus der Thatsache, daß er als Vertreter seines Fürstenhauses an dem Deputationstage theilnahm, der im Februar 1643 zu Frankfurt a. M. zusammentrat, um über gewisse Verbesserungen auf dem Gebiete der Reichsjustiz zu berathen. Noch viel schwierigere Aufgaben als bei den genannten Anlässen wurden jedoch an V. gestellt durch eine Sendung, die man ihm während seines Aufenthaltes in [265] Frankfurt übertrug: im Juli 1643 befahl ihm der Kaiser im Einvernehmen mit Erzherzogin Claudia, sich sofort als Vertreter des kaiserlichen Hofes zu den Verhandlungen über den allgemeinen Frieden zu begeben, die gerade damals in Osnabrück und Münster eröffnet wurden. Der Weisung des Kaisers leistete V. ohne Zögern Folge, und am 8. September traf er in Münster, seinem Bestimmungsorte, ein. Gleichzeitig mit ihm erschienen am Congreß auch die übrigen kaiserlichen Bevollmächtigten, in Osnabrück der Graf Auersperg, später durch den Grafen Lamberg ersetzt, und der Reichshofrath Crane, in Münster Graf Johann Ludwig von Nassau-Hadamar, derselbe, mit dem V. bereits früher in Beziehung gestanden hatte.

Was den Letzteren betraf, so wußte er sich, obwol ursprünglich nur zum Amtsgehilfen des Grafen von Nassau ausersehen, dennoch so hervorzuthun, daß er ein für seine bescheidene äußere Stellung recht bedeutendes Ansehen erlangte. Seine umfassenden Kenntnisse und seine eifrige Thätigkeit bei den Verhandlungen werden von verschiedenen seiner Zeitgenossen rühmend hervorgehoben. Allerdings kam ihm bei diesem günstigen Urtheil wesentlich die Unfähigkeit der drei anderen Bevollmächtigten zu statten, in deren Händen außer ihm die Politik des Erzhauses in den ersten beiden Jahren nach der Eröffnung des Friedenscongresses ruhte. Einen Vertreter, der den schweren Aufgaben dieser Politik gewachsen, und der auch V. bei weitem überlegen war, erhielt die kaiserliche Congreßgesandtschaft erst im November 1645, als der vertraute Rathgeber des Kaisers und gewiß auch bei weitem der begabteste unter dessen Staatsmännern, Graf Maximilian von Trautmannsdorff, in Münster eintraf, um als „Prinzipalbevollmächtigter“ die Interessen des Kaisers wahrzunehmen. Nach seiner Ankunft endlich wurden die Friedensverhandlungen mit Ernst in Angriff genommen. Von einer eigentlichen Thätigkeit des Congresses war in den beiden Jahren, die Trautmannsdorff’s Collegen bis zu seinem Erscheinen an den beiden Congreßorten zugebracht hatten, überhaupt noch nicht die Rede gewesen. In der ersten Zeit war es das Ausbleiben der Vertreter der auswärtigen Mächte, wodurch der Beginn des Friedenswerkes verzögert wurde. Als diese sich endlich bis zum Frühjahr 1644 eingefunden hatten, traten wieder andere Verhältnisse ein, die den Congreß bei seiner Arbeit hinderten. Es waren dies zunächst lächerliche Rang- und Etikettestreitigkeiten, wie sie uns in jener Zeit so häufig begegnen. Dazu kam ferner, daß die Legaten des Kaisers, durch den günstigen Verlauf des Feldzuges von 1644 ermuthigt, späterhin selbst das Friedenswerk ohne rechten Eifer betrieben in der Hoffnung auf neue glückliche Waffenthaten der katholischen Parteigenossen. Endlich aber wurde von den Kaiserlichen der entschiedenste Einspruch erhoben gegen die Forderung der Kronen Frankreich und Schweden, daß die deutschen Reichsstände als gleichberechtigte Theilnehmer zu den Friedensverhandlungen zugelassen werden sollten.

Die letztere Frage vor allem rief einen überaus erbitterten Principienstreit hervor, und Niemand trat darin mit größerem Eifer als V. den Ansprüchen der deutschen Reichsstände entgegen. Seine Bemühungen waren indessen vergeblich: das Jahr 1645 brachte den Kaiserlichen statt der erhofften Siege schon im Februar die schwere Niederlage bei Jankowitz in Böhmen, und wie den Ausgang des ganzen Feldzuges, so entschied diese Schlacht auch den Streit der Parteien auf dem Congreß zu gunsten der auswärtigen Mächte und ihrer Schützlinge; ohne sich weiter um die Einsprache des Kaisers zu kümmern, sandten die meisten Reichsstände auf die Kunde von dem neuen Mißerfolge der kaiserlichen Waffen ihre Vertreter nach Osnabrück und Münster ab, so daß dem Wiener Hofe schließlich gar nichts anderes übrig blieb, als diese zu den Friedensverhandlungen zuzulassen. Nachdem dann Kurfürst Maximilian I. von Baiern, der eifrigste [266] Förderer des Friedens, die Entsendung Trautmannsdorff’s an den Congreß beim Kaiser durchgesetzt und der Graf sich selbst daselbst eingefunden hatte, konnte das Friedenswerk endlich mit Ernst in Angriff genommen werden. Die Aufgabe, deren Lösung der kaiserliche Hauptbevollmächtigte als erstes Ziel ins Auge faßte, war die Entschädigung der Kronen Frankreich und Schweden. Er hielt es dabei für das Zweckmäßigste, vor allem die nordische Macht durch eine ausgiebige Gebietsabtretung in Niederdeutschland zufriedenzustellen, denn er hoffte so den gefährlichen Gegner von dem Bunde mit Frankreich abzuziehen, dann aber bei den Entschädigungsverhandlungen mit dem Letzteren desto leichteren Kaufes davon zu kommen. Die Thatsache, daß die Ansprüche Frankreichs auf einen werthvollen Bestandtheil des Habsburgischen Hausbesitzes, das österreichische Elsaß, gerichtet waren, ließen ihn dringend wünschen, daß seine Berechnungen sich nicht als unrichtig erweisen möchten.

Der Graf sah sich aber dennoch aufs bitterste darin getäuscht, denn durch die Begünstigungen der Kaiserlichen fühlten sich die Schweden durchaus nicht veranlaßt, ihre Bundesgenossen zur Mäßigung zu bewegen, die Franzosen aber hielten im Vertrauen auf die Fortdauer des schwedischen Beistandes an ihren Ansprüchen hartnäckig fest, und die Bemühungen der Friedensvermittler sowie des Kurfürsten von Baiern in ihrem Interesse konnten sie in ihrer Begehrlichkeit nur bestärken. Von Seiten der Kaiserlichen wurden die französischen Entschädigungsforderungen unter dem Drucke der mächtigen spanischen Partei am Wiener Hofe sowie der Vertreter Spaniens in Münster lange Zeit hindurch standhaft verweigert, unter den Mitgliedern der kaiserlichen Congreßgesandtschaft aber war es vor allem V., der im engen Anschlusse an die Spanier die Abtretung des Elsaß an Frankreich mit Heftigkeit bekämpfte. Eine besondere Verpflichtung hierzu erblickte er in seiner Stellung im Dienste der Erzherzöge von Tirol, deren Hausinteressen zu wahren ihm von seiner Herrin ausdrücklich anbefohlen worden war. In der That wurden Claudia und ihre Kinder durch den Verlust des von Frankreich beanspruchten Gebietes schwer geschädigt, und ihr Widerstreben gegen die feindlichen Forderungen war daher wohl zu begreifen. Dem Gesammthause Habsburg bot jedoch deren Erfüllung die einzige Aussicht, aus seiner augenblicklichen Bedrängniß herauszukommen, und von Trauttmannsdorff wurde auch die Nothwendigkeit, das Elsaß dem Erbfeinde als Preis des Friedens zu opfern, auf die Dauer nicht mehr verkannt. Kein Wunder daher, daß zwischen ihm und den Bevollmächtigten von Spanien mit der Zeit eine ernste Verstimmung eintrat und daß auch V. als deren eifriger Parteigänger sich oft in Meinungsverschiedenheit mit seinem Vorgesetzten befand. Zu einem wirklichen Zerwürfniß zwischen den Beiden ist es allerdings, soviel wir wissen, nicht gekommen. Bei der Eigenart Volmar’s würde dies freilich nicht überraschen können, denn selbst sein erklärter Gönner, der spanische Hauptbevollmächtigte Graf Peñaranda hatte trotz alles Wohlwollens doch an ihm auszusetzen, daß er sich allzu leicht zur Heftigkeit und Unbesonnenheit hinreißen lasse. Wie sehr aber V. diesen Vorwurf verdiente, zeigt die feindselige Haltung, die er kurz vor Trauttmannsdorff’s Eintreffen am Congreß den Vertretern des Kurfürsten von Baiern gegenüber beobachtete. Selbst der Kaiser fühlte sich durch dies Benehmen Volmar’s peinlich berührt, und in der Besorgniß, daß die Gehässigkeit seines Legaten den mächtigen Verbündeten verletzt haben könnte, sprach er nicht allein diesem sein Bedauern darüber aus, sondern unterließ auch nicht, V. selbst noch einen Verweis zu ertheilen.

Die Rücksicht auf den Kurfürsten Maximilian war es auch vor allem, die den Kaiser bewog, dessen unablässigem Drängen schließlich nachzugeben und trotz des Widerspruches der Spanier dennoch der Krone Frankreich die gewünschten [267] Zugeständnisse zu gewähren. Am 13. September 1646 schloß Trauttmannsdorff mit deren Vertretern ein vorläufiges Abkommen, worin ihren Ansprüchen im weitesten Umfange Rechnung getragen wurde. Für V. war dies nach allen seinen Gegenbemühungen ein schwerer Schlag; allerdings gelang es ihm wenigstens, für den Verlust an Land und Leuten die Zusicherung einer angemessenen Geldentschädigung für die tiroler Linie durchzusetzen.

Durch diese Vereinbarung zwischen den Kaiserlichen und Franzosen war das Friedenswerk wesentlich gefördert worden; freilich blieb der kaiserlichen Politik jetzt noch die schwierige Aufgabe zu erfüllen übrig, auch mit den andern Gegnern des Kaisers die Unterhandlungen zum gewünschten Abschlusse zu führen. Wie zu erwarten, entwickelte V. bei diesen ebenso wie bisher im Verein mit den übrigen Vertretern des Kaisers am Congreß eine eifrige Thätigkeit und erlangte im Laufe des nächsten Jahres auch wieder maßgebenden Einfluß unter seinen Collegen. In den Friedensverhandlungen war inzwischen im Frühjahr 1647 eine neue verhängnißvolle Wendung eingetreten, denn im Hinblick auf die überaus ungünstigen Friedensaussichten hatte sich Kurfürst Maximilian von Baiern von dem Bunde mit dem Kaiser losgesagt und am 14. März 1647 zur Rettung seines vom Kriege furchtbar heimgesuchten Landes mit Schweden und Frankreich einen Neutralitätsvertrag abgeschlossen. Durch den Abfall dieses mächtigsten Waffengefährten des Erzhauses wurden dessen Feinde mit einem Schlage Herren der politischen Lage, und da sich ihr Uebergewicht alsbald in ihren maßlosen Friedensforderungen fühlbar machte, so gab Trauttmannsdorff, ohnehin durch ein hartnäckiges körperliches Leiden in seiner Thatkraft gehemmt, die Hoffnung auf, mit den Feinden sich zu verständigen. Am 6. Juni 1647 begab er sich von Münster hinweg und kehrte an den kaiserlichen Hof zurück.

Seine Abreise führte zunächst einen längeren Stillstand in den Friedensverhandlungen herbei; erst im October 1647 wurden dieselben wieder aufgenommen. Kurz zuvor war es dem Kaiser gelungen, das Bündniß mit Maximilian von Baiern zu erneuern und so die Uebermacht seiner Feinde zu brechen. Mit diesem Erfolge belebten sich am Wiener Hofe ebenso wie bei dessen Bevollmächtigten am Congreß von neuem die Hoffnungen auf einen günstigen Ausgang des Krieges, und in der Haltung der Letzteren trat dieser Wechsel in der Stimmung auch deutlich zu Tage. Dem Grafen Trauttmannsdorff war selbst von der Gegenpartei das Lob einer maßvollen und versöhnlichen Gesinnung nicht versagt worden: über die jetzigen Vertreter des Kaisers bei den Friedensverhandlungen lautete das Urtheil um so ungünstiger. „Die Kaiserlichen“, schrieb der schwedische Bevollmächtigte Johann Oxenstierna zu Anfang des Jahres 1648, „bilden sich ein, sie haben gewonnenes Spiel und sind deshalb in allen Dingen gewaltig großthuerisch“. Sein Vorwurf traf vor allem V., denn, wie schon angedeutet, war er seit Trauttmannsdorff’s Abgang wieder recht eigentlich die Seele der kaiserlichen Politik in Münster geworden, und von ihm waren die erhöhten Forderungen ausgearbeitet, die bei den Feinden so lebhaften Widerspruch hervorgerufen hatten.

Glaubte man indessen im kaiserlichen Lager, durch stolzes Auftreten mehr zu erreichen, als Trauttmannsdorff durch sein Entgegenkommen erreicht hatte, so erwies sich dies als eine schwere Täuschung. Weder die auswärtigen Mächte dachten daran, ihre Ansprüche zu ermäßigen, noch waren die deutschen Reichsstände gewillt, aus Rücksicht auf die Kaiserlichen die Leiden des seit beinahe dreißig Jahren währenden furchtbaren Krieges noch länger zu ertragen. Ohne Unterschied des Bekenntnisses schlossen sich die friedliebenden und gemäßigten Elemente unter ihnen zu einer großen Friedenspartei zusammen, und ihr einmüthiges Vorgehen verfehlte umso weniger seine Wirkung, als das Kriegsglück [268] neuerdings dem Kaiser wieder sehr ungünstig geworden war und überdies Kurfürst Maximilian sich auch jetzt wieder mit Erfolg bemühte, den Kaiser durch unaufhörliche Vorstellungen, Bitten und Drohungen zur Nachgiebigkeit zu bewegen. So sahen sich denn V. und seine Collegen im Laufe des Jahres 1648 genöthigt, den Gegnern im Namen des Kaisers ein Zugeständniß nach dem anderen zu machen, und im Herbst war das ersehnte Ziel der Friedenspartei erreicht; trotz des heftigen Widerspruches der Spanier wurde am 24. October 1648 in Osnabrück wie in Münster der Frieden unterzeichnet.

Für das Haus Oesterreich endigten, wie wir sehen, die langen Verhandlungen mit einer empfindlichen Niederlage, und wenn wir erwägen, welch’ bedeutenden Einfluß V., besonders noch in dem entscheidenden letzten Zeitabschnitte, auf die Politik des Kaisers ausgeübt hatte, so werden wir ihn nach einem so geringen Erfolge seiner Thätigkeit gewiß nicht als einen besonders begabten und einsichtsvollen Staatsmann bezeichnen können. Seinem Ansehen an den Höfen von Wien und Innsbruck that freilich der ungünstige Ausgang des westfälischen Friedenscongresses, wie es scheint, keinen Eintrag. Wenigstens deuten auf dessen Fortdauer ebensowol die Auszeichnungen hin, die ihm in der Folge durch die Verleihung des Adels und die Erhebung in den Freiherrnstand zu theil wurden, als auch die politische Thätigkeit, die er später noch im Auftrage des kaiserlichen Hofes ausübte.

Durch das Zustandekommen des westfälischen Friedens ward V. zunächst seiner ehemaligen amtlichen Stellung in Innsbruck zurückgegeben, und wenn sein Wirken in Münster uns selbst bis in seine Einzelheiten bekannt ist, so liegt der folgende Abschnitt seines Lebens wieder umsomehr im Dunkel. Was wir hierüber wissen, beschränkt sich auf seine Beziehungen zu einem Ereignisse, das zu den düstersten in der tirolischen Geschichte gehört und auch auf Volmar’s Andenken einen finsteren Schatten geworfen hat. Es ist das tragische Ende Wilhelm Biener’s, des Kanzlers von Tirol. In den schweren Kriegszeiten während der Vormundschaft der Erzherzogin Claudia hatte sich dieser durch seine Umsicht und Thatkraft hohe Verdienste um das Land ebenso wie um seine Fürsten erworben und stand infolge dessen bei der Regentin in besonderer Gunst. Die Bevorzugung, die ihm, dem Emporkömmling, von Claudia widerfuhr, erregte, wie vorauszusehen. am Hofe vielfach Neid und Mißgunst, und Biener trug auch selbst das seinige dazu bei, sich Feinde zu machen durch die Schroffheit, mit der er die Rechte der Landesherren gegenüber den Ansprüchen der ständischen Gewalten geltend machte, sowie durch sein verletzendes persönliches Verhalten, vor allem durch seine Neigung zum Spott und zur Satire. Der Rücktritt Claudia’s von der vormundschaftlichen Regierung am 9. April 1646 und ihr Tod im December 1648 wurden dem mächtigen Kanzler zum Verhängniß. Bei dem unselbständigen Charakter des jungen Erzherzogs Ferdinand Karl und dem Widerwillen, den er ohnehin gegen Biener hegte, fiel es dessen Widersachern nicht schwer, ihn zu stürzen. Nachdem er aber seines Dienstes entlassen war, wurde er auf Anstiften seiner Gegner unter ganz nichtigen Vorwänden angeklagt, sodann durch ein Verfahren, das jeder Gerechtigkeit Hohn sprach, zum Tode verurtheilt und am 17. September 1651 zu Rattenberg am Inn enthauptet. Unter Biener’s Widersachern befanden sich mehrere, die er vor allem durch boshafte persönliche Angriffe gegen sich gereizt hatte. Auch V. fühlte sich durch eine von dem Kanzler verfaßte gehässige anonyme Schmähschrift verletzt und vergalt ihm die erlittene Kränkung mit dem ganzen Hasse seiner leidenschaftlichen Natur. Von Rachsucht erfüllt, stellte er sich an die Spitze der gegen jenen gerichteten Bewegung, und seine Feindschaft war es auch zum großen Theil, die den Kanzler ins Verderben stürzte. Niemand kann daher härter als V. von [269] dem vernichtenden Urtheil betroffen werden, das die Nachwelt über Biener’s Verfolger gefällt hat.

Der Antheil an der furchtbaren Katastrophe von Rattenberg faßt, wie schon angedeutet, Alles in sich zusammen, was uns für die erste Zeit nach dem westfälischen Frieden über Volmar’s Lebensgang bekannt ist. Erst vom Jahre 1656 an besitzen wir wieder über ihn nähere Kunde, und zwar sehen wir ihn abermals vom Kaiser mit einer wichtigen politischen Sendung beauftragt. Auch jetzt befand sich das Haus Oesterreich wieder in einer recht mißlichen Lage. Der älteste Sohn Ferdinand’s III., Ferdinand Maria, war im Sommer 1654, nicht lange nach seiner Wahl zum römischen Könige, gestorben. und die Ernennung seines jüngeren Bruders Leopold an seiner Stelle stieß auf ernste Hindernisse, da sich kurz zuvor die drei geistlichen Kurfürsten mit einigen anderen mächtigen Reichsständen zu einem großen Bunde vereinigt hatten, der dem kaiserlichen Hofe gegenüber keineswegs eine freundliche Haltung beobachtete, dafür aber desto eifriger um die Gunst der auswärtigen Mächte, besonders der Kronen Frankreich und Schweden, sich bemühte. Den für das Erzhaus so gefährlichen Bestrebungen dieses Bundes erfolgreich entgegenzutreten und Leopold’s Wahl zum römischen Könige durchzusetzen, war Volmar’s Aufgabe, als er vom Kaiser im Frühjahr 1656 als Bevollmächtigter zum Deputationstage nach Frankfurt a. M. entsendet wurde, eine Aufgabe, deren glückliche Lösung fürwahr eine ganz besondere staatsmännische und diplomatische Begabung bedingte. Wie sehr es V. daran gebrach, hatte schon seine Thätigkeit am westfälischen Friedenscongreß deutlich genug bewiesen, und auch bei dieser neuen Sendung zeigte er sich den Schwierigkeiten der politischen Lage durchaus nicht gewachsen. Seine Bemühungen waren umsoweniger vom Glücke begünstigt, als die Krone Frankreich, wie immer, so auch jetzt eine dem Hause Oesterreich feindliche Politik verfolgte und mit ihren Bestrebungen namentlich bei den geistlichen Kurfürsten den günstigsten Boden fand. So kam es, daß, als Kaiser Ferdinand III. am 2. April 1657 starb, die Wahl seines Sohnes noch nicht gesichert war. Nur mit vieler Mühe und großen Opfern gelang dies endlich der habsburgischen Politik im Juli 1658. Das Ende Ferdinand’s III. hat V. nicht mehr allzu lange überlebt. Von dessen Nachfolger wurde er bei dem im J. 1654 als ständig eingesetzten Reichstage in Regensburg zum kaiserlichen Comitialgesandten ernannt und nahm in dieser Eigenschaft daselbst seinen bleibenden Wohnsitz. Am 13. October 1662 beschloß er dort im Alter von achtzig Jahren sein bewegtes Leben. Wie er, haben sich auch mehrere seiner Nachkommen dem Dienste des Hauses Oesterreich gewidmet.

Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich. – Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg i. Br. II, 12, 178. – Egger, Geschichte Tirols II, 394 f. – Seel, Geschichte der gefürsteten Grafschaft Tirol III, 327. – Röse, Herzog Bernhard der Große II, 278. – Droysen, Bernhard von Weimar II, 484 ff. – Koch, Geschichte des deutschen Reiches unter der Regierung Ferdinand’s III. – Isaaci Volmari Diarium sive protocollum tractatuum pacis Westphaliae, ed. Cortreius (enthaltend ein Bildniß Volmar’s). – (Colleccion de documentos ineditos para la historia de España, tomo 82 ff. – Odhner, Die Politik Schwedens am westfälischen Friedenscongreß, S. 120, 218. – Joachim, Die Entwickelung des Rheinbundes vom Jahre 1658. – Přibram, Beitrag zur Geschichte des Rheinbundes von 1658. – Außerdem stand mir auch für die Zeit von Volmar’s Thätigkeit bei den westfälischen Friedensverhandlungen archivalisches Material zur Verfügung.