ADB:Vogel, Johann Christoph (Komponist)

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Artikel „Vogel, Johann Christoph“ von Max Dietz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 112–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel,_Johann_Christoph_(Komponist)&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 15:34 Uhr UTC)
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Vogel: Johann Christoph V., Componist, ward 1756 zu Nürnberg geboren. Seine musikalischen Studien legte er bei dem namhaften Theoretiker Joseph Riepel zurück, welcher ihn die Arbeiten von Graun und Hasse schätzen lehrte und ihn in der Tonsetzkunst gründlich unterwies. Unter den mannigfaltigen Tonwerkzeugen, deren die Musik behufs reicherer Färbung der melodischen Zeichnung sich bedient, zog ihn besonders das Horn an, das er bald geläufig blies. Mit solchen Kenntnissen ausgerüstet, machte er sich 22jährig nach Paris auf und fand zuerst als Secondhornist beim Herzog von Montmorency Anstellung, später als Kammermusiker des Herzogs von Valentinois Verwendung. Hier am Seinestrand schrieb er eine Anzahl instrumentaler Werke, worunter namentlich drei Symphonien für großes Orchester zu nennen sind. Da seine Sachen sich guter Nachfrage erfreuten, benützten findige Verleger diesen Umstand, um unter der Flagge seines Namens unterschobene Compositionen, die gar nicht von ihm herrührten, ins Publicum einzuschwärzen. Der tiefe und nachhaltige Eindruck, welchen Gluck’s erhabene Schöpfungen, die damals im vollen Glanz der Neuheit strahlten, auf ihn machten, erweckten in V. die Lust zu dramatischem Schaffen und führten ihn so seiner eigentlichen Lebensaufgabe zu. Durch seine diesbezüglichen Leistungen hat er einen angesehenen Namen sich verschafft und dauernden Ruhm erworben. So hervorragend auch ihre Vorzüge gewesen, so war seine Fruchtbarkeit in dieser Gattung doch gering, hauptsächlich aus dem Grunde, weil er nur aus Laune schuf und die beste Zeit in regellosem Lebenswandel vergeudete. Insbesondere war er dem Trunke stark ergeben, und diese wüste Leidenschaft soll auch die Ursache seines frühen Hinscheidens gebildet haben. Bloß zwei Opern sind von ihm zur Aufführung gelangt, zu seinen Lebzeiten sogar nur eine einzige „la toison d'or“. Jahre lang hatte er zuwarten müssen, bis die Académie royale de musique, die alter Gepflogenheit gemäß, Mißtrauen gegen das Werk eines in dieser Laufbahn durch Bühnenerfo1ge noch nicht beglaubigten Tonsetzers hegte, zur Inscenesetzung desselben sich bequemte. Sie fand am 5. September 1786 statt. Schon diese Oper offenbart unbeschadet mancher allzu liebevollen Anlehnung an den Stil der „Iphigenien“ die tiefernste Richtung, welche Vogel’s Talent, mächtig angeregt durch die Geniethaten eines Gluck, eingeschlagen hatte. Mit Recht konnte dieser große Meister die dramatische Empfindung, welche in der Partitur durchweg herrscht, rühmen und den Verfasser dieses würdigen Werkes als „seinen ersten Sprößling“ bezeichnen. Noch werthvoller und wirksamer erwies sich die nächste Oper „Démophon“, die am 22. September 1789 vors Rampenlicht trat. Der Componist war indessen am 26. Juni 1788 gestorben. Von echter Begabung zeugt darin vor allem die Ouvertüre, welche Berlioz unsterblich nennt, und die in der That ein ausgezeichnetes Muster ihrer Art bildet. Sie erfreute sich Jahrzehnte hindurch hoher Beliebtheit und ward auch als Schmuck bei den Nationalfesten der Revolution verwendet. Anläßlich der am Marsfelde 1791 abgehaltenen Trauerfeierlichkeiten zu Ehren der bei Nancy gefallenen Officiere wurde sie von 1200 Blasinstrumenten ausgeführt, denen absatzweise 12 Tamtams secundirten. Die meisten übrigen Stücke (Chöre und Arien) zeigen gleichfalls den flugkräftigen Aufschwung, welchen Vogel’s bedeutende [113] Begabung hier genommen. Er wie Salieri waren, ohne darum der Selbständigkeit ganz zu entrathen, treue Schüler Gluck’s. In seinem Geist schufen sie Bühnenwerke. Die markige Entschiedenheit, das hohe zieltreffende Pathos, welche dessen Musikdramen kennzeichnen, findet man in den Hauptscenen auch ihrer Opern.