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Artikel „Unverdorben, Otto“ von Bernhard Lepsius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 735–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Unverdorben,_Otto&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 06:37 Uhr UTC)
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Unverdorben: Otto U., der Entdecker des Anilins, wurde zu Dahme in der Mark Brandenburg am 13. October 1806 geboren, † am 27. December 1873. Die Mutter Elisabeth U., geb. Stuck, die nach dem im J. 1812 erfolgten Tode des Vaters Johann Gottlieb U. dessen Bank- und Materialwaarengeschäft fortführte, ließ dem strebsamen Knaben eine sorgfältige Erziehung durch Privatunterricht zu Theil werden. Die Neigung zu chemischen und pharmaceutischen Dingen, welche wohl durch die Waaren des väterlichen Geschäftes erweckt wurde, veranlaßte ihn, eine höhere Schule zu Dresden zu besuchen und im J. 1824 in das bekannte pharmaceutische Lehrinstitut von Trommsdorff in Erfurt einzutreten. Als er dann seine chemischen Studien in Berlin namentlich unter der Leitung von Heinrich Rose vollendet hatte, [736] kehrte er 1828 nach Dahme zurück, um sich im elterlichen Hause ein eigenes Laboratorium einzurichten. Im J. 1833 übernahm er selbst das väterliche Geschäft, welches er bis zu seinem Tode mit günstigstem Erfolge geführt hat. Zugleich widmete er sich mit Interesse der Landwirthschaft; er kaufte 1848 das in der Nähe gelegene Rittergut Glienig, um es selbst zu bewirthschaften und die daselbst befindlichen ergiebigen Mergelgruben erfolgreich auszubeuten.

Unverdorben’s chemische Arbeiten fallen in die Jahre 1824–1830 und sind sämmtlich in dem Trommsdorff’schen Journal der Pharmazie veröffentlicht; es sind eingehende und sorgfältige Untersuchungen sehr verschiedenartiger Substanzen, wie der Flußsäure, der Mangansäure, der Oelsäure, des Terpentinöls, der Bernsteinsäure, des Quajac- und des Benzoëharzes und anderer Stoffe.

Von besonderer Wichtigkeit sind seine in den Jahren 1826–1828 ausgeführten Untersuchungen über die Producte der trockenen Destillation und über das Verhalten organischer Körper bei höherer Temperatur, denen die Chemie eine Reihe interessanter stickstoffhaltiger Verbindungen verdankt. So isolirte er aus dem sogen. Dippel’schen Oele, welches durch die Destillation von Knochen gewonnen wird, vier später als Pyridinbasen bekannt gewordene neue alkalische Flüssigkeiten.

Auch der Indigofarbstoff wurde einer trockenen Destillation unterworfen und auch hier gelang es ihm, eine eigenthümliche Flüssigkeit abzuscheiden, die von öliger Beschaffenheit war, aber die Eigenschaft hatte, sich mit Säuren zu schön krystallisirenden Salzen zu vereinigen, weshalb er sie mit dem Namen „Krystallin“ bezeichnete. Bald darauf, 1834, fand Runge unter den Destillationsproducten des Steinkohlentheers einen ähnlichen Körper, der mit Chlorkalk eine blaue Färbung gab und deshalb „Blauöl“ oder „Kyanol“ genannt wurde, und im J. 1840 fand Fritzsche beim Behandeln von Indigo mit Natron eine ölige Base, der er nach der portugiesischen Bezeichnung des Indigo den Namen „Anilin“ gab. Endlich gewann Zinin[WS 1] 1842 eine ähnliche Verbindung durch Einwirkung von Wasserstoff auf nitrirtes Benzol, welche er „Benzidam“ nannte. Die Identität dieser vier verschieden benannten öligen Flüssigkeiten wurde im folgenden Jahre durch die classischen Untersuchungen A. W. Hofmann’s über die organischen Basen des Steinkohlentheers nachgewiesen und somit festgestellt, daß U. der erste Entdecker des Anilins ist, eines Oeles, dem die moderne Chemie ihre überraschende Farbenpracht hauptsächlich verdankt.

Poggendorff, Biogr.-literar. Handwörterbuch II, 1159. 1863.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nikolai Nikolajewitsch Sinin (1812–1880); russischer Organischer Chemiker