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Artikel „Undereyck, Theodor“ von Friedrich Wilhelm Cuno in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 279–280, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Undereyck,_Theodor&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:18 Uhr UTC)
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Undereyck: Theodor U., reformirter Theologe aus der Schule des Coccejus, hervorragend als ascetischer Schriftsteller und Förderer des Conventikelwesens, geboren am 15. Juni 1635 zu Duisburg, † am 1. Januar 1693 zu Bremen. Da beide Eltern, der Vater war ein Kaufmann, ihm schon in seiner frühesten Jugend durch den Tod entrissen wurden, so erzog ihn sein Oheim Johann U. Achtzehn Jahre alt hörte er bereits die berühmten Gottesgelehrten der Universität Utrecht: Gisbert Voetius[WS 1], Andreas Essenius und Matthias Nethenus. Diesen hatte er es zu verdanken, daß ein fester Grund in der reinen reformirten Lehre zeitlebens bei ihm gefunden wurde. Dagegen begeisterten ihn die beiden Utrechter Prediger Jodocus von Lodenstein und Justus van den Bogaart, welche mit Eifer co11egia pietatis leiteten und auf ein gottseliges Leben ihrer Zuhörer drangen. Durch dieselben wurde er vor allem in seinem Herzen gründlich zu Gott gezogen, so daß er völlig von der hohen Verantwortlichkeit des Amtes eines Predigers überzeugt wurde und daher öfters mit dem Gedanken damals sich trug, dem gewählten Berufe gänzlich zu entsagen. Von Utrecht wandte er sich nach Duisburg, wo die Coccejaner Martin Hundius und Johannes Clauberg, letzterer zugleich auch Cartesianer, ihn anzogen. Nach bestandenem Examen und nachdem er kurze Zeit als Hauslehrer in Frankfurt zugebracht, trat er im Frühjahre 1658 eine größere Reise nach den Niederlanden an, wo er Coccejus in Leiden hörte, dessen entschiedenster Schüler er von da an wurde. Doch erkannte er auch das Gute an, das Voetius, der Hauptgegner jenes, hätte. Von hier begab er sich nach Genf, wo er mit Labadie bekannt wurde, dann nach Paris, wo er mit Johann Dallaeus sich befreundete, und kehrte im September 1659 über England zurück. Im folgenden Jahre nahm U. die Berufung an die reformirte Gemeinde zu Mülheim an der Ruhr an. Hier fand er einen fruchtbaren Boden für seine gewonnenen Ideen von dem wahren Christenthum, das er gegenüber einem vermeintlich erstarrten Kirchenthume mit Nachdruck in der Kirche wie in Privatversammlungen verkündigte, die er nach dem Vorbilde Lodenstein’s und Labadie’s einrichtete.

Im J. 1668 berief die gottesfürchtige Landgräfin Hedwig Sophie, die [280] Schwester des großen Kurfürsten von Brandenburg, U. nach Kassel, wodurch dieser allerlei Verdächtigungen, die man gegen ihn zuletzt erhoben hatte, als begünstigte er den Separatismus Labadie’s, den er stets entschieden verwarf, entging. Wie sehr er auch Privatversammlungen liebte, so zog er denselben doch eine mit gottseligen Zuhörern gefüllte Kirche vor. Nach Heppe’s Zeugniß war durch U., der in Kassel nur zwei Jahre blieb, der Pietismus am Hofe völlig heimisch geworden. Ihm ist es auch mit zu verdanken, daß der religiöse Jugendunterricht hier zu Lande einen neuen Aufschwung nahm, besonders aber, daß für die Ablegung des Glaubensbekenntnisses vor Zulassung zum Tische des Herrn ein bestimmtes Alter festgesetzt wurde. Aus dankbarer Anerkennung für die freundliche Aufnahme, welche er am Hofe der Landgräfin fand, widmete er 1676 derselben seine Schrift: „Christi Braut unter den Töchtern zu Laodicaea“, 3 Thle. (Hanau 1676), eine vortreffliche doctrinäre Erbauungsschrift. 1670 folgte U. dem Rufe als erster Pastor an die St. Martini-Kirche in Bremen, wo er noch 22 Jahre, bis an sein Ende, in einem höchst segensreichen Wirkungskreise stand. Außer der erwähnten Schrift schrieb er noch einen „Wegweiser der Einfältigen zu den ersten Buchstaben des wahren Christenthums“ (Bremen 1676); „Einfältiger Christ durch wahren Glauben mit Christo vereiniget“ (nach seinem Tode herausgegeben); „Närrischer Atheist entdeckt und seiner Thorheit überzeugt“, und sein Hauptwerk, dessen zweiten Theil zu vollenden er leider durch den Tod verhindert wurde: „Hallelujah, das ist, Gott in dem Sünder verkläret. Oder, des Sünders Wander-Stab zur Erkantnus, Genießung, und Verklärung Gottes, als des höchsten Gutes“ (Bremen 1678, Herborn 1722). Gegenüber dem höchst einseitigen Urtheile Ritschl’s über diese Schrift ist dieselbe als eine, wenn auch im Stile jener Zeit etwas schwerfällig einherschreitend, vorzügliche praktische Dogmatik der reformirten Kirche, in der Form der Coccejanischen Bundesidee anzusehen. Keineswegs aber bewegt sie sich, wie Ritschl schreibt, im Rahmen des individuellen Glaubens. Von der objectiven Lehre der reformirten Kirche hat sich U. nie losgesagt.

Strieder, Hess. Gelehrtengesch. – Rotermund, Brem. Gel.-Lexicon. – Max Goebel, Gesch. d. christl. Lebens in der rhein.-westphäl. Kirche II. – H. Heppe, Kirchengesch. beider Hessen. – A. Ritschl, Gesch. d. Pietismus in der ref. Kirche. – Reitz, Historie d. Wiedergeb. – G. Arnold, Leben der Gläubigen. – H. A. van Kamp, Schloß und Herrschaft Broich.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gisbert(us) Voetius auch: Gijs Voet (1589–1676); reformierter Theologe in den Niederlanden