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Artikel „Uhde, Karl“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 141–143, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Uhde,_Karl&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 06:33 Uhr UTC)
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Uhde: Karl Wilhelm Ferdinand U., Mediciner, wurde am 21. August 1813 zu Hohegeiß geboren, dem höchsten Orte des braunschweigischen Harzes, wo sein Vater, Ferdinand U. († 1856), als Forstbeamter angestellt war; seine Mutter, Karoline geb. Riemann, war die Tochter eines Nagelschmieds und Fuhrherrn in Hohegeiß und auf die Entwicklung des Sohnes von großem Einflusse. Dieser besuchte die Schule seines Heimathdorfes, bis der Vater als „reitender Förster“ nach Seesen versetzt wurde. Da hier die Schule sehr schlecht war, so kam er Ostern 1824 auf das Gymnasium zu Wolfenbüttel, das er Ostern 1834 verließ, um die Universität Göttingen zu beziehen. Hier widmete er sich dem Studium der Medicin und hörte insbesondere bei Langenbeck, Trefurt und Bartling, siedelte dann aber Michaelis 1836 nach Halle über, wo er sich vorzüglich an Krukenberg und Blasius anschloß. Er blieb hier ein Jahr und ging dann nach Zürich, wo er in der chirurgischen Klinik von Locher-Zwingli arbeitete. Am 28. Juni 1838 promovirte er in Freiburg i. Br. zum Doctor der Medicin und begab sich um Weihnachten nach Wien, wo besonders Rokitansky auf ihn von Einfluß war. Von dort kehrte er Ende Juli 1839 nach Braunschweig zurück. Am 6. April 1842 bestand er hier das Staatsexamen „ausgezeichnet gut“, und bald darauf wurde er unter die Zahl der praktischen Aerzte des Herzogthums aufgenommen. Er wandte sich dann zunächst nach Wolfenbüttel, wo er in der herzoglichen Bibliothek von der medicinischen Abtheilung einen Katalog anfertigte. Dann ließ er sich im Juli 1842 als praktischer Arzt in Holzminden nieder. Als im folgenden Jahre Dr. Victor Bruns, der bis dahin Professor am anatomisch-chirurgischen Collegium und Arzt am herzoglichen Krankenhause in Braunschweig gewesen war, nach Tübingen berufen wurde, erhielt U. vorzugsweise auf Betreiben des Stadtdirectors W. Bode, der den Vorsitz im Obersanitäts-Collegium [142] führte und von U. lebenslang als väterlicher Freund verehrt wurde, jene Stellen zugesichert, wenn er sich zuvor durch Reisen in der Chirurgie noch weiter ausbilden wollte. U. ging mit Freuden auf diesen Vorschlag ein und trat sogleich über Göttingen, Marburg, Gießen usw. eine große Studienreise an, auf der er die bedeutendsten schweizerischen, italienischen, französischen, englischen und niederländischen Universitäten besuchte und nicht allein für sein Fach die anregendsten Bekanntschaften anknüpfte. Im Frühjahr 1844 traf er wieder in Braunschweig ein und übernahm nun die Leitung der chirurgischen Abtheilung des herzoglichen Krankenhauses und das Lehramt der Chirurgie am Collegium anatomico-chirurgicum. Bald darauf (30. Mai 1844) vermählte er sich mit Emilie Baumgarten, einer Tochter des Oberlandesgerichtsraths Karl Baumgarten in Wolfenbüttel, mit der er sich schon seit seiner Gymnasialzeit versprochen hatte. Am 14. December 1846 wurde U. zum Professor ernannt, am 29. November 1854 zum ordentlichen Assessor im Obersanitäts-Collegium, am 21. April 1857 erhielt er den Titel eines Medicinalraths, und zum 3. April 1884, wo unter großer Theilnahme der Tag seiner 40jährigen Wirksamkeit am herzoglichen Krankenhause gefeiert wurde, den eines geheimen Medicinalraths. – Uhde’s Thätigkeit ging fast ganz in seinem Berufe auf, den er im weiten und höchsten Sinne faßte. Er zog alles in den Bereich seiner Forschung, wovon er sich Nutzen für sein Fach versprach, und ruhte nicht eher, als bis er die wissenschaftliche Litteratur hier vollständig beherrschte. Aber nicht nur die Erscheinungen seiner Zeit begleitete er mit regem Interesse, sondern er suchte auch mit echt geschichtlichem Sinne die Entwicklung der Wissenschaft rückwärts zu verfolgen, um die Gegenwart voll zu verstehen. Handwerksmäßiger Betrieb oder wol gar materielle Bestrebungen seines Berufs waren ihm innerlich zuwider, er hielt stets das Ideelle im ärztlichen Stande hoch und forderte für ihn Pflege der Wissenschaft, die für ihn selbst eine Lebensbedingung war. So machte er sich denn auch sogleich nach seinem Antritte in Braunschweig an die Ordnung der Bibliothek des Collegium anatomico-chirurgicum und der pathologisch-anatomischen Sammlung; von beiden sind dann später (1865 und 1854) seine Kataloge auf Staatskosten gedruckt worden. Auch begann er bald darauf selbst mit wissenschaftlichen Arbeiten; 1847 erschien seine erste Veröffentlichung, der bald eine lange Reihe anderer – das von Blasius a. a. O. aufgestellte Verzeichniß weist deren 74 auf – folgen sollte. Dabei scheute er vor keiner Schwierigkeit zurück. Als ihn seine Vorarbeiten für den morbus campanus auf fremdsprachliche Quellen führten, lernte er selbst Hebräisch, Syrisch und Arabisch, später auch Sanskrit. Sein Ansehen in der wissenschaftlichen Welt war so bedeutend, daß er 1864 einen Ruf als Professor der Chirurgie nach Bern erhielt, den er jedoch ablehnte. Neben seiner Wirksamkeit im Krankenhause, die er, so lange die Kräfte es irgend zuließen, stets auf das gewissenhafteste ausübte, besaß U. auch in der Stadt eine ausgedehnte Privatpraxis, und daneben zog ihn besonders sein Ruf als hervorragend geschickter Operateur in eine große consultative Thätigkeit, die über die Grenzen des Herzogthums oft weit hinausreichte. Die einzige Ausspannung, die er sich aus seinem anstrengenden Berufe gönnte, war der Besuch der Naturforscherversammlungen und der deutschen Chirurgencongresse, die er selten versäumte. Wer U. näher kannte, schätzte in ihm ebenso wie den Arzt den Menschen, der treue, uneigennützige Gesinnung und ein echt religiöses Gemüth mit geselliger Liebenswürdigkeit und heiterem Humor in sich vereinigte, und groß war die Trauer in weiten Kreisen, als nach längerer Krankheit der Tod seinem Leben am 1. September 1885 ein Ziel setzte. Ihn überlebte außer der Wittwe nur eine Tochter Margarethe, die sich am 28. September 1886 mit dem Professor [143] der Zoologie und Botanik am Polytechnikum zu Braunschweig, Dr. Wilh. Blasius, vermählte.

Vgl. Rudolf Blasius in der Leopoldina, Bd. XXIII (1887).