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Artikel „Uhden, Hermann Ferdinand“ von l. u. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 143–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Uhden,_Hermann_Ferdinand&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 00:15 Uhr UTC)
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Uhden: Hermann Ferdinand U., lutherischer Theologe, wurde am 20. Juni 1812 zu Hamburg geboren. Sein Vater, Johann Gustav Anastasius U. (geb. 1767 zu Zielenzig in der Neumark, † 1823 zu Hamburg), war preußischer Feldprediger gewesen, dann nach der Schlacht bei Jena nach Hamburg gegangen, wo die Verwandten seiner Frau, einer geborenen Uhde (geb. 1779 in Hamburg, † 1860 in Göttingen), einer Cousine von ihm, lebten, und hatte hier ein Institut gegründet. Die Familie nannte sich in Hamburg Uhde und außerhalb Hamburgs meistens Uhden, und so änderten auch unser U. und sein Bruder, als sie von Hamburg nach Preußen gingen, die Schreibung ihres Namens. U. kam Michaelis 1824 auf das Johanneum zu Hamburg, besuchte von Michaelis 1829 an das akademische Gymnasium daselbst und studirte von Michaelis 1830 bis dahin 1834 zu Göttingen, Kiel und Berlin Theologie. In Berlin hatte U. sich besonders an Neander angeschlossen, der ihm seine Freundschaft auch bewahrte, als U. später in seiner theologischen und kirchlichen Stellung andere Wege einschlug. Am 12. Juni 1835 beendete U. in Hamburg das Candidatenexamen. Wahrscheinlich weil er wegen der großen Anzahl der Candidaten, die es damals in Hamburg gab, keine Aussicht auf baldige Beförderung in Hamburg zu haben glaubte, verließ er schon im nächsten Jahre Hamburg; um Ostern 1836 ging er als Hauslehrer zu einem Verwandten, dem Amtsrath Uhden zu Triebel in der Niederlausitz, und von hier um Michaelis 1838 als Hauslehrer nach Berlin. Hier bestand er beide theologische Prüfungen, die zweite im J. 1840, und erhielt sodann durch königliche Cabinetsordre die Rechte eines Inländers. Während seiner Hauslehrerzeit hatte er das „Leben des William Wilberforce in seiner religiösen Entwicklung“ auf Grund der fünfbändigen Lebensbeschreibung Wilberforce’s von seinen drei Söhnen (London 1838) dargestellt, das mit einem empfehlenden Vorwort Neander’s vom 16. August 1839 als Uhden’s Erstlingsarbeit (Berlin 1840 bei Besser) herauskam. Wegen dieser vorangegangenen Beschäftigung mit den kirchlichen Zuständen Englands war U. nicht unvorbereitet, als er im Herbste des Jahres 1841 vom Könige Friedrich Wilhelm IV. zugleich mit dem Prediger (späteren Consistorialrath) Otto v. Gerlach, dem Geistlichen am Cadettencorps (späteren Hofprediger) Adolf Sydow und dem Hofbaurath Friedrich August Stüler nach England gesandt wurde, um überhaupt über das kirchliche Leben in England, insbesondere aber über die Art, wie neue Pfarrsysteme in England gegründet würden, dem Könige zu berichten (vgl. A. D. B. IX, 21; XXXVI, 742; XXXVII, 276). U. verweilte auf dieser Reise etwa fünf Monate in London, vier Wochen in Schottland und zwei Wochen in Irland; außerdem bereiste er das übrige England und machte die Rückreise über Paris. Im August 1842 kam er zurück. Die „amtlichen Berichte“, die er und seine Reisegefährten „über die in neuerer Zeit in England erwachte Thätigkeit für die Vermehrung und Erweiterung der kirchlichen Anstalten“ erstatteten, erschienen Potsdam 1845 (in der Stuhr’schen Buchhandlung) im Druck. Weitere Früchte dieser Reise sind Uhden’s Schriften: „Geschichte der Congregationalisten in Neu-England bis zu den Erweckungen um das Jahr 1740. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte Nordamerika’s“ (Leipzig 1842, Bösenberg), und „Die Zustände der anglikanischen Kirche mit besonderer Berücksichtigung der Verfassung und des Cultus“ (Leipzig 1843, Tauchnitz); die letztere dieser Schriften erschien im J. 1844 zu London auch in englischer Uebersetzung. Auch sonst war U. in den folgenden Jahren litterarisch thätig; namentlich [144] erschienen in verschiedenen Zeitschriften Aufsätze und Recensionen von ihm. Gegen Ende des Jahres 1843 wurde U. von den Ministerien der Justiz, der geistlichen Angelegenheiten und des Innern, welche gemeinschaftlich über diese neu errichtete Stelle das Patronat ausübten, auf den 1. März 1844 zum Stadtvoigteiprediger ernannt. Er reiste vor dem Antritt dieses Amtes noch zu einem Besuche nach Hamburg, wo er mit seinem Freunde Friedrich Wulff, der Katechet an einem Untersuchungsgefängniß – auch die Stadtvoigtei war ein Untersuchungsgefängniß – gewesen war, über seine bevorstehende Amtsthätigkeit sich berieth; er rühmt selbst später, daß ihm namentlich der Rath dieses Freundes, er solle sich nur um das Seelenheil der Gefangenen bekümmern, von großer Bedeutung gewesen sei. Am 26. Februar 1844 wurde U. ordinirt und am 3. März eingeführt. Ueber seine fast fünfjährige Thätigkeit an der Stadtvoigtei hat U. nach langer Zeit (im J. 1881) eingehende Mittheilungen veröffentlicht („Aus der Stadtvoigtei in Berlin“, Leipzig, Naumann), welche für Seelsorger an Gefangenen ganz besonders lehrreich sind und auch in den weiteren Kreisen praktischer Theologen Beachtung verdienen. Obschon U. der Ansicht ist, daß eine solche Stellung keine lebenslängliche sein dürfe, so würde er doch aus seinem Amte an der Stadtvogtei nicht so früh geschieden sein, wenn ihm nicht wegen seiner Stellung zur Union Gewissensbedenken gekommen wären. Als es ihm nach längerer Zeit peinigender Unsicherheit bald nach den Bewegungen im Frühjahr 1848 nicht mehr zweifelhaft war, daß, wie er selbst sagt, „die dermalige Kirchenregierung in Preußen, wenn sie auch noch eine lutherische Confession bestehen ließ, doch allmählich und sicher die Auflösung der lutherischen Kirche herbeiführen werde“, kam es ihm wie eine Aussicht auf Befreiung vor, daß im November 1848 aus dem Stift Heiligengrabe, einem alten Cistercienser Nonnenkloster in der Ostpriegnitz, das in ein adliges Fräuleinstift umgewandelt war, an ihn die Anfrage erging, ob er bereit sei, das dortige Pfarramt zu übernehmen; Aebtissin und Capitel wollten für die Rechte der lutherischen Kirche eintreten. U. folgte diesem Rufe und legte sein Amt an der Stadtvoigtei nieder. Von Heiligengrabe aus erging nun ein Gesuch an den König, er möge für die Lutheraner in der Landeskirche eine eigene Behörde einsetzen. Es folgten nun Verhandlungen mit U. abseiten des Consistoriums, die ohne Erfolg blieben. Am 9. Mai 1849 forderte das Consistorium ihn auf, seine Amtsfunctionen einzustellen und nur als Gast zu fungiren. Da U. gegen diesen Bescheid Verwahrung einlegte und zu predigen fortfuhr, erließ auf Anfordern des Consistoriums die Regierung eine Verfügung an den Landrath, in Folge deren letzterer durch die Polizeiorgane die Gemeindeglieder vor Betheiligung an einem von U. gehaltenen Gottesdienste warnen ließ. U. wollte die Gemeindeglieder nicht zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit veranlassen und verlegte deshalb die Gottesdienste aus der Stiftskirche in die Abtei. Als dann aber infolge eines Bescheides der Behörde an das Capitel dieses seinen Standpunkt aufgab und bei U. anfragte, ob er sich vom Consistorium bestätigen lassen wolle, entsagte dieser dem Amte. Aufforderungen, die durch zwei königliche Commissarien, den Staatsminister Uhden und den Oberconsistorialrath Snethlage, an ihn ergingen, unter das unirte Kirchenregiment zurückzukehren, blieben erfolglos; U. war in seinem Gewissen gebunden. Er verlebte darauf in Heiligengrabe drei Jahre ohne Amt; im J. 1852 folgte er einer Berufung als Pastor nach Kotelow bei Friedland in Mecklenburg-Strelitz. Schon in Heiligengrabe hatte er Knaben in Pension genommen, meistens solche, deren Eltern in anderen Welttheilen wohnten; und das that er auch in Kotelow. Seit dem 10. April 1845 war er in überaus glücklicher, aber kinderloser Ehe verheirathet mit Johanna Luise Henriette, einer Tochter des Cantors Schimmeyer in Königslutter. In Kotelow, einem vier [145] Gemeinden umfassenden Kirchspiel, wirkte U. in großem Segen und sein Pfarrhaus galt bei allen, die es kennen lernten, als ein ideales. Ostern 1863 ward er zum Präpositus der Friedländer Synode ernannt, infolge dessen seine Thätigkeit eine noch umfangreichere wurde. In späteren Jahren lebte er unter den Geistlichen seiner Synode wie ein allseitig verehrter Vater. Ein harter Schlag traf ihn, als im J. 1883 seine Frau schwer erkrankte; sie starb im Januar 1884 zu Göttingen, wohin sie zu einer Operation gebracht war. Er selbst starb am 11. Juli 1888 in seiner Vaterstadt Hamburg, wohin er gereist war, um dort bei einem geschickten Arzte Heilung von einem Nasenleiden zu suchen. Seine letzte größere Schrift war eine zusammenfassende Darstellung der Gedanken, für die er gelitten und gekämpft hatte: „Die Lage der lutherischen Kirche in Deutschland, kirchengeschichtlich erwogen“, Hannover 1883.

Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart. Bd. VII, S. 446 ff.; der Artikel stammt aus dem Juli 1877 und gibt Uhden’s Schriften u. s. f. deshalb nicht vollständig an.