ADB:Tschabuschnigg, Adolf von
[696] wo er 1836 nach Triest kam. Seit 1844 functionirte er als Rath beim Stadt- und Landgerichte in verschiedenen Zweigen der Rechtspflege in Klagenfurt, 1850 zum Oberlandesgerichtsrath befördert, als welcher er die ersten Schwurgerichtssitzungen in Kärnten eröffnete. 1854 wurde er mit gleichem Range nach Graz, 1859 als Hofrath zum obersten Gerichtshof in Wien versetzt. Neben diesem Aufrücken als Beamter lief eine rege politische Thätigkeit her, die ihn namentlich 1848 als Vertrauensmann seiner Mitbürger bei den Wiener Berathungen über Verfassungs-, Verwaltungs- und Justizreformen, seit Beginn der constitutionellen Aera 1861 als Vertreter des Großgrundbesitzes im kärtnerischen Landtage und im österreichischen Abgeordnetenhause, als unbeugsamen Vorkämpfer eines gemäßigten Fortschritts, besonders humaner Verbesserungen in Gesetzgebung und innerer Geschäftsführung sah. Vom 12. April 1870 bis zum 11. Februar 1871 versah er das Portefeuille der Justiz im Ministerium Potocki, anfangs drei Monate auch das des Cultus. Seit 13. September 1870 Herrenhausmitglied, hat er bis zum Tode hier, wie schon als Abgeordneter und Minister äußerst thätig, mit Freimuth, doch ohne Hast, für moderne Umgestaltung der Strafverordnungen, für staatsbürgerliche und kirchliche Freiheit (so 1870 und 1874 gegen das Concordat) gefochten. Der Schriftstellerei und Bildungsreisen – 1869 bis 1872 nach Norddeutschland und Skandinavien, nach Ungarn und Polen, nach Griechenland, Kleinasien und Aegypten, wie 1836–47 durch Italien, die Schweiz, Nordwestdeutschland, 1849 nach Belgien und Frankreich, 1851 nach den Niederlanden, England und Irland – galt seine sonstige Zeit. Von seiner schönen Villa in Pörtschach am Wörther See, seinem Lieblingsaufenthalte, auf seinen Wunsch nach Wien gebracht, starb der seit einigen Jahren von einem Karlsbader Leiden Gequälte am 1. November 1877. T. war ein edler Charakter und ein gefühlvoller Mensch, insbesondere gegenüber den nächsten Verwandten. An seiner nach 12 Jahren errungenen Gattin Julie, geborenen v. Heufler, und dem hochverehrten, 1840 fünfundzwanzigjährig geschiedenen Bruder Franz, „dem Genossen seiner Bestrebungen, seinem besten, treuesten Freunde“ (so lautet die Widmung zur zweiten Auflage der „Gedichte“), hing er zärtlich.
Tschabuschnigg: Adolf Ignaz Ritter v. T., österreichischer Politiker und Dichter, wurde am 20. Juli 1809, aus einer alten kärtnerischen, 1715 in den Reichsritterstand erhobenen Familie (deren bairischer Ast sich Zabuesnigg schreibt), als älterer Sohn des landständischen Secretärs Karl Leopold Emanuel zu Klagenfurt geboren. Nachdem er das Gymnasium und das treffliche Benedictinerlyceum daselbst absolvirt hatte, bezog er 1826 behufs des Rechtsstudiums die Wiener Universität. Er kam dahin mit zweierlei tieferen Gemüthseindrücken. Oeftere Krankheiten in dem innig zusammenhängenden Familienkreise hatten ihm früh manche traurige Erkenntniß nahegebracht, während andererseits die eben hierdurch geweckten und durch lebhafte Naturanlagen genährten dichterischen Ergüsse in den letzten Gymnasialclassen im Wetteifer eines jugendlichen litterarischen Cirkels spornenden Beifall ernteten. Den beherrschenden elegischen Hauch löste infolge des Umblicks in den ungewohnten weiteren Verhältnissen der Skepticismus ab, der seitdem, stets zum Zweifeln, leicht zum Regieren geneigt, seine litterarische Weltanschauung bestimmte. Sein Studieneifer, der auf die richterliche Laufbahn hinzielte, beschränkte freilich die Pflege der Poesie auf gelegentliche lyrische und novellistische Beiträge zu Unterhaltungsblättern und Almanachen; übrigens redigirte er den I. Jahrgang des Wiener Taschenbuchs „Immergrün“ (1837) selbst. Die Julirevolution wirkte nachhaltig auf sein harmloses Studentendasein: er entnahm dem Polenaufstande den Anlaß zu einem kleinen Roman „Das Haus des Grafen Owinski“, sammelte seine „Gedichte“ und ließ aus Rücksicht auf die Censur ersteren 1832 als „von A. V. T. Süd“ zu Dresden, letztere zu Leipzig erscheinen, beschloß aber auch seine akademischen Vorbereitungen als Jurist und trat Frühjahr 1832 in den Staatsdienst, und zwar in der Vaterstadt, vonAuf den Höhepunkten seines politischen Auftretens, 1848–52, 1862–63, 1872–73 hat T. Zeitungsartikel über einschlägige Tagesfragen veröffentlicht. Im übrigen betraf sein litterarisches Schaffen die Gebiete der Reiseschilderung, der Lyrik, der Prosaepik. Lembert’s „Telegraph“ enthielt schon 1836 Tschabuschnigg’s „Skizzen aus Triest“, 1837 „Reisebilder aus dem Küstenlande und dem Venetianischen“, die Klagenfurter „Carniolia“ 1839 „Berner Oberland. Ein Reisebild“ und „Italienische Studien“, die mit jüngeren Skizzen 1842 zu einem „Buch der Reisen“ vereinigt wurden, sämmtlich ebenso wie eine spätere Serie verständnißvoll und fesselnd geschrieben. Die lyrische Ausbeute seines Lebens liegt in der Sammlung „Gedichte“ (4., vermehrte Auflage 1872), „Aus dem Zauberwalde. Romanzenbuch“ (1856) und der mit daraus wählenden „Nach der Sonnenwende“ (1876; Reclam’s Universalbibliothek) vor. Sie zeigen ihn Sprache und Vers geschickt handhaben, in der Form zu Einfachheit, oft sogar zu volksthümlicher, im Ausdruck je nach dem Gegenstande zu größerer oder geringerer Klang- und Bilderfülle und zu vertiefter Reflexion neigend. Die Grundstimmung ist, anfängliche ironische Töne in der Art H. Heine’s abgerechnet, dessen ältesten Nachahmern T. beizählt, überall ernst, nicht selten feierlich, wo politische Themata anklingen, sogar begeistert und natürlich ausgesprochen liberal, doch ohne aufdringliche Tendenz, und hier – man vergleiche z. B. in der jüngeren Auswahl „Deutscher Brauch“ oder aus den „Gedichten“ „Das neue Märlein vom deutschen Kaiser“ – äußert sich auch einmal das Nationalitätsbewußtsein in T., das er als Staatsmann in dem polyglotten Kaiserstaate aus [697] praktischen Gründen der Versöhnlichkeit immer eindämmte, hingegen als Minister 1870 durch energische Befürwortung einer strengen und bewaffneten Neutralität durchschimmern ließ. Die Stoffe entlehnt er gern und mit schönstem Erfolge alter, besonders mittelalterlicher Sage und dem Schicksale streitbarer Geisteshelden; aber auch die Wiedergabe rein seelischer Empfindungen, an eigene Erlebnisse angelehnt, steht nicht vereinzelt. Am fruchtbarsten bekundete sich Tschabuschnigg’s litterarisches Talent in der Novelle und größeren Erzählung, und hier, wo er mit viel Glück, früher auch mit carikirender Laune sociale Strömungen der Gegenwart aufzufangen und widerzuspiegeln suchte, hat er auch Hervorragendes geleistet. Allerdings wuchert bisweilen das kritische Gelüste so üppig, daß die Handlung ganz verloren geht, so in dem bedeutenden Werke „Der moderne Eulenspiegel“ (1846). Außer diesem sind in erster Linie nennenswerth: „Die Ironie des Lebens“ (1842), „Die Industriellen“ (1854; 2. Ausgabe 1876), „Grafenpfalz“ (1862), „Sünder und Thoren“ (1875), „Große Herren, kleine Leute“ (1877). Letzterer zweibändige Roman erschien als 5. und 6. Band einer 1876 begonnenen, aber mit Tschabuschnigg’s Ableben stockenden Ausgabe der „Gesammelten Werke“ (I–VI, Bremen 1876–77).
Ausführlichen Bericht über den äußeren Lebensgang, allerlei Familien- und Privatverhältnisse, die Bibliographie der Bücher und Aufsätze und deren Aufnahme bei den Zeitgenossen, vielfach auf Grund persönlicher Bekanntschaft, liefert Wurzbach im „Biograph. Lex. des Kaiserth. Oesterreich“, 48. Band (1883), S. 3–21. An seine Daten, die sehr genau sind (nur S. 4b lies: Hell’s „Abendzeitung“ statt „Abendblatt“; vgl. S. 11b und 14a) schließt sich dieser Artikel wesentlich an, alle dort gebotene monographische Litteratur zu wiederholen verzichtend. Was Brümmer, Lex. der dtsch. Dichter und Prosaisten des 19. Jahrh. II, 414 f., wider Wurzbach oder über ihn hinaus mittheilt, ist mit Vorsicht aufzunehmen. Zu den älteren Prosadichtungen vergleiche man W. Menzel (vgl. Wurzbach S. 12b), Gesch. der dtsch. Dchtg. III, 397. Wenn Schröer, die dtsch. Dchtg. des 19. Jahrh. S. 249 sagt, Tschabuschnigg’s Gedichte „zeugen von feinem Geschmack und hoher Bildung“, so ist dies Urtheil eher auf die prosaischen Schöpfungen anzuwenden, die Schröer trotz seiner daneben stehenden Vertröstung im weiteren nicht erwähnt. Joh. Scherr, der Tschabuschnigg’s Prosa sympathisch gegenüberstehen müßte, kennt ihn (Allg. Gesch. d. Litt.5 II, 301) nur als „Lieder- und Romanzensänger“ (wie Schröer a. a. O., S. 296). P. Freih. v. Herbert, A. Ritter v. T. (Klagenfurt 1878), eine gute biographische Skizze mit Charakteristik auf 26 Seiten, blieb Wurzbach unbekannt. Vgl. auch Gottschall, D. dtsch. Nationallitt.6 II, 369, III, 159, IV, 842.[1]
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 697. Z. 16 v. u.: Vgl. J. Kehrein, Biographisch-literarisches Lexikon kath. Dichter II, 213 f. [Bd. 45, S. 674]