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Artikel „Tittmann, Karl Christian“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 387–388, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tittmann,_Karl_Christian&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 16:16 Uhr UTC)
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Tittmann: Karl Christian T., evangelischer Theologe, † 1820. – T. hat sich als Moralschriftsteller im akademischen Lehramte und als praktischer Geistlicher in hohen Kirchenämtern vortheilhaft bekannt gemacht. Er wurde im Jahr 1744 zu Großbardau bei Grimma als Sohn eines dortigen Predigers geboren. Auf der Fürstenschule zu Grimma 1756–1762 vorgebildet, studirte er zu Leipzig, hauptsächlich unter Ernesti, und promovirte 1766 daselbst als Magister. Im folgenden Jahre wurde er Katechet an der Peterskirche in Leipzig, 1770 aber Diakonus in Langensalza. Trotz seiner praktischen Thätigkeit beschäftigte er sich weiter mit der wissenschaftlichen Theologie, so daß er 1773 einen nicht unbedeutenden „Tractatus de vestigiis Gnosticorum in Novo Test. frustra quaesitis“ (Lipsiae, 8°) veröffentlichen konnte. Auf Grund seiner litterarischen und homiletischen Tüchtigkeit erhielt er 1775 einen Ruf als Professor der Theologie nach Wittenberg, wo er zugleich Propst der Schloß- und Universitätskirche und Consistorialassessor wurde. 1784 rückte er zum ersten Professor der Theologie und zum Generalsuperintendenten auf. 1789 folgte er einem Rufe als Oberconsistorialrath, Pastor und Superintendent nach Dresden. In diesen Stellungen wirkte er bis an seinen Tod (6. Dec. 1820), nachdem er die Freude gehabt, seinen Sohn Johann Aug. Heinr. Tittmann (s. d.) an der sächsischen Landesuniversität Leipzig als gefeierten Lehrer der Theologie wirken zu sehen. – Als Denker stand T. in der Mitte zwischen dem Eudämonismus der Aufklärung und dem Kantischen Moralismus. Auf diesem Standpunkte, ein Schüler Ernesti’s, hat er sein Hauptwerk „Christliche Moral“ abgefaßt. Sie erschien (Leipzig) 1783 in 8°, erlebte 1785 eine zweite und 1794 eine dritte Auflage; sie war geschrieben „nach den Vorschriften und dem Muster Jesu“, in der dritten Auflage in der Absicht, die Mitte zu halten zwischen der schlaffen Nachgiebigkeit einer leichtsinnigen und der allzugroßen Strenge einer überspannten und raisonnirenden Philosophie“. Auf dem praktischen Gebiete hat er sich sodann erfolgreich bemüht, die bis dahin in Gebrauch gewesenen [388] Gesangbücher und Agenden in seinem Sinne umzugestalten, ein Unternehmen, das nach unserm heutigen, geschichtlich gebildeten kirchlichen Geschmacke nicht als ein fruchtbares beurtheilt werden kann; es ist die Zeit der „Verwässerung“ der evangelischen Gesangbuchlieder, wo die classischen Dichter unsrer Nation ihre Meisterwerke schufen, während die evangelischen Geistlichen in ihren Gesangbuchredactionen davon unberührt blieben und die geschmacklosesten Reimereien in die Gemeinden brachten. Von T. ist hier zu nennen sein „Wittenbergisches Gesangbuch“ (Wittenberg und Zerbst 1788, gr. 8°, 2. Aufl. 1792, 3. Aufl. 1796); „Gebete und Andachtsübungen dazu“ (ebendas. 1788, 2. Aufl. 1792); „Dresdnisches Gesangbuch“ (Dresden 1797); „Gebete und Andachtsübungen dazu“ (1797); „Gebete zum Gebrauch bei dem öffentlichen und häuslichen Gottesdienste“ (ebendas. 1811); „Kirchenbuch für den evangelischen Gottesdienst der Königlich Sächsischen Lande, auf allerhöchsten Befehl herausgegeben“ (Dresden 1812–1813, 2 Theile in 4°, der 2. Theil auch mit dem Titel: „Neue Sächsische Kirchenagende“, ebendas. 1813 4°).

Die Schriften Tittmann’s, außer den angeführten wichtigeren, sind aufgezählt bei Döring (s. unten) S. 494 f.; wir erwähnen hier als nächstwichtigstes Werk nur noch seinen Commentar zum Johannesevangelium, den er 1816 unter dem Titel: „Meletemata sacra sive Commentarius critico-exegetico-dogmaticus in Evangelium Johannis“ (Lipsiae 8°) veröffentlichte. Sein Bildniß befindet sich in Beyer’s Allg. Magazin für Prediger III, St. 6 (1790).

Vgl. Heinr. Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands u. s. w. IV. (1835), 493–495. – Gust. Frank, Gesch. der hist. Theologie III. Theil (1875) S. 122.