ADB:Tittmann, Johann August Heinrich

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Tittmann, Johann August Heinrich“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 384–385, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tittmann,_Johann_August_Heinrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 38 (1894), S. 384–385 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann August Heinrich Tittmann in der Wikipedia
Johann August Heinrich Tittmann in Wikidata
GND-Nummer 117401501
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|38|384|385|Tittmann, Johann August Heinrich|Paul Tschackert|ADB:Tittmann, Johann August Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117401501}}    

Tittmann: Johann August Heinrich T., evangelischer Theologe, † 1831. Sohn des Dresdener Superintendenten und Oberconsistorialraths Karl Christian T. (s. u.), wurde T. am 1. August 1773 in Langensalza geboren, wo sein Vater damals Diakonus war. Von Privatlehrern vorgebildet, konnte er schon 1778 in Wittenberg, wohin sein Vater 1775 als Propst und Professor übergesiedelt war, Vorlesungen an der Universität besuchen. Geschichte, Philosophie und Theologie umfaßte er nach einander mit besonderem Interesse. Nachdem er 1791 hier Magister geworden, ging er 1792 nach Leipzig und habilitirte sich an der dortigen Universität 1793 mit einer Dissertation „De consensu philosophorum veterum in summo bono definiendo“ in der philosophischen Facultät. 1795 promovirte er als Baccalaureus der Theologie, wurde in demselben Jahre Frühprediger an der Universitätskirche daselbst und begann theologische Vorlesungen zu halten. Da er in seiner Lehrthätigkeit gute Erfolge aufzuweisen hatte, erhielt er 1796 eine außerordentliche Professur der Philosophie, 1800 darauf eine ebensolche in der Theologie; 1805 promovirte er als Dr. theol. und ward ordentlicher Professor in der theologischen Facultät. Als solcher wirkte er in Leipzig bis an seinen Tod am 30. December 1831. – Seine theologische Richtung hielt die Mitte zwischen Rationalismus und Supranaturalismus, sozwar, daß er den positiven Charakter der Offenbarung zu wahren, aber ihn rational zu verstehen suchte, ein rationaler Supranaturalist. Nehme man die Möglichkeit einer Offenbarung an, so sei gar keine Frage, daß sie auch nöthig sei; denn „der Mensch werde stets dasselbe Bedürfniß einer Offenbarung und einer von Gott gestifteten Erlösung als der Bedingung seines Fortschreitens fühlen.“ Daher hat er die höchste Hoffnung des consequenten Rationalismus, daß der Offenbarungsglaube in einen Vernunftglauben übergehen werde, bekämpft und sogar als Consequenz des Rationalismus den Atheismus hingestellt. Seine Gelehrsamkeit war eine ganz hervorragende; auch excellirte er durch ciceronianische Beredtsamkeit. Seine Schriften galten als Leistungen „eines ausgezeichneten Kopfes“, und seine bequeme Handausgabe des Neuen Testaments (1820) fand weite Verbreitung. Auf dem Katheder behandelte er die Fächer der neutestamentlichen Exegese, theologischen Encyklopädie und Methodologie, [385] Kirchengeschichte, Dogmatik, Apologetik, Symbolik und Moral. Als Mensch erfreute er sich allgemeiner Beliebtheit: freimüthig und doch innig religiös, tolerant gegen Andere, im gesellschaftlichen Leben von unverwüstlicher Heiterkeit, allzeit hilfsbereit, ein zuverlässiger College und uneigennütziger Bürger. Interessant ist, wie erfolgreich T. auch im öffentlichen, im staatlichen Leben zu Gunsten seiner Universität, der Stadt Leipzig und des sächsischen Landes gewirkt hat. Unterredungen mit den Kaisern Napoleon und Alexander, mit den Fürsten Repnin und Wittgenstein hat er zu diesem Zwecke gehabt. Als es sich um das Fortbestehen Sachsens handelte, reiste T. selbst nach Preßburg, um für die Stadt und Universität Leipzig einzutreten; auch zum Wiener Congreß begab er sich, um daselbst die Wiederherstellung eines Corpus Evangelicorum anzuregen. Sein Tod wurde vielseitig schmerzlich empfunden.

Schriften: Aus seiner Jugendzeit: „De Virgilio Homerum imitante“ (1788); „De consensu philosophorum veterum in summo bono definiendo“ (1793); „Theologische Encyclopädie“ (1798); „Resultate der kritischen Philosophie“ (1799); „Theokles über den Glauben an Gott“ (1799); „Ideen zu einer Apologie des Glaubens“ (1799); „Theologia recens controversa“ (1800); „Theon, ein Gespräch“ (1801); „Wissenschaftliche Darstellung der christlichen Moral“ (1802); „Lehrbuch der Homiletik“ (1804; 2. Aufl. 1824); „De discrimine disciplinae Christi et Apostolorum“, 3 Dissertationen (1805); „Pragmatische Geschichte der Theologie und Religion während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ (1805; 2. Ausg. 1824); „Institutio symbolica ad sententiam ecclesiae evangelicae“ (1811); „Ueber Supernaturalismus, Rationalismus und Atheismus“ (1816); „Ueber das Verhältniß des Christenthums zur Entwickelung des Menschengeschlechts“ (1817); Ausgabe der symbolischen Bücher (1817); Abhandlung über die Vereinigung der evangelischen Kirchen (1818), „worin sich T. an der eben angeregten Unionsfrage betheiligte, sich aber bei aller verhältnismäßigen Milde gegen die Art, wie dieselbe in Preußen eingeführt werden sollte, entschieden erklärte.“ Auf demselben Standpunkte stand das Programm: „De hodierna Theologiae disciplina ad rationem Lutheri examinanda“; 1820 die Ausgabe des Neuen Testaments, und 1820–1829 folgte eine Reihe von Programmen über neutestamentliche Synonyma; „Die Protestation der evangelischen Stände auf dem Reichstage zu Speyer und die Augsburger Confession“ (1829); „Parallele zwischen der evangelischen Kirche im Jahre 1530 und 1830“ (1830); eine Schrift über Fixirung der Stolgebühren (1831); seine Bearbeitung der Polemik, welche dem größten Theile nach gedruckt war, wurde durch seine zunehmende Krankheit und seinen Tod unterbrochen; eine Sammlung seiner „Opuscula academica“ und die Fortsetzung seiner Dissertationen: „De synonymis“ im Neuen Testament ist 1832 von Becher herausgegeben. – Eine ausführliche Angabe des Wortlauts der Titel aller Werke Tittmann’s befindet sich bei Döring (s. unten) S. 502–504. Das Bildniß Tittmann’s begegnet und in Kreußler’s Beschreibung des Leipziger Universitätsjubiläums (1810) S. 16 und in (C. F. Fiedler’s) Almanach der Universität Leipzig auf das Jahr 1823.

Vgl. Großmann, Rede beim Grabe Tittmann’s gehalten, nebst biogr. Skizze von W. Th. Becher, 1832. – Allg. Kirchenzeitung 1832, Nr. 9 (Nekrolog). – Heinr. Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands u. s. w. IV (1835) 496–504. – E. Schwarz, Artikel in Herzog’s Realencyclopädie, 1. Augl., XVI 174; derselbe in 2. Aufl. XV (1885) 691. – Gustav Frank, Gesch. der prot. Theol., III. Theil (1875), S. 394.