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Artikel „Terzky, Karl von“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 579–582, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Terzky,_Karl_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 05:46 Uhr UTC)
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Terzky: Karl August v. T., als Dichter und Journalist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts thätig und am 4. Juni 1870 zu Wien in dürftigster Lage gestorben, ist eine Persönlichkeit, über deren Namen, Lebenszeit und Lebensereignissen sowie litterarischem Wirken arges Dunkel liegt. Sein wirklicher Familienname soll Tersztyánski v. Nádas gewesen sein, den er im J. 1848, als seine politischen Abenteuer anfingen, bürgerlich, litterarisch schon etliche Jahre früher, gegen Karl T. oder Karl August v. T. eingetauscht hat. Geboren ist er um 1808 oder 1815 in Ungarn, wo? läßt sich nicht ermitteln, und zwar stammt er zweifellos aus einem Geschlechte magyarischer Nationalität. Seine Kindheit und sein Jünglingsalter sind in keiner Hinsicht aufzuhellen, doch mögen auch sie gewiß trüb und aufgeregt gewesen sein; und nur das ist ziemlich sicher, [580] daß er in Wien medicinischen Studien obgelegen und dann daselbst unter dem angenommenen Berufe eines praktischen Arztes sich aufgehalten hat. Schon vor seinem politischen Auftreten begann er mit belletristischen Veröffentlichungen (in deutscher Sprache (ob er die magyarische je handhabte, ist nicht festzustellen): „Toni. Ein Gemälde aus Ungarns Gegenwart“ (Mannheim 1844); „Adolay. Ein Gemälde aus Kaukasiens Gegenwart“ (ebenda 1845); „Der Zeitkrüppel. Ein Wiener Roman von dem Verfasser des ‚Toni‘ und der ‚Adolay‘“ (2 Bde., Zürich 1846); „Ungarische Volkslieder. In einer Auswahl gesammelt und übersetzt“. 1. [einzige] Folge. (Leipzig 1844). Während die erste und die letzte Nummer dieser Reihe, vielleicht auch die zweite, mit dem Namen Anton Vilney (oder Vilnay ?) hervortraten, so lief die dritte, trotz der indirecten Verfassernotiz auf dem Titel, unter dem Namen Karl August v. T. Ob damit die Gemeinschaft des Urhebers und sonach auch der Schicksale der Träger beider Namen bewiesen ist oder ob wir es mit einer Mystification zu thun haben, könnten heute wohl höchstens noch die Geschäftsbücher der Verleger Fr. Bassermann sowie Meyer und Zeller samt Arnold Ruge’s, der die Volksliederproben mit seiner Firma deckte, Papieren, aufklären. Alle seine schönwissenschaftlichen Arbeiten spielen in Ungarn, oder zum wenigsten sind die handelnden Personen Magyaren.

Vom 3. Juni bis 26. October 1848 erschien in einer Reihe von 130 Tagesnummern die „Wiener Gassenzeitung, zur Belehrung des Volkes geschrieben von Terzky“, Format Kleinquart, in ultrarevolutionärem und meistens überaus gemeinem Stile, gegen jede Ordnung hetzend. Mit der Unterdrückung der Wiener Studentenherrschaft durch Windischgrätz vom 31. October ab war auch Terzky’s Rolle zu Ende. Er entfloh, wie die Berichte melden (siehe aber unten!), kehrte heimlich zurück, wurde verhaftet und in Vöslau, darauf in Bruck a. d. Mur internirt. Ein nicht näher bekannter Fremder, angeblich Karl Graf Nádasy heißend, wurde im J. 1853 seitens des Gmundener Bezirkscollegialgerichts wegen mehrerer Unterschleife steckbrieflich verfolgt. In diese Periode seines völligen Verschollenseins fällt wie ein flüchtig matter Sonnenschein eine unlängst aufgedeckte Episode, die wir unten mittheilen. Erst 1857 wurde der betreffende in T. ausfindig gemacht, beim Wiener Landgericht eingeliefert und verurtheilt. Danach versuchte es T. nochmals mit der Schriftstellerei, indem er zum Feuilleton verschiedener Wiener Blätter Beiträge lieferte, von denen flotte Wiener Genrebilder besonderen Anklang fanden. Eine Zeitlang an der Redaction der „Donauzeitung“ betheiligt, sah er darauf mehrere selbstständige Preßunternehmen – die geschickt, aber sensationell redigirte „Glocke“ hielt sich noch am längsten – mißglücken, bis er mit einer politischen Tageszeitung „Neu-Oesterreich“ festen Boden zu fassen schien. Da kam ein neuer und letzter Schlag in Terzky’s plötzlicher Verhaftung 1867, dem Ergebniß der Einklagung einer Buchschuld durch einen seit 1852 unbefriedigt gelassenen Gläubiger. In Nr. 880 der „Neuen Freien Presse“ brachte er seinen Lesern unter „Eingesendet“ eigene Mittheilung darüber aus dem Arrest. Endlich frei, fühlte er den Rest seiner Spannkraft dahin geschwunden und verlebte, unfähig zu erneuter Thätigkeit, die letzten Jahre körperlich und geistig gebrochen und mit einer zahlreichen Familie in arger Noth. 62 Jahre soll er alt geworden sein.

Erst jüngst kam ein Schriftstück zu Tage, das gleichsam ein neues und versöhnendes Licht auf des, und zwar wohl keinesfalls schuldlos hart mitgenommenen Mannes Dasein, insbesondere auf den düstersten Abschnitt des letzteren, wirft und in seinen Einzelheiten hier die schwierige Charakteristik Terzky’s ersetzen mag. Maximilian Treutler, der Redacteur des „Pfälzischen Kuriers“ in Neustadt a. d. H., veröffentlichte in der Nr. (480) vom 12. October 1893 zwei, [581] in viele Journale übergegangene (Norddeutschland z. B. Berl. Tagebl. Nr. 522 13. Oct., 1. Beibl., danach Münch. Neueste Nachr.) Briefe J. V. Scheffel’s an Frau Dr. Rosa Behrends, Tochter des berühmten Demokraten Joh. Georg Wirth, deren ersten, vom 23. October 1854 datirten, der Herausgeber wie folgt einleitet: „Es ist in diesem Briefe von einem Manuscript die Rede, dessen Verfasser sich Wilney nannte; sein wahrer Name ist Tertschanzki. Er war Ungar, betheiligte sich an der Revolution in Deutschland, wurde mit Robert Blum zum Tode verurtheilt, durch Zufall jedoch wenige Stunden vor der Execution begnadigt. Später wandte er sich an Frau Dr. Behrend, in deren väterlichem Hause er verkehrt hatte, mit der Bitte, für die Unterbringung eines seiner Werke bemüht sein zu wollen. Auf dieses beziehen sich die Meinungsäußerungen Scheffel’s.“ Diese selbst lauten: „Ueber das Manuscript Ihres ungarischen, schwer geprüften Freundes kann ich Ihnen heute noch nicht ausführlich schreiben, weil ich noch nicht Zeit und Stimmung finden konnte, es ganz und mit der Sorgfalt, die seinem sozusagen mit dem Herzblut geschriebenen Werk zu zollen ist, durchzulesen. Bis jetzt hat es mir einen seltsamen und meist wehmüthigen Eindruck gemacht, – ich meine das Ringen eines mächtigen Geistes drin zu sehen, der aber von allerhand irdischen Gebrechen und Rückerinnerungen getrübt ist und nur selten die klare Form und den klaren Ausdruck für das, was sein Herz zerpreßt, findet. Es war mir merkwürdig, wie neben einem nobeln, stolzen Denken sich ein zweiter Ton durchzieht – namentlich in Schilderung des Rivalen etc., der eine unangenehme Beimischung von österreichischer Oberflächlichkeit – um nicht zu sagen Trivialität hat. Aber es sind nur einzelne Auswüchse – und ich bin noch weit entfernt, über das Ganze und eine etwaige Zurechtmachung oder Gestaltung ein Urtheil zu haben. Sie werden mir nicht bös sein, daß ich unverhohlen ausspreche, wie ich denke: wenn Sie es noch etliche Wochen in meinen Händen lassen können, so werde ich nach gewissenhafter Prüfung Ihnen genauen Bericht erstatten; fällt er vielleicht herb oder scheinbar unliebevoll aus, so bitte ich zu bedenken, daß ich zwischen dem Antheil, der einem vom Schicksal schwer heimgesuchten Manne gebührt, und dem Maßstabe des allgemein giltigen Schönen und Wahren, der an ein Werk zu legen ist, das in die Hände Dritter kommen soll, unterscheiden muß, wenn ich unparteiisch sein will“. Was dies Werk betraf und wie sein Schicksal war, bleibt unbekannt.

Die Nachrichten über diese seltsame, wiederholt mit dem Schleier der Anonymität, Pseudonymität und des Namenswechsels verhüllte Persönlichkeit lauten stark widerspruchsvoll. Den ersten einheitlichen, wenn auch ganz äußerlichen und kurzen Lebensabriß hat 1888 Frz. Brümmer, Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts, II S. 400 aus den authentischen Biographien, die C. v. Wurzbach in seinem Biograph. Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Bd. 44, 20 f. [daselbst zwei Druckfehler: Meyer und Zeller[1]; 1832 statt 1852] und Bd. 51, 4 f. getrennt von T. und von ‚Vilney‘ liefert, zusammengefügt. Wurzbach verzeichnet an erstgenannter Stelle die wichtigen Momentnachrichten österreichischer Tagesblätter, an zweitgenannter die auch mir wenig hilfreichen Notizen K. M. Kertbeny’s in dessen Bibliografie ungarischer nationaler und internationaler Litteratur (Magyar nemzeti és nemzetközi irodalom könijvészete. 1441–1876; Budapest 1876), I S. 3 Nr. 24 und S. 64 Nr. 146, die übrigens auch wie die in Kayser’s (s. die Ziffern bei Wurzbach) Bücherlexikon enthaltenen bibliographischen Angaben zwischen Vilney und Vilnay schwanken. Wurzbach’s beide Lebensskizzen (denen wir zum Theil wörtlich folgten) nehmen nirgends auf einander Bezug. In Heinsius’ Bücherlexikon steht sowohl Bd. X 2 (1849) S. 376 b [ebd. S. 330 a: ‚Terzky, Carl Aug. v.‘] wie Bd. XI 2 S. 402 Vilney. Für die interessanteste, aber auch fraglichste Epoche gewähren nichts [582] die Specialarbeiten, wo man Aufhellung erwarten sollte, wie in Fr. W. Ebeling’s anmaßender Zur Geschichte der Wiener Journalistik im J. 1848 in dessen: Mosaik. Kleine Schriften zur Geschichte und Litteratur (1867) S. 181–222 (der S. 198 genannte Hrzka, Doctor der Medicin, der Verfasser der beziehentlich gediegensten und mäßigsten Artikel dieses Blattes [der ‚Constitution‘], wie denn sein ganzer Charakter ihm mit Recht die Achtung und Liebe der akademischen Jugend Wiens eintrug, kann nicht mit T. identisch sein) oder J. A. Freiherr v. Helfert, Der Wiener Parnaß im J. 1848 (1882), und desselben gründliche Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener Octoberaufstandes 1848 (im allgemeinen s. daselbst II 310: Diese Art Presse und die Gasse waren wie zusammengewachsen …) Nur bei E. V. Zenker, Geschichte der Wiener Journalistik, II. Das Jahr 1848 (1893), fand ich S. 89 f. die Notiz: „Eine nähere Besprechung einiger anderer Blätter, wie … der ‚Wiener Gassenzeitung‘ des begabten, aber verlumpten Terzky … darf man von mir nicht verlangen. Die demokratische Ansicht löste sich hier in Phrase auf, und die unermeßliche geistige Oede wurde höchstens durch das Röhricht unfläthiger Schimpfereien unterbrochen“. In der von Zenker angehängten statistischen Tabelle steht Terzky’s wüstes Organ auf S. 150 als Nr. 96. L. Scheyrer, Die Schriftsteller Oesterreichs in Reim und Prosa auf dem Gebiete der schönen Litteratur (Wien 1858), sonst ziemlich reichhaltig an Zeitgenossen Terzky’s, kennt ihn nicht.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 581. Z. 13 v. u. l.: Meyer und Zoller. [Bd. 45, S. 674]