ADB:Taute, Gottfried Friedrich

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Artikel „Taute, Gottfried Friedrich“ von Wilhelm Rein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 474–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Taute,_Gottfried_Friedrich&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 12:22 Uhr UTC)
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Taute: Gottfried Friedrich T. wurde geboren in Neidenburg am 26. November 1794. Sein Vater war Arzt, starb 1803 in Warschau. T. wurde in Willenberg und Königsberg erzogen, besuchte das dortige Friedrichscolleg, bezog 1815 die Universität Königsberg, promovirte 1822 mit der Arbeit: „Commentatio de religionum origine ac notione“, die von Herbart als interessant bezeichnet wurde, machte dann große Reisen (1825 wohnte er der Beisetzung Ludwig’s XVIII. in St. Denis bei) und habilitirte sich 1825 auf Grund der Schrift: „De psychologico religionis fundamento“ als Privatdocent [475] der Philosophie. Er scheint im Lehrkörper wenig hervorgetreten zu sein, Extraordinarius wurde er am 15. Mai 1841 und verstarb am 4. Februar 1862, ohne zum Ordinariat gelangt zu sein. – Seine Schriften sind: „De psychologico religionis fundamento“ (Regiomonti 1825); „Die Wissenschaften und Universitätsstudien den Zeitbewegungen gegenüber.“ Eine Rede bei Eröffnung der Sommervorlesungen (1848); „Der Spinozismus als unendliches Revolutionsprincip und sein Gegensatz.“ Rede gehalten d. 16. Okt. 1848 zur Feier des Geburtstages des Königs (Königsberg 1848); „Pädagogisches Gutachten über die Verhandlungen der Berliner Konferenz für höheres Schulwesen vom April und Mai 1849“ (Königsberg 1849); „Religionsphilosophie. Vom Standpunkte der Philosophie Herbart’s“. I. Thl.: Allgem. Religionsphilosophie (Elbing 1840, Leipzig 1852). II. Thl.: Philosophie des Christenthums (Leipzig 1852). Erstes Stück: Grundthatsachen der evangel. Geschichte, zweites Stück: Kritische Erläuterungen und Uebergänge zum Begriffsmäßigen. Das Werk ist unvollendet geblieben. Endlich wäre noch anzuführen, daß T. 1842 herausgab: „Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahre 1837. Von J. Fr. Herbart.“ Ein Posthumum (Königsberg). T. las regelmäßig über Logik und Einleitung in die Philosophie. Er war ein unmittelbarer Schüler und dann College J. Fr. Herbart’s. Wiewol er in allen Stücken sich genau an die Philosophie Herbart’s anschließt, zeigt er sich doch in der Darstellung derselben und in ihrer Anwendung namentlich auf dem Gebiet der Religionsphilosophie als ein selbstständiger, origineller Denker, der, genau vertraut mit der Geschichte der Philosophie und den Bewegungen auf dem Gebiete der Theologie wie der Mathematik und Naturwissenschaft, in einer höchst lebendigen und originalen Schreibart seine Gedanken zur Darstellung bringt. Er vertheidigt u. a. die monarchischen, wie die positiv christlichen Grundsätze auf den Gebieten der Kirche, der Schule und des Staates, stets in vollem Gegensatze zu der spinozistisch-idealistischen Philosophie seiner Zeit.

Sein Hauptwerk ist die Religionsphilosophie. Hier gibt er weit mehr, als der Titel besagt. Das Buch enthält eine ausführliche Kritik der philosophischen Systeme von Anselm[WS 1] an bis auf Hegel, bringt sodann eine gedrängte, sehr in die Sache einführende Darstellung der Metaphysik, der Psychologie und der Ethik im Sinne Herbart’s. Dann erst folgt das Princip der Religion. Er faßt die subjective Religion auf als eine Gedankenmasse, die sich in der Form der Begehrung befindet, die darum zur Anschauung aufstrebt und ihre Befriedigung im Anschauen Gottes findet. Als die drei wesentlichen Bestandtheile der Religion gelten ihm Vorsehung, Versöhnung und Unsterblichkeit. Der zweite Theil beschäftigt sich mit den Verhandlungen über Schleiermacher, Strauß, Neander u. s. w., betreffend die Evangelien und die daraus zu gewinnenden religiösen Begriffe. Sehr eigenthümlich ist dabei, wie er die Herbart’sche Metaphysik zur Erweisung der Möglichkeit der Wunder verwendet.

Daß T. so wenig Beachtung gefunden hat, liegt wol an zwei Umständen. Einmal daran, daß die Herbart’sche Philosophie für viele etwas Unbekanntes oder doch Ungewohntes ist, und zweitens daran, daß die Kritik, wie sie T. an den Religionsphilosophen alter und neuer Zeit übt, durch neuere Darstellungen zugänglicher und leichter verständlich gemacht ist. Der akademische Senat der Albertina hat dem verstorbenen T. in Nr. 33 der Ostpreußischen Zeitung folgenden Nachruf gewidmet: „Er war einer der treuesten Schüler Herbart’s, der über ein Menschenalter mit begeisterter Hingebung und unnachlassender Ausdauer die Lehren des Herbart’schen Systems über alle Zweige der Philosophie vortrug. Als Schriftsteller widmete er sich dem Ausbau der Herbart’schen Philosophie nach der Seite der Religionsphilosophie, die von Herbart selbst nur angedeutet, nicht ausgeführt war. Auch das große Werk, worin T. sie behandelte [476] handelte, ist ihm zu vollenden nicht vergönnt gewesen. Er lebte in fast einsiedlerischer Zurückgezogenheit ganz seinen vielumfassenden Studien und verkehrte nur mit wenigen Freunden. Seine strenge Pflichttreue aber und sein auf hohe Ziele gerichtetes wissenschaftliches Streben werden ihm stets ein achtungvolles Andenken bei seinen Kollegen erhalten.“


Anmerkungen (Wikisource)