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Artikel „Strunck, Delphin“ von Max Seiffert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 665–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Strunck,_Delphin&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 22:17 Uhr UTC)
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Strunck: Delphin St. war einer der ehrwürdigsten Vertreter norddeutscher Orgelkunst im 17. Jahrhundert. Ueber seine Lehr- und Wanderjahre wissen wir, wie bei manchem anderen Kunstgenossen, nur Spärliches. Im J. 1601 (wo?) geboren, war er 1630–32 in Wolfenbüttel an St. Beatae Mariae Virginis Organist; er stand also in unmittelbarem Verkehr mit den Vertretern [666] der Schildt’schen Organistenfamilie. Ueber seinen Aufenthalt in den nächsten Jahren erfahren wir nichts, denn die Angaben einiger Lexika, er sei darnach in Celle gewesen, sind urkundlich nicht erwiesen; erst vom J. 1639 ab, wo ihn die Vorsteher der St. Martinikirche in Braunschweig zum Organisten erwählten, geben die Kirchenbücher genauere Kunde über ihn. Außer freier Wohnung erhielt er 135 Thlr. und 2 Scheffel Roggen als Gehalt. Da unter seinem Amtsvorgänger, Valentin Röther (seit 1617 Organist) das alte Orgelwerk durch ein neues ersetzt war, so hatte St. die beste Gelegenheit, seine „newe vnd verbesserte artt“, seine „besondere Musicalische kunst undt geschikligkeit“ glänzen zu lassen. Auch außerhalb der Kirche geschah dies; wir erfahren, daß er 1646 „E. E. Rath zu ehren eine Musicalische Comediam von der Maria Magdalena auf dem Altenstadrathhause agiret“. Als Braunschweig im Juni 1671 dem Herzog Rudolph August huldigte, componirte St. zu der kirchlichen Feier einen „Musicalischen Glückwünschenden Zuruff“ (vergl. Emil Bagel, Musikkatalog von Wolfenbüttel, 1890, S. 45). Mit besonderer Vorliebe trat er für die Compositionen des ihm befreundeten Heinrich Schütz ein, dessen gedruckte Werke St. in seiner Gegend vertrieb, wie es auch Sam. Scheidt in Halle that. Wol unmittelbar nach seiner Anstellung verheirathete sich St. mit Katharine Marie geb. Stubenrauch; der Ehe entsprossen drei Kinder: Nikolaus Adam wurde am 15. Novbr. 1640, Anna Margarete am 23. Febr. 1643, Christian Friedrich am 28. Decbr. 1653 getauft. Nach Ablauf seines Contractes erklärte St., sein Amt ferner nicht verrichten zu können, wenn man sein unzureichendes Gehalt nicht erhöhte. Der neue Contract vom 31. Juli 1650 gewährte ihm denn eine persönliche Zulage von 15 Thalern, da der Kirchenvorstand den tüchtigen Mann nicht verlieren mochte. Man verpflichtete ihn dafür aufs neue, „sich bei St. Martini für einen Organisten unabsetzlich gebrauchen zu lassen, auch mit Musiciren undt orgelschlagen iedesmahl fleißig aufzuwarten“. Der 1658 abgelaufene Contract wurde jedenfalls in seinem ganzen Inhalt auch ferner aufrecht erhalten, da die Rechnungsbücher als Strunck’s Gehalt bis zu seinem Tode immer dieselbe Summe von 150 Thlr anführen. Kurz vor Michaelis 1667 starb der erst im Mai d. J. an St. Magni in der Altenwik angestellte Organist Esaias Schüler. Zum Nachfolger wurde vorläufig auf ein Jahr St. erwählt, „der sich verpflichtet, daß er seinen Sohn wil anhero senden vndt selber auch fleissig auffsicht haben“. Der Sohn war natürlich der 12-jährige Christian Friedrich, nicht Nikolaus Adam, welcher längst das Elternhaus verlassen hatte. Den im nächsten Jahre nöthig gewordenen und im Februar 1669 beendigten Neubau der St. Magni-Orgel durch den Orgelbauer Friedrich Besser leitete und überwachte St. In den nächsten Jahren wurden St. außer den beiden genannten Orgeln noch drei andere unterstellt, nämlich die zu St. Aegidien, St. Catharinen und St. Andreas; er selbst oder sein Sohn versah den Dienst. An St. Magni war St. verpflichtet, „allemahl den 6sten Sontag die Orgel selber zu schlagen“. Am 28. August 1685 starb Strunck’s Frau, bald auch sein jüngster Sohn. Seine Tochter verheirathete sich wol; denn wir hören von einem Herrmann St., der bis 1706 Organist an St. Aegidien in Hannover war. Die Schicksalsschläge in der Familie und die Beschwerden des herannahenden hohen Alters machten ihn körperlich „fast abgelebt“ und amtsmüde. Am 13. Juli 1688 kündigte er, „weil er Alters halber nicht mehr hat fortkommen können“, den Dienst an St. Magni, den bis Ostern 1689 sein Schüler Stubenrauch (wol ein Verwandter seiner Frau) verwaltete und den dann Heinr. Lorenz Hurlebusch übernahm, ein Schüler A. Kniller’s, A. Coberg’s und Ehrenstein’s. Die übrigen Orgeln waren nach des jüngeren St. Tode längst schon durch jugendfrische Kräfte besetzt. An St. Andreas saß Christoph Blaß (Blaes), ein Schüler Buxtehude’s, an St. Katharinen Joach. Konr. Winckler, an St. Ulrich und [667] Blasius Jakob Bölsche, welchem ebenfalls ein Buxtehude’scher Schüler, Georg Dietrich Leiding, folgte. Im October 1694 wurde St. durch den Tod erlöst; am 12. d. M. fand seine Beisetzung auf dem St. Martinikirchhof statt. Sein unmittelbarer Nachfolger im Hauptamte wurde Blaß, späterhin Hurlebusch. – Für die wichtige Frage nach dem Verhältniß der Orgel zum Gemeindegesang bieten die eben verwertheten Kirchenacten keinen näheren Ausschluß; sie sprechen nur allgemein vom Orgelschlagen. Um so werthvoller sind die Vorschriften der Braunschweig-Lüneburger Kirchenordnung von 1657, um Strunck’s künstlerische Wirksamkeit in der Kirche zu beurtheilen (vgl. G. Rietschel, Die Aufgabe der Orgel im Gottessdienste bis in das 18. Jahrh., Leipzig 1893, S. 59). „In der Sonnabendsvesper soll bei dem Hymnus vor dem Magnificat und bei diesem selbst ein Vers um den anderen auf der Orgel gespielt oder zugleich darinnen figuraliter musiziret oder gesungen werden. Bei dem deutschen Psalm oder Hymnus de tempore in den Hauptgottesdiensten kann der Organist auf der Orgel die Gesänge fein langsam in Contrapuncto mit musiziren.“ Die erhaltenen Orgelcompositionen Strunck’s passen in diesen Rahmen vollständig hinein (man findet sie auf der kgl. Bibliothek zu Berlin, Stadtbibliothek zu Lüneburg, Universitätsbibliothek zu Königsberg). Ein Magnificat noni toni, aus drei Versen bestehend, diente zum Vortrag in den Sonnabends-Vespergottesdiensten. Zu diesen kam Herzog Rudolf August von Wolfenbüttel öfter nach Braunschweig herüber, um den Künstler zu hören, den er als Erbprinz schon schätzen gelernt hatte. Die Choralbearbeitung „Laß mich dein sein und bleiben“ ist so eine Begleitung „fein langsam in Contrapuncto“, ganz im Stile Scheidt’s. Die übrigen Compositionen sind Werke, wie sie zum Präambuliren oder zum Postludiren gebraucht wurden: eine Toccata von mächtiger Ausdehnung und Steigerung in der Heranziehung der gewaltigen Ausdrucksmittel der Orgel; eine breit angelegte Fantasie über den Choral „Ich hab mein’ Sach’ Gott heimgestellt“; drei coloristische Bearbeitungen von Orlandus’ „Surrexit pastor bonus“, Haßler’s „Verbum caro factum est“ und eines Anonymen „Tibi laus, tibi gloria“. St. steht mit seinem Stil, seinen Formen, seinen Ausdrucksmitteln ganz auf dem Boden der norddeutschen Orgelmusik, wie sie in den Werken Scheidt’s, Schildt’s und Scheidemann’s vor uns lebt. Daß diese Männer directen Einfluß auf St. ausgeübt haben, wird auch durch die biographischen Einzelheiten bestätigt.

Von Litteratur über Strunck wäre nur A. G. Ritter, Zur Geschichte des Orgelspiels, zu nennen., der im 2. Band eine Composition veröffentlicht hat. Die musikalischen Lexica bieten nur dürftige Notizen.