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Artikel „Spieß, Heinrich“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 179–180, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spie%C3%9F,_Heinrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:32 Uhr UTC)
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Spieß: Heinrich S., Historienmaler, geb. am 10. Mai 1832 in München als der älteste Sohn des Kupferstechers August S. Obwol anfänglich zum Studium bestimmt, errang das frühreife Talent doch die Erlaubniß zum Uebertritt in die Gewerbeschule, wo Professor Jos. Anton Rhomberg seine Begabung erkannte und zum Eintritt in die Akademie bei Prof. Anschütz vorbereitete. Hier sollte indessen der Junge zu seinem Heile nicht lange bleiben, denn Landschaftsmaler Heinlein empfahl ihn an Wilhelm v. Kaulbach, welcher ihn nicht allein als Zeichnungslehrer für seine Kinder annahm, sondern auch mannichfaltig im eigenen Atelier beschäftigte. So vergrößerte S. unter den Augen des Meisters Kaulbach’s Entwurf zum „Kreuzfahrer“-Carton, auch lieferte er eine Copie des berühmt gewordenen, ein todtes Kind aufwärtstragenden Engels, zur vollsten Zufriedenheit seines strengen Lehrers. Indessen war M. v. Schwind nach München gekommen, der mit seiner sprudelnden Phantasie und seiner prägnanten Charakteristik die jüngeren Talente mächtig anzog. Ohne zu Schwind’s Schülern zu gehören, fand sich S. doch mit einer eigenen Innigkeit in die Weise desselben, so daß ihn Schwind als Gehülfen mit auf die Wartburg nahm, wo S. bei Ausführung der „Werke der Barmherzigkeit“ und der „Bilder aus dem Leben der hl. Elisabeth“ mitwirkte. Ebenso zeigte eine Anzahl von Holzstockzeichnungen, welche S. in [180] der Folge für die „Fliegenden Blätter“, die „Münchener Bilderbogen“ und andere Unternehmungen des xylographischen Verlags von Braun und Schneider lieferte, ein so enges Anschließen an Schwind, daß diese Illustrationen häufig mit gleichzeitigen Original-Arbeiten Schwind’s verwechselt wurden. Der wohlbewußte Drang nach weiterer Ausbildung im Colorit führte den Maler in die damals florirende Schule des Professor Philipp Foltz, wo sich eine große Anzahl gleichstrebender jüngerer Kräfte zusammenfand, die unter dem seither wieder verschwundenen Namen „Jung-München“ eine vielverheißende Aera gründeten. Heinrich S. gewann 1856 durch eine Concurrenz-Zeichnung „Jacob mit dem Engel ringend“, den ersten Preis, erhielt mehrere Bestellungen zu Altarbildern und malte darauf im National-Museum die großen Fresken aus dem Pilgerzuge Herzog Heinrich’s des Löwen nach Jerusalem und wie derselbe Löwe den Aufruhr der Römer während der Krönung des Kaisers Friedrich I. in der Peterskirche darniederschlug. In beiden Werken war eine sehr packende, scharf accentuirte Charakteristik, welche schöne weitere Hoffnungen erweckte. In der Folge arbeitete Heinrich S. fast unzertrennlich mit seinem jüngeren, unterdessen herangebildeten und überaus begabten Bruder August S. (geb. am 18. Januar 1841). In neidloser Weise vereint, zeichneten die Brüder viele Cartons für Swertschkow’s Glasmalerei-Anstalt und andere ähnliche Etablissements, schmückten nach den kleinen Skizzen Ludwig Richter’s die von Ludwig Lange erbaute, dem damaligen Erbprinzen von Meiningen gehörige Villa Feodora in Liebenstein, schufen in sorgfältig ausgeführten Aquarellen den Bildercyklus für König Ludwig II. zu „Tristan und Isolde“ und dem „Fliegenden Holländer“; beide Arbeiten erschienen 1869 auf der Internationalen Kunstausstellung zu München und ernteten ob ihrer trefflichen Zeichnung und Farbengebung das verdiente Lob. Ebenso sind die 22 lebensgroßen allegorischen Figuren, welche in der offenen Vorhalle des Maximilianeums in Fresco gemalt wurden, das Werk der beiden Brüder. Außer einigen Genrebildern, die in Köln und Wien angekauft wurden, schuf Heinrich S. noch Zeichnungen zu Schiller’s „Räubern“, zu „Fiesco“ und „Kabale und Liebe“ und mehrere Blätter zur „Shakespeare-Gallerie“. Neue schöne Aufträge waren in Sicht, welche der durch wiederholten Blutsturz todkranke Mann freudig dem jüngeren Bruder überließ, als er schon am 8. August 1875 aus dem Leben schied. Ein echtes Künstlerleben mit seinen Kämpfen und Leiden, mit seinen Freuden und dem verklärenden Schluß – einer glänzenden Aussicht auf längst ersehnte Aufträge, wenn das Auge bricht und die Hand erstarrt ...

Vgl. Beil. 269 „Allgemeine Zeitung“ vom 26. September 1875. – Lützow’s Zeitschrift f. Kunst 1875. X, 809. – Kunstvereins-Bericht für 1876. S. 84. – Maillinger’s Bilderchronik 1876. III, 100.