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Artikel „Spieß, Gustav Adolph“ von Friedrich Jännicke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 178–179, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spie%C3%9F,_Gustav_Adolph&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:55 Uhr UTC)
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Spieß: Gustav Adolph S., Arzt zu Frankfurt a. M., geboren am 4. December 1802 zu Duisburg, † am 22. Juni 1875 zu Frankfurt a. M. S. verlebte seine früheste Jugend in seiner Geburtsstadt; im 11. Lebensjahr kam er in seine neue und zweite Heimath – sein Vater war als Prediger an die deutschreformirte Gemeinde zu Frankfurt berufen worden – und besuchte hier das Gymnasium, an dem damals Ritter, Schlosser u. a. wirkten. Mit seinem Schulfreund Friedrich Wöhler bezog S. 1820 die Universität Heidelberg, wo besonders Tiedemann sich des jungen Mediciners aufs freundlichste annahm. Nach vollzogener Promotion – Diss. inaug. de vulneribus pectoris penetrantibus imprimis cum haemorrhagia complicata. Frankfurt a. M. 1823. Deutsch in „Heidelberger klinische Annalen“ I, p. 365–413 – ging S. zu weiterem Studium nach Berlin, wo er sich eng an Baum, den späteren Göttinger Chirurgen, anschloß, und mit diesem 1825 nach Paris und weiterhin nach London, Edinburgh und andern englischen Universitäten reiste. Von April 1826 ab finden wir S. als Arzt in Frankfurt a. M. thätig, das er, verschiedene Reisen ausgenommen, nicht mehr verließ. – Wissenschaftlich trat S. mit einer größeren Arbeit zuerst im J. 1840 hervor, in dem „J. B. van Helmont’s System der Medicin, verglichen mit den bedeutendsten Systemen älterer und neuerer Zeit“ (Frankfurt a. M.) erschien; es wurde von der Kritik als „eine geistvolle, in aller Beziehung sehr bedeutende Schrift“ willkommen geheißen. 1844 folgte die [179] „Physiologie des Nervensystems“ (Braunschweig), aus einer Reihe von Vorträgen hervorgegangen, und 1854 eine kleine Schrift „Zur Lehre von der Entzündung“ (Frankfurt a. M.) Das Hauptwerk von S. ist die 1857 erschienene „Pathologische Physiologie. Grundzüge der allgemeinen Krankheitslehre“ (Frankfurt, 3 Bände), die Veranlassung zu einer polemischen Auseinandersetzung mit Virchow gab – Virchow’s Archiv VIII –, aber auch von gegnerischer Seite als das Werk eines philosophisch und medicinisch reich gebildeten Geistes anerkannt wurde. Der Mitarbeiterschaft an Häser’s Archiv und R. Wagner’s Handwörterbuch – Ueber krankhafte Störung des Nervensystems – sei schließlich noch gedacht. – An den wissenschaftlichen Bestrebungen seiner zweiten Vaterstadt nahm S. den regsten Antheil: er war Mitbegründer des ärztlichen und des mikroskopischen Vereins, reges Mitglied und mehrfach erster Director der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft: verschiedene im Druck erschienene Festreden, allgemeineren naturwissenschaftlichen Betrachtungen Raum gebend, rühren von dieser Amtsführung her. Dem vielseitigen und besonders auch auf bildende Kunst und Musik gerichteten Interesse von Spieß entsprach ferner seine Betheiligung an den verschiedensten Unternehmungen: der Museumsgesellschaft, dem Cäcilienverein, dem Städel’schen Kunstinstitut war S. ein eifriger Förderer und entfaltete als Leiter dieser Institute wie in Bekleidung einer großen Zahl anderer Ehrenstellen eine unermüdliche und uneigennützige Thätigkeit. Gabe der Rede und Geschick in der Leitung von Verhandlungen, wie er sie besonders auch bei Gelegenheit der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte 1867 zu Frankfurt a. M. bethätigte, ließen ihn als eine hierzu besonders geeignete Persönlichkeit erscheinen. So fehlte auch die verdiente Anerkennung dem rastlos thätigen Manne nicht: die Ernennung zum Geheimen Sanitätsrath, mehrfache Ordensverleihungen, endlich die feierliche Begehung seines 50jährigen Doctorjubiläums waren einige äußere Zeichen derselben. Wie er von denen anerkannt wurde, die ihm als Menschen nahe standen, zeigt der schöne Nachruf, den ihm Dr. H. Hoffmann gewidmet.

Nekrolog von Dr. H. Hoffmann-Donner im „Jahresbericht über die Verwaltung des Medicinalwesens der Stadt Frankfurt a. M.“ 19. Jahrg. 1875. S. 228. – Dr. H. v. Schmidt im „Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft“ 1875/76 S. 51.