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Artikel „Spengel, Leonhard“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 115–117, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spengel,_Leonhard_von&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 02:08 Uhr UTC)
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Spengel: Leonhard S., seit 1875 v. S., namhafter Philologe des 19. Jahrhunderts. Er wurde am 24. September 1803 als der Sohn wohlhabender bürgerlicher Eltern in München geboren und erhielt hier auf dem sogenannten „alten“, damals einzigen Gymnasium seine wissenschaftliche Vorbildung, besonders durch die Lehrer Johann Fröhlich und Joseph Kopp zu philologischen Studien angeregt und angeleitet. Schon als Schüler der obersten Classe fand er Zutritt zu dem von Friedr. Thiersch geleiteten philologischen Seminar; über die damals dort gewonnenen Eindrücke hat er später in seiner Schrift „Das philologische Seminar in München und die Ultramontanen“ S. 6 berichtet. Nach Beendigung seiner Gymnasialstudien (1821) besuchte er zunächst das unter Thiersch’s Leitung stehende Lyceum – die Universität war damals noch in Landshut – und legte hier 1823 das Examen für das höhere Schulfach ab, trat dann aber noch nicht sogleich in die amtliche Praxis. Auf Rath seines wohlwollenden Lehrers und Gönners begab er sich vielmehr, durch ein Staatsstipendium unterstützt, zunächst nach Leipzig, um G. Hermann zu hören, dann 1825 nach Berlin, wo Boeckh und Immanuel Bekker seine Lehrer wurden. Durch die Bearbeitung der von der Berliner Facultät für 1826 gestellten Preisaufgabe „Rhetoricorum apud Graecos studiorum artisque ipsius historia …“ errang er den ersten Preis; diese Arbeit, welche die besondere Anerkennung der Facultät fand, wurde die Grundlage für ein größeres Werk, das unter dem Titel Συναγωγὴ τεχνῶν sive artium scriptores ab initiis usque ad editos Aristotelis de rhetorica libros“ 1828 erschien. Gleichzeitig hatte er die Schrift Varro’s „de lingua latina“ 1826 herausgegeben und sich durch dieselbe als geschulten Kritiker erwiesen. Im Herbst 1826 kehrte S., nachdem er eine Professur in Kiel abgelehnt hatte, nach München zurück und trat am „alten“ Gymnasium, dessen Rector sein früherer Lehrer Fröhlich inzwischen geworden war, als Lehrer ein. In dieser Stellung, die er über 15 Jahre hindurch – zuerst als Lector, dann seit 1830 als Professor – inne hatte, hat er namentlich auf die Bildung der Schüler der oberen Classen einen tiefgreifenden und außerordentlich segensreichen Einfluß geübt. – Nach der Verlegung der Universität von Landshut nach München (1826) erwarb S. am 28. März 1827 den philosophischen Doctorgrad und habilitirte sich darauf als Privatdocent; bald wurde er auch mit der Stellung eines zweiten Vorstandes des philologischen Seminars betraut. In diese Periode fällt außer einer Anzahl kleinerer Schriften seine Ausgabe „C. Caecilii Statii comici poëtae deperditarum fabularum fragmenta“ (1829) und das „Specimen emendationum Varronianarum“ (1830). Im J. 1835 wurde er von der Münchener Akademie der Wissenschaften zum außerordentlichen, 1841 zum ordentlichen Mitgliede der philosophisch-philologischen Classe [116] gewählt; die Schriften derselben enthalten eine große Anzahl von Beiträgen aus Spengel’s Feder: 1836 schrieb er über die Poetik des Aristoteles, über die Rhetorik des Philodemus, sowie Emendationen zu Polybius und Julius Victor; 1839 folgte ein „Specimen commentariorum in Aristotelis libros de arte rhetorica“ und eine Schrift über die dritte philippische Rede des Demosthenes, 1840 eine Untersuchung über das 7. Buch der Physik des Aristoteles, 1841 die sehr bedeutende Untersuchung über die unter dem Namen des Aristoteles erhaltenen ethischen Schriften, endlich 1842 die Ausgaben von „Alexandri Aphrodisiensis quaestionum naturalium et moralium ad Aristotelis philosophiam illustrandam libri IV“ und „Incerti auctoris paraphrasis Aristotelis elenchorum sophisticorum“.

Im October 1841 erhielt S. eine Berufung in eine ordentliche Professur der Universität Heidelberg und nahm dieselbe an, da das Ministerium Abel ihm die Ernennung zu einer, wenn auch nur außerordentlichen, Professur an der Universität abschlug; er verabschiedete sich von der Akademie mit einem nach Form und Gehalt vollendeten Vortrage „Ueber das Studium der Rhetorik bei den Alten“ (1842). In Heidelberg, wo er in glücklichstem Einvernehmen mit Fr. Creuzer und K. L. Kayser eine segensreiche Wirksamkeit entfaltete, veröffentlichte er 1843 die Schrift „De Aristotelis libro decimo historiae animalium et incerto auctore libri περὶ ϰόσμου commentario“ und 1844 die Ausgabe der Rhetorik des Anaximenes; im Herbste (1843) war es ihm vergönnt, mehrere Monate Italien zu durchwandern.

Das Jahr 1847 brachte S. die Berufung in eine Professur in München, wo inzwischen der bekannte Umschwung der Dinge eingetreten war. Er kehrte mit Freuden in die Heimath zurück und ist dieser Stätte dann auch treu geblieben. Eine umfassende und fruchtbare litterarische Thätigkeit knüpfte jetzt vornehmlich an seine Vorlesungen an; neben seinen zahlreichen kleineren Arbeiten sind hier vornehmlich zu nennen die Schrift „Ueber die Politik des Aristoteles“ (1847), „Ueber die Reihenfolge der naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles“ (1848), „Ueber die Rethorik des Aristoteles“ (1851), sowie die dreibändige Ausgabe der „Rhetores graeci“ (1853–56). In die Zeit des Erscheinens dieser letztgenannten großen Arbeit fällt die oben schon erwähnte Streitschrift „Das philologische Seminar in München und die Ultramontanen“ (1854), welche der Anlaß zu heftigen Angriffen der clericalen Partei auf S. wurde und eine mit Schärfe geführte ziemlich lange dauernde litterarische Fehde veranlaßte. – In Wiederaufnahme der Varronischen Studien ließ S. eine Abhandlung „Ueber die Kritik der Varronischen Bücher de lingua latina“ (1854), zu Thiersch’s 50jährigem Doctorjubiläum eine „Commentatio de emendanda ratione librorum M. Terentii Varronis de lingua latina“ (1858) erscheinen; 1855 waren die Abhandlungen „Ueber das 1. Buch der Annalen des Tacitus“ und „Isokrates und Plato“ veröffentlicht, denen 1859 „Ueber die ϰάϑαρσις τῶν παϑημάτων, ein Beitrag zur Poetik des Aristoteles“ und 1860 „Die Δημηγορίαι des Demosthenes“ sowie die Untersuchung „Ueber die Geschichte des Florus“ folgte, sowie die mannigfache Widersprüche hervorrufende Schrift „Demosthenes’ Vertheidigungsrede gegen Ktesiphon, ein Beitrag zum Verständniß des Redners“ (1863). Auf eine Reihe seine weiteren aristotelischen Studien (zur Ethik, Politik und Oekonomik) zusammenfassenden Abhandlungen der nächsten Jahre, welche – wie auch die Mehrzahl[WS 1] der vorgenannten Schriften – in den Abhandlungen der Münchener Akademie erschienen, folgten 1866 die Ausgaben der „Eudemi Rhodii Peripatetici fragmenta“ und „Themistii Paraphrases Aristotelis librorum, quae supersunt“ (2 Bände) und im folgenden Jahre die ebenfalls zweibändige Ausgabe von „Aristotelis Ars rhetorica cum adnotatione L. S.; accedit vetusta translatio latina“ (1867). Seine letzten schriftstellerischen Arbeiten waren die 1875 veröffentlichten Abhandlungen „Die Grabschrift auf die bei Chaeronea gefallenen [117] Athener in Demosthenes’ Rede über den Kranz“ und „Aristoteles’ Poetik und J. Vahlen’s Bearbeitung derselben.“ Neben dieser reichen litterarischen Thätigkeit, bei deren Aufführung von den zahlreichen kleineren Arbeiten abgesehen worden ist, und dem akademischen Lehrberufe war S. durch Aufträge, welche die königl. bairische Regierung ihm hinsichtlich des höheren Schulwesens ertheilte, vielfach in Anspruch genommen. Zwar lehnte er den ihm gemachten Antrag, in das Ministerium als ständiger Decernent einzutreten, ab, aber die im J. 1854 erfolgte Neuregelung des Gymnasialunterrichtsplanes war doch im wesentlichen sein Werk; die Hebung der Gymnasien durch Hebung des Lehrerstandes und Zurückdrängung der Geistlichen aus dem gelehrten Unterrichte, Durchführung gleicher Prüfungen für alle – weltliche und geistliche – Lehrer war der Gegenstand seiner Sorge und Arbeit; das Verdienst, welches er sich um die bairischen Gelehrtenschulen erworben hat, muß sehr hoch angeschlagen werden. Auch seine umfangreiche Lehrthätigkeit an der Universität wurde nicht zum wenigsten von dem klarbewußten Zwecke geleitet, tüchtige Gymnasiallehrer heranzuziehen, wofür ihm durch seine eigene frühere Gymnasialthätigkeit ein – sonst nicht häufiges – volles Verständniß innewohnte. Diesem Zwecke dienten außer seinen Vorlesungen vornehmlich die Uebungen der philologischen Seminare, dessen erster Vorstand er nach Thiersch’s Tode (1860) geworden war; mit Vorliebe pflegte er die Interpretationen in beiden an solche Schriftsteller anzuknüpfen, welche auf der Schule gelesen werden. Er starb in München am 8. November 1880, nachdem ihm einige Jahre vorher – 20. März 1877 – bei Gelegenheit seines 50jährigen Doctorjubiläums noch viele Ehren beschieden gewesen waren.

Nekrolog in Bursian’s Biogr. Jahrbuch für Alterthumskunde 1881, S. 39–59 (von Spengel’s Sohne Andreas S.) – W. v. Christ, Gedächtnisrede auf L. v. S., 1881. In den angehängten Anmerkungen findet sich eine wohl vollständige Uebersicht von Spengel’s Schriften. – Ch. Thurot, Nekrolog in Revue de Philologie, Tom. V, p. 3, pag. 181–190. – Bursian, Gesch. d. Phil., S. 735 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mehzahl