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Artikel „Sinclair, Isaak von“ von Friedrich Otto in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 387–389, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sinclair,_Isaak_von&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 05:35 Uhr UTC)
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Sinclair: Isaak v. S., geboren am 3. October 1775, † am 29. April 1815. Die Familie Sinclair (Bettina v. Arnim schreibt fälschlich St. Clair) stammte ursprünglich aus Schottland und verbreitete sich von da aus nach England, Frankreich, Deutschland und Schweden. Der Vater von Isaak v. S, Alexander Adam v. S., war um das Jahr 1713 und zwar wahrscheinlich in Deutschland geboren. Nachdem er zuerst für verschiedene Fürsten in diplomatischen Stellungen thätig gewesen und auch in Italien eine Compagnie geführt hatte (er wurde deshalb nachher Capitain betitelt), nahm er eine Stelle als Erzieher der Kinder des Fürsten Victor von Schaumburg an der Lahn an, [388] wo er sich die volle Zufriedenheit seines Herrn erwarb; wegen seiner tiefen Einsicht und großen Welterfahrung wurde er hier scherzweise der weise Salomon genannt. Seine Anschauungen legte er nieder in der anonym erschienenen Schrift: „Vermischte Abhandlungen und Anmerkungen aus den Geschichten, dem Staatsrechte, der Sittenlehre und den schönen Wissenschaften.“ Frankfurt und Leipzig 1751. Die freundlichen Beziehungen, in denen er zu dem Landgrafen von Hessen-Homburg Friedrich IV. gestanden hatte, veranlaßten nach dessen frühem Tode die verwittwete Landgräfin auf den Rath ihres auch als Gelehrter und Dichter bekannten und mit S. befreundeten Hofraths, später Geheimen Rathes v. Creuz, den allseitig gebildeten, tief religiösen und als Erzieher erprobten Mann auch als Erzieher ihres damals dreijährigen Sohnes, des Landgrafen Friedrich V., zu berufen. Am 8. April 1752 trat er seine Stellung an und bekleidete sie vierzehn Jahre lang mit solcher Treue und Hingebung, daß der Landgraf, als er erwachsen war, ihm seine Liebe und Achtung bewahrte und ihn zu seinem Geheimen Rath ernannte, als welcher er am 4. Juni 1778 starb, tief betrauert von allen, die ihn kannten, am meisten von seinem fürstlichen Zögling.

Sein einziger Sohn Isaak zählte damals drei Jahre. Nach einer sorgfältigen Erziehung mit den Söhnen des Landgrafen besuchte er die Universitäten Tübingen und Jena (1792–1795) und trat dann sofort in die Dienste des Landgrafen (1796). Rasch durcheilte er die Bahn der Beamten; schon 1805 trat er als Geheimer Rath an die Spitze der Homburgischen Regierung und war seinem Fürsten ein treuer und vielleicht der tüchtigste Beamte, den er je besaß; so führte er die schwierige Aufgabe der Theilung der Hohen Mark glücklich durch, wenn auch der Abschluß der Verhandlungen erst kurz nach seinem Tode erfolgte. Im Jahre 1805 kam er durch die grundlose Denunciation eines rachsüchtigen Menschen in Untersuchung wegen einer angeblichen Verschwörung, die er gegen das Leben des Kurfürsten von Württemberg und seines ersten Ministers zum Zweck einer Revolutionirung des Landes angezettelt haben sollte, und verbrachte fünf Monate in württembergischer Haft; die Sache erwies sich als vollständig aus der Luft gegriffen. In die folgenden Jahre fällt die Abfassung und Herausgabe seiner Schriften. Dieselben sind theils philosophische, theils poetische. Die Anregungen, welche er von Fichte in Jena erhalten hatte, veranlaßten ihn zur Fortsetzung seiner philosophischen Studien, aus denen folgende Werke entsprangen: „Wahrheit und Gewißheit“, 3 Bände, Frankfurt 1811, und „Versuch einer durch Metaphysik begründeten Physik“, Frankfurt 1813. Das erste Werk schickte er an seinen Universitätsfreund, den Philosophen Hegel, mit dem er in fortwährendem Verkehr geblieben war (er bot ihm, um ihn näher zu haben, u. a. die Stelle eines Rectors der Lateinschule zu Homburg an!); die Briefe, welche infolge davon zwischen beiden gewechselt wurden, soweit sie erhalten sind, sowie eine Beurtheilung der jetzt vergessenen Schrift von Rosenkranz finden sich in Hegel’s Leben von Rosenkranz, Berlin 1844 S. 268 ff. Die Dichtungen Sinclair’s sind theils dramatische, theils lyrische. Jene behandeln den Cevennenkrieg in drei Trauerspielen von je fünf Auszügen: „der Anfang“, „der Gipfel“, „das Ende des Cevennenkrieges“, 3 Theile, 1806–1807 erschienen unter dem Namen Crisalin (Anagramm für Sinclair). Diese Dramen, welche nicht für die Bühne bestimmt waren, fanden bei den Zeitgenossen und der Umgebung des Dichters großen Beifall und auch die Häupter der romantischen Schule sprachen sich günstig über sie aus, ja Tieck wurde durch sie angeregt, die Erzählung „Der Aufruhr in den Cevennen“ zu schreiben. Und in der That erhalten sie namentlich in den lyrischen Theilen im einzelnen wohl gelungene Stellen in edler, freilich manchmal durch rhythmische Härten entstellter [389] Sprache; aber den Anforderungen, welche wir an diese Dichtungsart stellen, entsprechen sie nicht. Das Talent des Dichters war wesentlich lyrisch und so gelang ihm z. B. nicht die scharfe Charakteristik seiner Helden, dem Dialoge fehlt es an Leben und Beweglichkeit, den Leser ermüdet die lange Reihe von Kämpfen, die sich durch fünfzehn Acte hinschleppen. So kam es, daß das Werk vergessen ward, wie andere derselben Gattung. Besser sind die lyrischen Gedichte: „Gedichte“, 2 Bände, Frankfurt 1811–13, ebenfalls unter dem Namen Crisalin erschienen, und die „Kriegslieder“, 1813, mit dem wahren Namen des Verfassers. Außerdem finden sich viele seiner Gedichte in Zeitschriften zerstreut oder sind nur durch Abschriften verbreitet worden. Da S. viel und schnell producirte, so ist kein Wunder, daß neben vielem Schönen und Gefühlvollen auch manches Mittelmäßige mit unterlief. Auch die schottischen und altenglischen Balladen ahmte er mit Glück nach. – Schon auf der Universität war S. mit dem Dichter Hölderlin in freundschaftliche Verbindung getreten. Als dieser im September 1798 in Folge der bekannten Vorgänge das Gontardsche Haus in Frankfurt verließ, begab er sich zuerst nach Homburg zu seinem Freunde S., welcher den gebeugten jungen Mann zu erheitern und zu zerstreuen und so dem Leben und der Kunst zu erhalten suchte (1798–1800). Bei dem zweiten Aufenthalt Hölderlin’s zu Homburg (1804–1806) verschaffte er ihm eine Stelle als Bibliothekar, dessen Besoldung er aus eigener Tasche bestritt. Bekanntlich waren seine Bemühungen um den einem traurigen Schicksale entgegengehenden Freund vergeblich. – Im J. 1814 trieb ihn sein Patriotismus, an dem Kampfe gegen Napoleon Theil zu nehmen; im Januar trat er bei der in Südfrankreich um Lyon beschäftigten Armee als Hauptmann im Generalstabe des Prinzen Philipp von Hessen-Homburg, später des Erbprinzen Friedrich ein. Nach Beendigung des Krieges bekam er den Auftrag, auf dem Congresse zu Wien die Interessen seines Landgrafen zu wahren, und hielt sich bis zum April in der Kaiserstadt auf. Eben wollte er abreisen, um sich zu dem nach Napoleon’s Rückkehr von Elba bevorstehenden Kriege zu rüsten, als er unerwartet die Ernennung zum Major im österreichischen Generalstabe erhielt. Hocherfreut über diese unverhoffte Auszeichnung eilte er in ein Kleidermagazin, um seine Kleidung zu vervollständigen; kaum hier eingetreten, sank er vom Schlage getroffen nieder, am 29. April 1815. Seine Mutter, die er innig liebte, war ihm neun Tage im Tode vorangegangen, doch hatte ihn die Nachricht von ihrem Abscheiden noch nicht erreicht.

K. Schwartz, Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg. Zweite Aufl. Homburg v. d. Höhe 1888. S. 30 ff., 51 ff., 101 ff.; 191–251. Hier sind auch die Irrthümer von Fr. Brümmer, Deutsches Dichterlexikon II, 395, berichtigt.