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Artikel „Simmer, Cosmus von“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 353–355, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Simmer,_Cosmus_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:17 Uhr UTC)
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Simmer: Cosmus v. S., Verfasser einer umfangreichen Weltchronik, kaiserlicher Hoffiscal in Breslau, geboren am 19. März 1581 in Colberg aus eingewandertem patricischem Geschlecht, gestorben ebenda am 16. November 1650. Seine Eltern waren der Rathsherr und Salzverwandte Jochim Simmer und Judith Braunschweig. Ursprünglich zum Studiren bestimmt, war ihm doch „das Schulfleisch noch nicht gewachsen“, und er wurde daher im Jahr 1596 nach Polen gebracht, um damaliger Sitte gemäß polnische Sprache und Brauch zu lernen. Die während eines vierjährigen Aufenthalts daselbst erduldeten Fährlichkeiten beschreibt er sehr anschaulich. Nach mehrjährigen für das väterliche Geschäft unternommenen Reisen entschloß er sich zu weiterer Ausbildung an fremde Höfe zu gehen und begab sich 1604 nach Breslau, für die nächsten 16 Jahre ein unstätes Reiseleben führend, meist als Begleiter des kaiserlichen Raths und Kreisobersten Joachim von Maltzan auf Militsch und dessen Söhnen in politischen Sendungen. Ganz Norddeutschland, Preußen, Polen, Böhmen, die Niederlande, Schweden, England und Frankreich wurden durchzogen. Trotz dieser aufreibenden Thätigkeit kamen ihm Gedanken, „was vor ein schändliches Laster [354] der Müßiggang und Geiz“ doch sei, und um vor beiden sich zu hüten, auch der Wollust nicht zu verfallen, begann der eben Verheirathete im Jahre 1605, also 24 Jahr alt, eine „Historische, genealogische Cosmographia“ zu schreiben, die 10 Jahre später schon eines 56 Bogen umfassenden Registers bedurfte. Als v. S. sich endlich bleibend in seiner Vaterstadt niederließ, scheint er eine Ueberarbeitung des Werkes vorgenommen zu haben, die etwa 1632 vollendet gewesen sein mag; doch finden sich noch Ergänzungen und Nachträge bis zum Jahr 1646, so daß das Ganze schließlich zu 14 Folianten anschwoll. In vier Haupttheilen sollten die vier Welttheile behandelt werden, doch ist wohl nur der erste, Europa, vollendet worden. Derselbe zerfällt in zwölf Abtheilungen in einer Handschrift von gegen 7000 Blättern. Gedruckt ist nur eine Probe des Werkes bei Woken, ja bis auf das Original des Brandenburg, Pommern und Mecklenburg behandelnden, auch handschriftlich mehrfach erhaltenen Theils (490 Blätter in alter Handschrift) scheint das Ganze verschwunden zu sein. Nach v. Simmer’s Tode soll es durch Erbgang in den Besitz der Familie des späteren Generalsuperintendenten Heiler (s. A. D. B. XI, 315) gekommen sein, und war vielleicht von Einfluß auf dessen Chronik von Pommern. Ein Versuch, das Werk für 4000 Thlr. für die königliche Bibliothek in Berlin zu erwerben, scheiterte an dem sparsamen Sinne König Friedrich Wilhelm I. Zuletzt tauchte dasselbe 1741 in einem Auctionskatalog auf. Das abfällige Urtheil Dähnert’s über den Werth der Simmerschen Cosmographie ist ohne nähere Kenntniß derselben gefällt und daher selbst werthlos. Wenigstens ist der viel zu wenig bekannte, Pommern behandelnde Theil derselben belehrender und lebendiger geschrieben als andere gleichzeitige Arbeiten dieser Art; und in der That ist zu erwarten, daß ein in der bewegten Zeit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebender, mit Adel und Fürsten, Gelehrten und Kaufleuten verkehrender weitgereister und dabei aufgeweckter Mann wie v. S. seine Erlebnisse und Beobachtungen in anziehender Weise werde erzählen können. Landesbeschreibung, Geschichte und Lage wechseln in bunter Reihe; besonders der den pommerschen Städten, und unter diesen der Vaterstadt Colberg gewidmete Abschnitt ist durch Mittheilung der eigenen Erlebnisse von hohem Werth. Kleine Kartenskizzen, namentlich aber sorgfältig gearbeitete Stammtafeln fürstlicher und adliger Geschlechter sind beigegeben; ein Verzeichniß der benutzten Schriftsteller zeugt von der Belesenheit des Verfassers. Neben diesem großen Werke hat v. S. seine im Jahr 1616 nach Schweden unternommene Reise in einem besonderen Bande beschrieben, der jedoch ebenfalls verschwunden ist. Dagegen bewahrt die Universitätsbibliothek zu Breslau sein mit interessanten Einzeichnungen versehenes Stammbuch. Bei der Huldigung der schlesischen Stände wurde v. S. unter dem 10. October 1611 mit dem Beinamen v. Simmerncamp (nach einem kleinen Besitz bei Colberg) und unter Ertheilung des Wappens der ausgestorbenen Familie von Dargatz (oben ein Kesselhaken, unten geschacht), der seine Großmutter angehörte, geadelt. Er war dreimal verheirathet, zuerst den 21. November 1605 mit Regina Ducherow, geb. Poley, und hatte bis zum Jahre 1620 sein Hauswesen in Breslau, vielfache Beziehungen zum kaiserlichen Hof in Wien, sowie zu den schlesischen und benachbarten Fürstenhäusern unterhaltend. Dann veranlaßten ihn die Unruhen des beginnenden Krieges, nach seiner Vaterstadt Colberg überzusiedeln, die er bis zu seinem Tode nicht wieder verlassen zu haben scheint, die gewonnene Muße zur Bewirthschaftung seines Besitzes und zur weiteren Ausarbeitung seiner Cosmographie benützend. Häusliche Mißhelligkeiten, vielleicht durch seine dritte Ehe mit einer 14jährigen Frau hervorgerufen, während er selbst bereits 58 Jahre zählte, riefen bei dem bisher thätigen und geselligen Mann allerhand Wunderlichkeiten hervor; er wurde menschenscheu, ließ seine wissenschaftliche Thätigkeit [355] fallen, sprach die letzte Zeit seines Lebens kein Wort, und starb so ohne vorhergegangene Krankheit.

Woken, Beytr. z. pomm. Historie, Leipzig 1732. – Rango, Colberga togata. – Dähnert, Pomm. Bibliothek II. – Balt. Studien III. und XXXIX. – Monatsbl. der Ges. f. pomm. Gesch. 1890; Nr. 8 und 10.