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Artikel „Seidel, Georg“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 618, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seidel,_Georg&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 15:41 Uhr UTC)
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Seidel: Georg S., Schulmann des 16. und 17. Jahrhunderts. Geb. zu Ohlau am 4. Februar 1550, studirte er wahrscheinlich in Frankfurt a. O., wurde dann 1574 Lehrer am Elisabethgymnasium zu Breslau, 1596 Professor, 1610 Prorector und starb daselbst am 6. Mai n. St. 1626 im 52. Jahre seines Schuldienstes. Aus seiner 1578 mit Catharina Heidenreich geschlossenen Ehe ging ein Sohn gleichen Namens hervor, der Pastor in Breslau wurde. Außer zwei Schulbüchern für den lateinischen Unterricht, „Grammaticae latinae compendium quod pro scholis Vratisl. ex Phil. Melanchthonis grammatica maiore contraxit“ und „Prosodiae latinae compendium“ (vgl. Joh. Rhenii censura de utroque compendio grammatico, 1615), hat S. lateinische Gelegenheitsgedichte und ein kleines Epos, „Excidium Hierichuntis carmine heroico conscriptum“. Wittenb. 1620 4°, hinterlassen. Interessanter ist sein Versuch, nach dem Vorbilde der Straßburger Akademie das lateinische Schuldrama in Breslau einzuführen: „Nova tragicocomoedia Tychermaea seu Stamatus, acta Liberalibus in gymnasio Vratislaviensi anno MDCXIII. Vratislaviae, G. Baumann. 1613. 8°. Anklingend an die alte Allegorie von Herakles am Scheidewege, an Wickram’s Knabenspiegel und Rosenfeld’s Moschus im wesentlichen aber aus Galen’s Protrepticus, auf den ihn sein Rector, der gelehrte Mediciner Kirsten, hingewiesen hatte, und einer Erzählung bei M. A. Sabellicus, Rerum Venetarum libri 3, 6 p. 826 edit. Bas. 1556 schöpfend, stellt er einem idealgesinnten Anhänger des Hermes, Mocenicus geheißen, den habgierigen Stamatus aus Kreta, einen Günstling der Glücksgöttin, gegenüber. Der letztere bestiehlt den Staatsschatz von Venedig, wird aber von einem Freunde verrathen und stirbt am Galgen, während Mocenicus mit Dionysius und Sokrates sich unterhalten darf und hier Lob empfängt. Durch Galen beeinflußt ist auch die an die Fortunatkomödie erinnernde Erscheinung der Fortuna und ihres Gefolges (Midas. Paris, Vasti, Krösus, Polykrates u. a.) im zweiten Acte; eingeschoben sind mehrere komische Bauernscenen und possenhafte Figuren, wie der Narr und der als Quacksalber sein Brod suchende hungrige Parasit. Für das Verständniß der weniger gebildeten Zuschauer wurde nicht nur durch die deutschen Inhaltsangaben der einzelnen Acte, sondern auch durch eine gleichzeitig ausgegebene metrische Verdeutschung des Stückes von Seidel’s Collegen Andreas Franck (Breßlaw, G. Bawman 1613. 8°) gesorgt; ganz wie im Straßburger Theatrum academicum. – Merkwürdigerweise hat Seidel’s aus ungleichartigen Elementen wunderlich zusammengeschweißte Arbeit noch einundzwanzig Jahre später einen Bearbeiter in Rudolf August Gosky, dem Sohn des Gardelebener Arztes Martin G., eines geborenen Schlesiers, gefunden: „Lyra tragi-comica, vel Tychotechnia, seu Proba Fortunae et Musae, Das ist die Glücks- vnd Kunstprobe, durch welche das Glück succumbiren, vnd die Kunst triumphiren wird. Halberstadt, A. Kolwaldt 1634. 3 Bl. u. 120 S. 8°. Ohne sein Vorbild zu nennen, giebt Gosky dasselbe in geschwätziger Breite wieder und verbrämt es mit Flicken aus Gabriel Rollenhagen’s Amantes amentes und Possenscenen vom Bauern in der Schule u. ä. Der Student Mocenicus heißt bei ihm Medicus.

H. Palm, Beiträge zur Geschichte der deutschen Litteratur 1877 S. 123. – M. Hankii Vratislavienses eruditionis propagatores 1767 p. 121 a, 113 b. – Weller, Annalen 2, 252. – Durch Mittheilungen aus der Breslauer Stadtbibliothek hat mich Herr Dr. Markgraf aufs freundlichste unterstützt.