ADB:Seidel, Gotthold Emanuel Friedrich

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Artikel „Seidel, Gotthold Emanuel Friedrich“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 619–620, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seidel,_Gotthold_Emanuel_Friedrich&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 23:10 Uhr UTC)
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Seidel: Gotthold Emanuel Friedrich S., geboren am 10. März 1774 zu Etzelwang in der Oberpfalz, empfing seine Gymnasialbildung zu Nürnberg, studirte 1793–1796 zu Altdorf Theologie, machte dann eine litterarische Reise in das nördliche Deutschland und wurde, nachdem er vorher eine Hofmeisterstelle beim Grafen von Königsthal übernommen, 1799 Frühprediger an der St. Walburgiscapelle auf der Veste zu Nürnberg. 1800 nahm er abermals eine Hofmeisterstelle beim Grafen von Wahlern an und wurde 1802 Diakon an der Kirche zu St. Egidien zu Nürnberg. Als dann 1810 die Nebenkirchen zu St. Egidien, St. Jakob und zum H. Geist zu Parochialkirchen erhoben wurden, rückte er zum ersten Diakon bei St. Egidien auf. 1814 wurde ihm die Verwesung dieser Pfarrei übertragen und 1817 erhielt er die Anstellung als Pfarrer daselbst. 1814 ehrte ihn auch die Universität Erlangen durch Verleihung des Doctordiploms. 1819 wurde er von den Geistlichen des Consistorialbezirks Ansbach zum Abgeordneten für den 1. baierischen Landtag gewählt. In das Jahr 1829 fällt seine Ernennung zum Decan, woran sich seine Wahl zum Mitglied des Landraths des Rezatkreises schloß, dessen Sitzungen er 1829 und 1830 beiwohnte. Ferner wurde er 1832 in die Generalsynode zu Ansbach berufen, wo er als erstes Mitglied im Ausschuß für Prüfung der zur Berathung stehenden neuen Kirchenagende hervorragend thätig war. Wegen zunehmender Kränklichkeit erhielt er 1837 die erbetene Entlassung, zugleich aber wurde ihm in Anerkennung seines langjährigen, eifrigen und gesegneten Wirkens in mehrfachen Berufskreisen der Titel eines protestantischen Kirchenraths verliehen. Er starb am 6. Februar 1838.

Seidel’s Bedeutung beruhte vornehmlich in seiner Thätigkeit als Kanzelredner und Seelsorger. Er wirkte in dieser Eigenschaft auch litterarisch. So veröffentlichte er 1802 eine Sammlung von Predigtentwürfen, 1812 Ideen zu Beichtreden, 1814 eine Auswahl von biblischen Sprüchen, die in drei Auflagen erschien, 1817 eine Sammlung von 13 Predigten und ein Beicht- und Communionbuch, 1821 eine Sammlung von 28 einzeln erschienenen Reden und Predigten aus den Jahren 1814–21, der sich 1829 und 1831 weitere Bände anreihten, außerdem noch Predigten am letzten Abend des Jahres, welche die Jahre 1815–27 umfaßten. Zu den von Veillodter herausgegebenen Predigten und Reden, deren Ertrag der neugegründeten evangelischen Gemeinde zu Ingolstadt zufiel, lieferte er Beiträge. Die in Gemeinschaft mit C. F. Michahelles, Dr. Böckh und Dr. E. Lösch zum Besten der evangelischen Gemeinde in Aschaffenburg veröffentlichten Predigten über die sonn- und festtäglichen Episteln des Jahres fanden eine derart günstige Aufnahme und Verbreitung, daß die Herausgeber den für ein solches Unternehmen außerordentlichen Reinertrag von 10 000 fl. dem guten Zwecke zuführen konnten. Auch eine Reihe von Jugendschriften rührt von ihm her. Von 1804–1807 gab er einen Jugendkalender heraus, 1806 bis 1809 eine Sammlung unterhaltender Reisebeschreibungen für die Jugend in 2 Bänden, 1806 auch einen Schematismus der mathematischen Geographie, der für den Elementarunterricht bestimmt war. Hervorgehoben sei hier noch besonders seine actuelle Einwirkung auf die Hebung des evangelischen Lebens. Er gehörte zu den Begründern des evangelischen Bibelvereins für die protestantische Kirche in Baiern. Schon 1816 hatte man alle Vorarbeiten für die Organisation des Vereins vollendet, der indeß erst 1823 ins Leben trat. S. war von der Zeit der Entstehung bis zum Jahre 1828 zweiter und seitdem erster Vorstand dieses segensreichen Instituts.

Auch für das praktische Unterrichts- und Erziehungswesen in Nürnberg hat S. seine Bedeutung. Mit Veillodter, Mayer und Michahelles gründete er die höhere Töchterschule bei St. Egidien, welche längere Zeit die einzige höhere weibliche Bildungsanstalt der Stadt bildete, bis sie 1821 durch die städtische höhere [620] Töchterschule abgelöst wurde. – Das Jahr 1818 räumte den Gemeinden Baierns mit der Einführung der Gemeindeverfassung auch einen unmittelbaren Einfluß auf die Gestaltung des Schulwesens ein. S. wurde in die Schulcommission berufen und half die Organisation berathen und ins Leben setzen, die das Volksschulwesen in Nürnberg auf eine so hohe Stufe zu heben bestimmt war. 1821 bis 1830 war ihm, um das hier noch zu erwähnen, die Leitung der Fortbildungsanstalt der Nürnberger Schullehrer und Schulamtscandidaten anvertraut. Sein humaner und zugleich praktischer Sinn bekundete sich in der Begründung der Maximiliansheilanstalt für arme Augenkranke, die 1827 dank seiner Initiative und Thätigkeit ins Leben gerufen wurde und bis auf den heutigen Tag ihre segensreiche Thätigkeit entfaltet. In den Theuerungsjahren 1816 und 1817 war er auch Mitglied des Wohlfahrtsausschusses gewesen.

Seiner dichterischen Begabung hatte S. seine Stellung als Ordenspräses des pegnesischen Blumenordens zu danken, die er von 1813 bis zu seinem Tode bekleidete. Im übrigen ist seine Bedeutung als Dichter keineswegs eine so hohe, wie man sie ihm zugesprochen hat. Sie geht über das Mittelmaß nicht hinaus. So gutgemeint seine dichterischen Ergüsse auch sein mochten, so kann doch von einer Gewandtheit in Sprache und Versbau, zarter Empfindung, sinniger Gemüthlichkeit nicht die Rede sein. Bedeutender war dagegen ohne Zweifel seine künstlerische Begabung. Man rechnete ihn zu den „vorzüglicheren Dilettanten.“ Unter Director Zwinger hatte er sein Talent im Zeichnen, das er schon in der Jugend verrieth, ausgebildet, unter Gabler’s Leitung übte er sich dann im Kupferätzen und Aquarellmalen und in späteren Jahren unter Engelhardt’s Aufsicht auch im Oelmalen. Besonders in der Landschaftsmalerei brachte er es zu großer Fertigkeit. – Auf seinen Wanderungen und Reisen hatte er einen reichen Schatz von Skizzen gesammelt. Besonders rühmte man die Schärfe des Blicks und die Treue des Gedächtnisses. Noch nach Wochen war er im Stande, Landschaften nach der Erinnerung treu wiederzugeben. In seiner früheren Zeit, als er noch zu rechnen hatte. waren ihm seine zeichnerischen Anlagen sogar eine Erwerbsquelle. Er hat damals für den berühmten Homannischen, später Femboschen Kartenverlag in Nürnberg mehrere Landkarten gezeichnet.

Fassen wir unser Urtheil kurz zusammen. S. war eine harmonisch angelegte Natur, in der sich gesunder Idealismus mit echter Humanität und werkthätigem Christenthum glücklich vereinigten. Daraus erklären sich die bedeutenden Erfolge, die er in- und außerhalb seines Berufskreises in so reichem Maße errang.

Dr. Ernst Lösch, G. E. F. Seidel etc. nach seinem Leben und Wirken. Nürnberg 1838; – Ders., Denkmal der Liebe und Verehrung … dem Präses des Pegnesischen Blumenordens Gotth. Eman. Fried. Seidel … im Namen des Ordens errichtet. Nürnberg 1838. – Neuer Nekrolog der Deutschen. 16. Jahrg. 1838. 1. Theil, S. 169 ff.