ADB:Schwindrazheim, Johann Ulrich

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schwindrazheim, Johann Ulrich“ von Gustav Bossert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 470–471, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwindrazheim,_Johann_Ulrich&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 09:47 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 33 (1891), S. 470–471 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Ulrich Schwindrazheim in der Wikipedia
Johann Ulrich Schwindrazheim in Wikidata
GND-Nummer 121273741
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|33|470|471|Schwindrazheim, Johann Ulrich|Gustav Bossert|ADB:Schwindrazheim, Johann Ulrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=121273741}}    

Schwindrazheim: Johann Ulrich S., Theologe und Dichter, geboren zu Neuenbürg an der Enz unweit Wildbad (Württemberg) am 10. November 1736, † zu Gomaringen bei Tübingen am 18. August 1813, entstammt einem elsässischen Geschlechte. Ob dasselbe mit dem ritterlichen Geschlecht der Herren v. Schwindrazheim (bei Straßburg) zusammenhängt, ist noch nicht festgestellt. Im 17. Jahrhundert nach Tübingen übergesiedelt, entfaltete sich die Familie kräftig und betrieb das Gewerbe von Huf- und Waffenschmieden. Doch hatte schon der Vater des Dichters akademische Bildung genossen, war Präceptor der Lateinschule in Neuenbürg und starb als Pfarrer zu Dobel bei Wildbad. Vom Vater tüchtig geschult, ging Joh. Ulr. S. durch die württembergischen Klosterschulen, wo er sich eine gründliche classische Bildung erwarb und bezog 1755 die Universität Tübingen als Zögling des Stiftes, der alten Bildungsstätte der evangelischen Theologen Württembergs. Geschmückt mit dem Magistertitel, verließ der wohlbegabte Jüngling 1760 die Universität. Als Specimen seiner philosophischen Bildung hatte er 1757 für die Promotion zum Magister die Dissertation „de differentia perceptionum in vigilia, somnis et somno“, 1760 die theologische Abhandlung „de somniis divinis“ drucken lassen. Sein weiterer Lebensgang war der des damaligen schwäbischen Candidaten. Erst war er mehrere Jahre Vicar, dann Hofmeister bei dem Obervogt v. Bouwinghausen und erhielt 1767 die Pfarrei Thumlingen auf dem Schwarzwald. Unbefriedigt von den dortigen Verhältnissen bat er in einem eleganten Gedicht, dem einer seiner Nachfolger den treffenden Titel „Tristia Thumlingensia“ gab, um eine andere Stelle. Durch das Gedicht lenkte S. die Aufmerksamkeit [471] des Herzogs Karl auf sich, der ihn 1768 zum Leiter der Lateinschule in Ludwigsburg berief. Unter seinen Schülern befand sich ohne Zweifel Schiller während seiner letzten Schuljahre in Ludwigsburg. „Der Freund der Dichtkunst, der warme Verehrer der Alten, der gewandte Stylist“, der Mann mit dem weltoffenen Sinn, dessen Gesichtskreis in langem und vertrautem Verkehr mit dem Adel und den Officieren weiter geworden waren, als der seiner Amtsgenossen in Ludwigsburg, mochte leicht befruchtender auf Schiller wirken als seine übrigen Lehrer. Hatte Schiller von diesen trübe Erinnerungen, so rühmt er 1782 in der Recension von Schwindrazheim’s „Kasualgedichten eines Wirtembergers“ im württembergischen Repertorium diesen Lehrer als einen „vortrefflichen Kopf“ und erkennt seinen Witz und seine lebhafte Phantasie an. 1775 war Schwindrazheim’s Stellung in Ludwigsburg aus unbekannten Gründen unhaltbar geworden. Er bezog die Pfarrei Gomaringen, wo ihm später G. Schwab folgte. Hier pflegte er den Verkehr mit der nahen Universität Tübingen und der Reichsstadt Reutlingen. Sein Lebensabend war durch schwere Familienereignisse getrübt. Im Jahr 1782 gab er die obengenannten Kasualgedichte eines Württembergers heraus, die meist gewandt in der Form, reich an Witz, doch nicht auf der Höhe der lateinischen Tristia stehen. War doch schon der Gegenstand dieser Gelegenheitsgedichte, meist Trauer- und Hochzeitscarmina, recht dürftig für einen begabten Dichter. Noch schwächer, ja ganz auf der Stufe der breitspurigen Kirchenlieder seiner Zeit ist die Sammlung Trauerlieder, die er 1796 nicht für die Oeffentlichkeit, sondern nur „zu einem Familienstück“ für seine Kinder drucken ließ. Die Tristia sind zum ersten Mal von dem Unterzeichneten im Urtext in den Blättern für württembergische Kirchengeschichte 1889, S. 68 f. und in der Deutschen Uebersetzung des M. Daniel, Pfarrer von Zuffenhausen, in Birlinger’s Alemannia XIV, 229 veröffentlicht worden.

Joh. Ulr. Schwindrazheim, ein Lebensbild von G. Bossert. Württb. Landeszeitung 1887, S. 165. – Schiller’s Lehrer an der Lateinischen Schule in Ludwigsburg, von R. Weltrich. Beil. z. Allg. Ztg. 1889, Nr. 284. – Eine Würdigung Schwindrazheim’s als Dichter von dem Unterzeichneten ist noch nicht gedruckt.