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Artikel „Schwartzkopf, Johann“ von Adolf Köcher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 221–223, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwartzkopf,_Johann&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 06:50 Uhr UTC)
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Schwartzkopf: Johann S., Kanzler von Braunschweig-Wolfenbüttel, war der Sohn eines wolfenbüttel’schen Syndicus. Zu Bockenem am 28. Nov. 1596 geboren, auf den Schulen von Goslar und Hildesheim vorgebildet, studirte er in Helmstedt Rechtswissenschaft und wurde, nach kurzem Zwischenbesuche der Universitäten Jena und Leipzig, ebendaselbst zum Dr. jur. promovirt. Als Advocat am fürstlichen Hofgericht zu Wolfenbüttel wurde er dem Herzog Christian, Bischof von Halberstadt, bekannt und im Stifte desselben als advocatus fisci angestellt (1623). Die Bestallung erlosch zwar schon nach einem Jahr durch Christian’s Resignation, thatsächlich aber blieb S. oder wurde vielmehr erst jetzt im besten Sinn des Worts der Anwalt des Stifts und der Stadt Halberstadt in den Nöthen der Wallenstein’schen Invasion. Nicht nur Stift und Stadt, auch Wallenstein selbst sah ihn ungern aus dem Provisorium scheiden und gab ihm, als er sich nach Helmstedt zurückzog, militärisches Ehrengeleit. Hier erging wieder ein Ruf des „tollen“ Christian an den bewährten Mann: er sollte dessen [222] Kriegsrath werden. Allein S. schützte mangelnde Sachkenntniß vor und blieb in Helmstedt als Privatdocent und bald auch städtischer Syndicus, die Berufung zu demselben Amt in Halberstadt ablehnend. Seit 1627, in welchem Jahre er sich mit der Tochter des Bürgermeisters Gärtner verheirathete, wolfenbüttel’scher Landsyndicus und als solcher bei der Auseinandersetzung der Erben Herzogs Friedrich Ulrich betheiligt, wurde er dem Herzog August dem Jüngern vertraut und stieg, nach dessen Regierungsantritt in Wolfenbüttel zum fürstlichen Consistorialrath ernannt (2. October 1637), in rascher Folge zum Geheimen Kammerrath (28. October 1637) und zum Vicekanzler (21. October 1639) auf. Im J. 1646 (6. März) wurde er zum Kanzler ernannt. Fiel in Hannover und Celle infolge der jugendlichen Leichtfertigkeit und Unerfahrenheit der regierenden Herzöge die Direction und ganze Summe der Geschäfte den Räthen zu, die einmal das Vertrauen der Herzöge erworben hatten, so wollte es bei der vielseitigen Bildung und rührigen Selbstthätigkeit des Herzogs Augustus etwas besagen, wenn einer seiner Räthe maßgebenden und bleibenden Einfluß bei ihm gewann. S. aber wetteiferte mit der rastlosen Thätigkeit seines Herrn und blieb gleich jenem auch im Drange der Amtsgeschäfte den gelehrten Neigungen und Arbeiten seiner jüngern Jahre treu. Man bewunderte seine litterarischen Publicationen und die gelehrten Collectaneen, die er in Wolfenbüttel hinterließ. In kirchlichen Fragen vertrat er die irenische Richtung seines Schwagers, des Helmstedter Professors G. Calixt, als gleichgesinnter Freund und Fürsprecher. Sein politischer Einfluß wuchs in demselben Maße, in dem Herzog Augustus an dem österreichischen Kaiserthum, dem er sich anfangs vertrauensselig in die Arme geworfen hatte, irre ward. Die Enttäuschungen, die der Goslarer Separatfriede mit dem Kaiser (1642) und dann der westfälische Friedenscongreß dem Hause Braunschweig brachte, trieben den Kanzler und den Herzog auf die Seite der Gegner des österreichischen Kaiserthums. Jeder Blick auf die Vorgänge im Reiche bei der saumseligen und parteiischen Friedensexecution festigte dem Kanzler die Ueberzeugung, daß dieses Kaiserthum katholischen und spanischen Interessen dienstbar sei, und daß nur ein engerer Verband der lüneburgischen Herzoge untereinander und mit den benachbarten evangelischen Reichsständen, das fürstliche Haus vor den Untergange bewahren könne. Indem er die cellischen und hannoverschen Minister mit der gleichen Gesinnung erfüllte, rief er 1652 den Hildesheimer Bund ins Leben, durch den sich das ganze braunschweigische Haus mit der schwedischen Regierung von Bremen und Verden, dem Landgrafen von Hessen-Kassel und dem Bischof von Paderborn zur Garantie des Friedens und Reorganisation der Kreisverfassung verband. Auf diesen Rückhalt gestützt, bestimmte er seinen Herrn zur Restitution des von Corvey und Münster bedrohten evangelischen Besitzstands in Höxter und half dem lüneburgischen Hause die Hegemonie in Niedersachsen wieder gewinnen. Auf dem Regensburger Reichstag von 1653/54 trat er als Führer der niedersächsischen Fürstenpartei gegen den kaiserlichen Dominat, gegen die kurfürstliche Praeeminenz und gegen die Umtriebe der katholischen Heißsporne ins Feld, entriß durch die Verständigung mit Brandenburg dem Kaiser den fast schon errungenen Sieg und rettete so die evangelische Libertät. Wohl war ihm klar, daß eine Reform der Reichsverfassung Opfer und Unterordnung erheische, „wäre aber solch eine Sache, dadurch, wenn es recht gefaßt, das Reich conserviret, das lüneburgische Haus aber über den Haufen gehen könnte“. Dieser particulare Gesichtspunkt der Selbsterhaltung bestimmte allen lüneburgischen Staatsmännern jener Epoche die Abwandlungen ihrer Politik, insbesondere ihre Beziehungen zu Schweden und Brandenburg. Für S. aber blieb das Mißtrauen gegen Oesterreich und Spanien das A und O jeder Erwägung. Eben darum drängte gerade er das lüneburgische Haus zum Anschluß [223] an den großen Rheinbund fort, den der Kurfürst von Mainz ins Leben rief, um an der Spitze der deutschen Mittelstaaten mit Frankreichs Hülfe das Gegengewicht gegen Oesterreich zu halten. S. aber war es auch, auf dessen Drängen Schweden und Brandenburg zu gleichmäßigem Beitritt aufgefordert wurden, weil ihm die Allianz mit den Katholiken ohne den Rückhalt dieser mächtigeren Glaubensgenossen nicht geheuer erschien. Gelang es, Schweden und Brandenburg unter einen Hut mit Frankreich und dem Rheinbund zu bringen, so war nach seiner Ueberzeugung nicht nur das braunschweigische Haus gegen alle Wechselfälle des nordischen Kriegs, durch den Karl X. Gustav die Niederkreise des Reichs erschreckte, geborgen, sondern auch das allgemeine Interesse des deutschen Fürstenstandes gewahrt. Schwartzkopf’s persönliche Autorität riß daher nicht nur das lüneburgische Haus auf diese Bahn mit sich fort, sondern drängte auch Schweden und selbst Brandenburg die Betheiligung an den grundlegenden Tractaten zu Frankfurt auf. Als Brandenburg sich von dem Bunde zurückzog, entschied S. das fürstliche Haus, denselben gleichwol zu vollziehen (15. und 16. August 1658). Das war seine letzte große Action. Am 27. November 1659 ist er gestorben.

Vgl. meine Geschichte von Hannover und Braunschweig I. (Publicationen aus den königl. preuß. Staatsarchiven XX).