ADB:Schrautenbach-Weitolshausen, Ludwig Balthasar von

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Artikel „Schrautenbach-Weitolshausen, Ludwig Balthasar von“ von Wilhelm Grotefend in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 181–183, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schrautenbach-Weitolshausen,_Ludwig_Balthasar_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:48 Uhr UTC)
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Schrautenbach: Ludwig Balthasar von Sch.-Weitolshausen (Weitelshausen, Weidelshausen), geboren 1655, starb als fürstlich hessen-darmstädtischer Generallieutenant Ende 1738. Die Eltern des in der hessischen Kriegsgeschichte unter dem Namen v. Schrautenbach vielgenannten verdienten Officiers waren der hessen-darmstädtische Kammerjunker und Oberstwachtmeister von den Landreitern Georg Friedrich Balthasar v. W. gen. Schr. und dessen Gattin Maria Engel, geborene Freiin v. Stein; Ludwig Balthasar war deren zweites Kind. Der Name des jungen Officieres stößt zum ersten Male im J. 1677 auf, als Landgraf Ludwig VI. dem Kaiser Leopold I. infolge eines mit ihm geschlossenen Bündnißvertrages ein Hülfscorps stellte. Die Infanterie dieses Corps, welches mit der Armee der Verbündeten am Rhein und an der Saar gegen die Franzosen kämpfen sollte, bestand aus einem neu errichteten Regiment, dessen Stamm die drei Compagnien der Leibgarde bildeten, von denen L. v. W. gen. Sch. die zweite befehligte. Die Ausgangs 1677 ausgerückten Truppen wurden in üblicher Weise bei ihrer Rückkehr im folgenden Jahre auf geringeren Fuß gesetzt, doch wurde die Compagnie v. Sch. erst 1686 abgedankt. Bereits im J. 1687 aber fand Sch. wieder Verwendung im activen Dienst. Prinz Georg von Hessen übernahm nämlich im Auftrag der mit dem Kaiser und den Polen gegen die Türken verbündeten Republik Venedig die Bildung eines Regiments, um ihr im Verein mit anderen deutschen Truppen bei Wiedereroberung Moreas behülflich zu sein. Zu den Officieren, mit denen der Prinz Abmachungen einging, worin sich dieselben verpflichteten, gegen bestimmtes Werbegeld eine gewisse Zahl von Leuten zu stellen, gehörte der Kapitän der Garde zu Fuß v. Sch. Er übernahm die Gestellung einer Compagnie und erhielt dafür die Majorsstelle. Noch im Herbst des Jahres 1687 rückte das Regiment nach Ungarn ab, ging dann nach Morea und bewies überall, vorzüglich aber bei dem blutigen Sturm auf Negroponte, die größte Tapferkeit.

Im Februar 1690 kehrten die Hessen, wegen des inzwischen ausgebrochenen Krieges mit Frankreich zurückgerufen, in ihre Heimath zurück; Verluste vor dem Feinde und verheerende Krankheit hatten das Regiment so geschwächt, daß schon im Mai 1689 nur noch 191 Mann davon am Leben waren. Alsbald fand Sch. Gelegenheit zu weiterer kriegerischer Thätigkeit theils am Rhein, theils in den Niederlanden. Sch. übernahm nunmehr als [182] Oberstlieutenant das Regimentscommando. Um das so stark zusammengeschmolzene Regiment zu vervollständigen wurde es mit der bisherigen Leibgarde vereinigt und führte fortan den Namen „von Schrautenbachisches Regiment“. Im Juni 1691 stand Sch. bei Worms. 1693 sollte Sch., der inzwischen zum Oberst aufgerückt war, Heidelberg entsetzen, doch kam er zu spät. Die Franzosen hatten sich des Schlosses und der Stadt bereits bemächtigt und überschwemmten von da aus die darmstädtische Obergrafschaft Katzenelnbogen, auch Darmstadt selbst wurde von dem Feinde gebrandschatzt. Trotz tapferer Gegenwehr vermochten die Hessen dies nicht zu verhindern. Das v. Schrautenbachische Regiment wurde im J. 1694 von 11 auf 13 Compagnien gebracht, jede einschließlich der Officiere und Unterofficiere 100 Mann stark, weil es außer dem Felddienste in Verbindung mit den Truppen des oberrheinischen Kreises und der Reichsarmee auch den Garnisonsdienst zu Darmstadt zu leisten hatte. 1695 befand sich das Regiment zum größten Theil in Brabant, wo es sich bei der Belagerung von Namur wiederholt auszeichnete. Schrautenbach’s Grenadiere waren es, die bei der Blutarbeit des letzten Sturmes den langen Kampf zu siegreicher Entscheidung führen halfen. Drei Compagnien des Regiments hatten unterdessen das hessische Contingent zu den Truppen des oberrheinischen Kreises gebildet. Mit der dauernden Trennung so bedeutender Bestandtheile des Regiments von dessen Gros war die Einheitlichkeit des für die damalige Zeit schon an und für sich ungewöhnlich starken Regimentsverbandes wesentlich beeinträchtigt. Deshalb schied man diese Compagnien völlig aus und gliederte sie dem am 1. April 1697 von Landgraf Ernst Ludwig neu errichteten Kreisregiment an, zu dem überdies noch drei weitere Compagnien des Regiments „von Schrautenbach“ abgegeben wurden.

Nach dem Frieden von Ryswick wurde das Regiment 1698 in herkömmlicher Weise noch mehr vermindert, nämlich von 7 auf 5 Compagnien, um dann nach Erklärung des Reichskrieges gegen Frankreich im J. 1702, ebenfalls dem Herkommen entsprechend, wieder um drei Compagnien verstärkt ins Feld zu rücken. Der damals zum Generalmajor beförderte Sch. bekam das Commando über die aus zwei Regimentern zu Fuß und einem Regiment zu Pferde bestehende hessen-darmstädtische Streitmacht, welcher bei ihrer Musterung durch den römischen König Joseph dessen Anerkennung zu Theil wurde. Unter Sch. zeichneten sich die Hessen bei der Belagerung und Eroberung von Landau rühmlichst aus, ferner am 14. October 1702 in der Schlacht bei Friedlingen. In der Regel aber fochten die Hessen jetzt ebensowenig geschlossen wie früher, Vielmehr pflegte selbst das Regiment Schrautenbach nicht vollzählig an einem Platze versammelt zu sein. Während z. B. 2 Compagnien der Besatzung von Landau angehörten, das von den Franzosen im October 1703 belagert wurde, befand sich der Rest des Regiments, und mit ihm der Generalmajor selbst, unter den Truppen, welche Landau entsetzen sollten, aber von den Franzosen am 15. November 1703 bei Speierbach überfallen und trotz aller hessischen Tapferkeit geschlagen wurden. Diese Niederlage hatte den Fall von Landau zur Folge. Sch. befehligte im J. 1704 die hessen-darmstädtischen und mainzischen Truppen zwischen Main und Neckar. Nach einem Ende 1704 zwischen Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Darmstadt zunächst auf ein Jahr getroffenen und hernach mehrfach verlängerten Abkommen wurde neben anderen hessischen Truppentheilen auch das Regiment v. Schrautenbach an Braunschweig überlassen, wobei indessen ausdrücklich ausbedungen wurde, daß keines dieser Regimenter nach Spanien, Portugal, Italien, Ungarn oder Polen geschickt werden dürfe. Das Schrautenbachische Regiment fand zunächst im Elsaß Verwendung [183] und erlitt am 4. Juni 1705 bei der Durchbrechung der Weißenburger Linien durch Marschall Villars beträchtliche Verluste, doch wurde dieser Mißerfolg durch den Sieg bei Hagenau noch in demselben Jahre ausgeglichen. Nach anhaltenden Strapazen kehrte das Regiment im folgenden Winter in die Heimath zurück. Im J. 1707 wirkten die Darmstädter unter dem Reichsgeneralfeldmarschall Kurfürst von Hannover[WS 1], um den Einfall der Franzosen, welche über den Rhein gegangen waren und Süddeutschland überschwemmten, von Baiern abzuwenden. Sch. stand im Juli in Philippsburg. Im J. 1708 galt Schrautenbach’s Thätigkeit der Sicherung der Grenzen der Heimath. In den letzten Jahren des Krieges trat Sch. weniger hervor, da der Hauptkriegsschauplatz in den Niederlanden lag, er aber die Heimath zu schützen hatte. Der Friede von 1714 brachte auch dem Regiment v. Schrautenbach eine Verminderung um 4 Compagnien. Nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges scheint Sch. das Regimentscommando bald niedergelegt zu haben, spätestens 1720 bekam Oberst v. Clement dasselbe, dem im August 1733 Prinz Ludwig, der nachmalige Landgraf Ludwig IX. folgte. Sch. wurde jedoch bis zu seinem Tode als Chef des Regiments geführt. Ob der im J. 1732 als Generallieutenant vorkommende v. Sch. im J. 1734 im polnischen Erbfolgekrieg gegen die Franzosen im Felde stand, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, aber nicht unwahrscheinlich.

Sch., der aus seiner Ehe mit Sophie Elisabeth v. Geismar vier Söhne und eine Tochter hatte, nahm auch als Chef noch regen Antheil an allem, was sein Regiment berührte. So erstattete er 1732 über die Handhabung der Disciplin bei demselben Bericht, aus dem sich ergibt, daß bei dem Regiment nach Erinnerung Schrautenbach’s und seiner Officiere niemals eine Exekution mit dem Strange stattgefunden hatte. War jemand desertirt, so wurde er altem Herkommen gemäß an drei Sonnabenden hintereinander durch Trommelschlag citirt und, vermochte man seiner habhaft zu werden, mit Gassenlaufen, anderenfalls aber durch Anschlagen seines Namens an den Galgen bestraft. Die Zeit, in welcher Sch. dem hessischen Militär, größtentheils in hervorragender Stellung angehörte, war für dasselbe eine solche steten Fortschrittes. Alle Verbesserungen, welche bei den Truppen der europäischen Mächte zur Einführung gelangten, fanden sogleich auch bei den Hessen-Darmstädtern Annahme, so die Musketen mit Feuersteinschloß und Bajonet, dann der eiserne Ladestock, der Gleichschritt beim Marschiren, die geschlossene Stellung in Gliedern bei der Infanterie und die Rangirung, ebenso die gleichmäßige Diensttracht der Officiere. Die Militärchronik des Großherzogthums Hessen faßt ihr Urtheil über Ludwig Balthasar v. W. gen. Sch. folgendermaßen zusammen: „Das Jahr [1738] brachte unserm Militär einen großen Verlust, indem zu Ende desselben der Generallieutenant von Sch. starb, welcher seinem Regiment fast 50 Jahre hindurch, theils als Commandeur, theils als Chef vorgestanden und während dieser langen Zeit stets mit unvermindertem Ruhme gedient hatte.“ Das Regiment v. Schrautenbach ist als ältester Stamm des heutigen 4. großherzoglich hessischen Infanterieregiments (Prinz Karl) Nr. 118 anzusehen.

Humbracht, Höchste Zierde Teutsch-Landes. Frankfurt a. M. 1707, Tafel 94. – Hild, Militär-Chronik des Großherzogthums Hessen von Anfang des regierenden Hauses bis auf die neueste Zeit. Darmstadt, Th. 1, 1828, S. 97-180. – Abriß der Großherzoglich Hessischen Kriegs- und Truppen-Geschichte. 1567-1888. 2. Aufl. Darmstadt u. Leipzig 1889, S. 17-30.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Es gab keinen Reichsgeneralfeldmarschall „Kurfürst von Hannover“; gemeint ist wohl dessen Bruder, der kaiserliche Feldmarschall Maximilian Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg (1666-1726).