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Artikel „Schorr, Jakob“ von Theodor Julius Ney in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 384–386, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schorr_von_Hasel,_Jakob&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 10:42 Uhr UTC)
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Schorr: Jakob S., Zweibrückischer Kanzler und Rath, geboren um 1484, † am 24. April 1566. Sein Vater Albrecht S. war seit 1493 Landschreiber in Meisenheim und besaß neben anderen ansehnlichen Lehnsgütern auch solche zu Hasel bei Zweibrücken. Nach des Vaters Tode gingen diese um 1530 auf Jakob S. über, welcher deshalb von da an den Beinamen von Hasel führte. Nachdem S. im Alter von 25 Jahren seine juristischen Studien mit bestem Erfolge beendigt hatte, war er zunächst bei seinem Vater in Meisenheim thätig und wurde dann um 1514 Landschreiber der Gutenberger Gemeinschaft zu Minfeld. Von der durch Luther’s Auftreten hervorgerufenen geistigen Bewegung mächtig ergriffen, schloß sich S. von ganzem Herzen der evangelischen Sache an, welche im Herzogthume Zweibrücken rasche Fortschritte machte, seit Pfalzgraf Ludwig II. [385] im April 1523 dem Johann Schwebel eine Zufluchtsstätte und ehrenvolle Wirksamkeit eröffnet hatte. Als anfangs 1526 der Speierer Generalvicar neben anderen evangelischen Predigern auch Nicolaus Thomä von Bergzabern vor das geistliche Gericht nach Speier lud, stand ihm S. mit seinen Rathschlägen zur Seite. Bald darauf wurde vor dem Speierer Reichstage auch dem Pfalzgrafen Ludwig das kaiserliche Mandat vom 23. März 1526 mitgetheilt, durch welches die Fürsten und Stände ermahnt wurden, sich von den Lutherischen zu ihrem Unglauben nicht abziehen zu lassen. Dadurch und durch andere bedrohliche Anzeichen etwas bedenklich geworden erholte der Herzog von mehreren Gelehrten seines Gebietes, unter denen sich neben Schwebel auch S. befand, ein Gutachten darüber, ob und inwieweit die lutherische Lehre in der heiligen Schrift Grund habe. Schorr’s Gutachten wurde noch 1526 durch den Druck veröffentlicht und trägt die Ueberschrift: „Radschlag vber den Lutherischen handel, Dem Durchleuchtigen, Hochgebornen Fursten vnnd Herren, Herrn Ludwigen Pfaltzgrauen am Rheyn, Hertzogen jnn Beyern vnnd Grauen zu Veldenz etc. gemacht auff Speyerischem reychstage, durch seyner F. G. Landschreyber Guttenberger Gemeynschafft Jacob Schorren.“ Aus dieser Arbeit erhellt nicht nur, daß S. mit voller Ueberzeugung auf Luther’s Seite stand, sondern auch daß er dessen Schriften eifrig studirt hatte und in der heiligen Schrift alten und neuen Testaments eine gründliche Kenntniß sich erworben hatte. Aus dieser nimmt er auch die Argumente, mit denen er zu erweisen sucht, daß „Luther’s Lehre nicht allein unüberwindlich sei, sondern auch ohne Laster und Verleugnung Gottes nicht bestritten werden“ könne. Unter Anführung sehr zahlreicher biblischer Stellen führt S. aus, daß das Haupt der Kirche nicht der Papst, sondern Christus sei, welcher eines Statthalters nicht bedürfe, und daß in der Christenheit kein äußerliches Hohepriesterthum mehr Geltung habe. Mit Entrüstung wendet er sich gegen die in der Kirche bisher geübten Mißbräuche, erklärt namentlich die Klostergelübde für unchristlich und kommt endlich zu dem Schlusse, man solle „diesen Boten Gottes Martinum Luther ehrlich aufnehmen, um deß willen, der ihn gesandt hat“.

Das Gutachten Schorr’s verfehlte seine Wirkung bei dem Herzoge nicht. Da auch der Verlauf des Speierer Reichstags nicht ungünstig für die evangelische Sache war, so trat Ludwig wieder mit größerer Entschiedenheit für dieselbe ein. S. aber wurde am 13. Mai 1527 als Secretär und zwei Jahre später 1529 als Kanzler an den herzoglichen Hof berufen und genoß bis zu dem am 3. December 1532 erfolgten frühzeitigen Tode des Herzogs dessen volles Vertrauen. So wurde er in uns nicht näher bekannten Religionsangelegenheiten 1529 als herzoglicher Gesandter an den kaiserlichen Hof nach Bologna gesandt. Nach dem Tode des Herzogs Ludwig wurde S. zu Ostern 1533 auf seine Bitte von dem Kanzleramte unter der Bedingung entbunden, daß er der vormundschaftlichen Regierung des Pfalzgrafen Ruprecht auf Erfordern auch ferner als „Rath von Haus aus“ seine Dienste widme. Als Ruprecht 1534 die Frage erwog, ob gegen Concubinate von Priestern zwangsweise einzuschreiten sei, machte er von diesen Diensten Gebrauch, indem er S. zu Erstattung eines Gutachtens aufforderte. Dieser war für ein vorsichtiges Vorgehen und sprach sich dagegen aus, ohne Zweifel, weil er weitere Beschwerden der Bischöfe von Metz und Speier vermeiden wollte, welche kurz vorher die Abschaffung der 1533 eingeführten neuen Kirchenordnung begehrt hatten und eine Bestrafung unsittlicher Geistlichen durch den Herzog als einen neuen Eingriff in ihre geistliche Gerichtsbarkeit betrachtet hätten. Als jedoch Schwebel in Uebereinstimmung mit den Straßburger Theologen entschieden dafür eintrat, daß offenbare Sünden nicht [386] zu dulden seien, erließ der Pfalzgraf den Befehl, daß im Concubinate lebende Priester entweder sich verehelichen oder das Land verlassen müßten. Auch bei Einführung der neuen Gerichtsordnung im J. 1536 unterstützte S. den Pfalzgrafen mit seinem Rathe. (Vgl. den Artikel: Ruprecht, Pfalzgraf, A. D. B. XXIX, S. 742.)

Bald nach dem Tode Schwebel’s trat S. am 23. Juni 1540 aus dem außerordentlichen Dienste des Herzogs wieder in den regelmäßigen zurück und blieb, nachdem 1543 Pfalzgraf Wolfgang die Regierung selbst übernommen hatte, bis zu seinem Tode ordentlicher Rath des Herzogs. Als solcher wirkte er in hervorragender Weise 1541 beim Abschlusse des Disibodenberger Vertrages mit, durch welchen die Häupter der pfälzischen Linien Simmern und Zweibrücken sich über ihr Verhalten bei dem bevorstehenden Aussterben des pfälzischen Kurhauses einigten. Auch bei dem Marburger Vertrage vom 3. October 1543 (siehe den Artikel: Ruprecht, Pfalzgraf) wirkte er mit. Ebenso wohnte S. mehreren Reichstagen bei, so 1542 und 1543 als Bevollmächtigter des Herzogs Ruprecht denen zu Speier und Nürnberg und 1548 als Begleiter des Herzogs Wolfgang dem zu Augsburg. Von da an scheint er seines vorgerückten Alters wegen zu auswärtigen Geschäften wenig mehr verwendet worden zu sein, stand aber bis zu seinem in dem hohen Alter von 82 Jahren erfolgten Tode im höchsten Ansehen bei seinem Landesherrn. In der Alexanderskirche zu Zweibrücken wurde er beigesetzt. S. war zweimal verheirathet, zuerst mit Elisabeth Breidenacker aus Weißenburg, dann mit einer Tochter der Straßburger Familie Blumenauer. Sein Nachkomme Philipp Friedrich, Zweibrückischer Oberconsistorialpräsident, wurde 1720 mit dem Beinamen von und zu Schorrenburg in den Freiherrnstand erhoben.

G. Chr. Crollius, Commentarius de cancellariis et procancellariis Bipontinis, S. 23 ff. – Lehmann, Gesch. des Herzogthums Zweibrücken. – Molitor, Gesch. einer deutschen Fürstenstadt. – F. J. Jung, Kirkel-Neuhäusel.