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Artikel „Schöpf, Johann David“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 350–352, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schoepf,_Johann_David&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 03:16 Uhr UTC)
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Schöpf: Johann David S., Naturforscher und Reisebeschreiber, geboren am 8. März 1752 zu Wunsiedel, wo sein Vater ein angesehener Kauf- und Handelsherr war, der dem Sohne den ersten wissenschaftlichen Unterricht durch Hauslehrer ertheilen ließ, † am 10. September 1800. 1767 bezog der junge S. das Gymnasium in Hof, welches er 1770 mit einer Abschiedsrede „Quanto plus artem salutari emoli, tanto magis eius studioso desudandum esse“ verließ. Als er nach kurzer medicinischer Unterweisung bei seinem Verwandten Fritsch in Redtwitz im Herbst 1770 die Universität Erlangen bezog, wandte er sich nicht bloß den medicinischen, sondern sogleich auch den naturwissenschaftlichen Studien in hervorragendem Maaße zu. Jugendeindrücke mochten eine Vorliebe für Berg- und Hüttenwesen, Mineralogie und Naturkunde geweckt haben, die im Unterrichte Schreber’s sich auf Botanik und Zoologie ausdehnte und auch von Esper Anregung empfing. 1773 legte S. seine Prüfung in Erlangen ab, ging im Herbst desselben Jahres nach Berlin, wo er u. a. Vorlesungen über Forstwissenschaft hörte, durchstreifte 1774 das Erzgebirge und einen Theil von Böhmen, besuchte Prag und Wien und ging über Idria nach Triest, Venedig und Padua, überall Verkehr mit Gelehrten suchend. Ueber den Comersee und durch die Schweiz zurückgekehrt, promovirte er 1776 in Erlangen mit einer Dissertation „De medicamentorum mutatione in corpore humano praecipue a fluidis“. Wie schon sein Studiengang vorhersehen ließ, bereitete sich S. auf eine weitere, vielseitigere Thätigkeit vor, als die ärztliche Praxis in einer kleinen Stadt seiner oberfränkischen Heimath bieten konnte. In Ansbach, wo er bis 1776 verweilte, trug er sich mit dem Gedanken einer Reise nach Indien, ergriff aber sogleich die Gelegenheit, die sich 1777 bot, die ansbachischen Hilfstruppen nach Nordamerika als Feldarzt zu begleiten. S. verließ am 7. März 1777 Ansbach, kam am 4. Juni in New-York an und verlebte die nächsten sechs Jahre in den Lazarethen von New-York und Philadelphia in eifriger chirurgischer Arbeit, im Verkehr mit Aerzten und in naturgeschichtlichen Studien. Bis 1783 hatte S. von Amerika wenig mehr gesehen als das kleine Rhode Island, die Insel York, ein Stück von [351] Long Island und Philadelphia. Sein Verkehr hatte sich zeitweilig fast ganz auf die britischen Garnisonen beschränken müssen. Mit dem Waffenstillstand war ihm die Möglichkeit freierer Bewegung geboten, die deutschen Truppen schickten sich zur Rückreise an, und S., der beurlaubt wurde, trat am 22. Juli von New-York seine Reise durch New-Jersey an, welche ihn in die Alleghanies und über Princetown nach Pennsylvanien führte, wo Philadelphia ihm den Stoff zu einer eingehenden Schilderung der Stadt, der Quäker, der wissenschaftlichen Anstalten, der allgemeinen Zustände am Schlusse des Unabhängigkeitskrieges bot. Der Zug durch den deutschesten Theil Pennsylvaniens über Germantown nach Betlehem und Nazareth, Ansiedelungen der mährischen Brüder, gibt ihm Gelegenheit, die keineswegs durchaus erfreulichen Zustände in den deutsch-pennsylvanischen Dörfern und Städtchen zu schildern, die Grenz- und Indianerfragen zu besprechen. Er besuchte Reading und das damals eben aufstrebende Pittsburg, dessen Mineralschätze und glückliche Lage er treffend beurtheilt, drang in Maryland bis Baltimore und Annapolis vor und kehrte über Wilmington Ende October nach Philadelphia zurück. Schon im folgenden Monate trat er eine neue Reise an, welche ihn Westindien „seiner Sehnsucht Ziel“ zuführen sollte. Durch Maryland und Virginien, Nordkarolina und Südkarolina gelangte er im Januar nach Charleston, wo er zwei Monate verweilte, um auf einem kleinen Fahrzeuge die Reise nach Ostflorida fortzusetzen, welche ihn nach dem damals erst entstehenden S. John und nach dem alten Städtchen S. Augustin führte. Nach mehrwöchentlichem Aufenthalte setzte er nach den Bahamainseln über, über deren Thier- und Pflanzenwelt er eingehende Studien machte und von wo er seine nicht ungefährliche Rückfahrt nach Europa in einem kleinen Segelboote bewerkstelligte. Am 30. Juli 1784 kam er in London an. Er hatte auf dieser Reise, die weite Strecken an den Küsten thierreicher Meere hinführte, der Thierwelt des Meeres besondere Aufmerksamkeit geschenkt, über die Strömungen des Meeres und das Klima Beobachtungen angestellt; aber seine Aufzeichnungen über sociale und politische Verhältnisse, besonders über die Sklaverei und die Pflanzerbarone, sind ebenfalls sehr ausführlich. Langsam reiste S. durch das südliche England und Frankreich zurück und traf im October 1784 in Bayreuth ein, wo ihm im Anfang des folgenden Jahres die Stelle eines Hof- und Militärmedicus und Landphysicus übertragen ward. In den nun folgenden Jahren füllten jede Mußestunde die wissenschaftlichen Arbeiten aus, denen die in Amerika gemachten Sammlungen und angestellten Beobachtungen hauptsächlich zu Grunde lagen. 1787 gibt er die „Materia medica Americana“, 1788 seine zweibändige Reisebeschreibung und kleinere Monographien über Klima und Witterung, Lebensart und Krankheiten in Nordamerika, Beiträge zur mineralogischen Kenntniß des östlichen Theiles von Nordamerika, über den amerikanischen Frosch, über amerikanische Fische, über Seewürmer und Seeblasen Amerikas. Sein Hauptwerk auf dem zoologischen Gebiete, die „Naturgeschichte der Schildkröten, mit Abbildungen erläutert“, bereitete er in dieser Zeit langsam vor, indem er seine Sammlungen und Beobachtungen durch eine ausgedehnte Correspondenz noch immer zu vermehren suchte; dasselbe ist erst nach seinem frühen, am 10. September 1800 nach einem langwierigen Halsleiden eingetretenen Tode vollständig herausgegeben worden. S. war 1795 zum Präsidenten des ansbachischen Medicinalcollegiums und preußischen Geheimen Hofrath, 1797 zum Präsidenten der vereinigten Medicinalcollegien von Ansbach und Bayreuth ernannt worden und gehörte einer Reihe von gelehrten Gesellschaften an. Seine Friedensjahre 1785–1800, deren Stillleben nur durch zwei Reisen nach Italien und eine nach Holland unterbrochen wurde, verlebte er „im Zirkel einiger wiedergefundener und neuerworbener Freunde, in der Nähe seiner lange ersehnten Verwandten, [352] unter biederen und offenen Seelen aller Stände, nach Wunsch beschäftiget und zufrieden“ (Fikenscher). Vielseitigkeit, lebendige und vorurtheilsfreie Auffassung, scharfe Beobachtung und treffendes Urtheil stempeln S. zu einem anziehenden Vertreter der freieren Geistesrichtung, die auch in Deutschland am Schlusse des 18. Jahrhunderts sich Bahn brach. Sein Hauptwerk, die Reisebeschreibung, ist mit Unrecht vergessen worden. Sie bietet eine der vielseitigsten und vollständigsten Schilderungen des südöstlichen Nordamerika, das damals soviel besucht und beschrieben wurde. Es gibt keine Thatsache, sei es des Gebirgsbaues oder der Politik, der Botanik oder des kirchlichen Lebens, der Ethnographie oder Technologie, die er aufzuzeichnen oder zu besprechen und zu beurtheilen für unwerth gehalten hätte. Er zeigt dabei reiches Wissen, scharfe Beobachtung und unbefangenen Blick. Die Neigung, über alles Vorkommende zu urtheilen, führt seltener als in vielen anderen Reisewerken dieser Zeit zu flachem Raisonnement. S. neigt ohnehin eher dazu, die Probleme mit wenigen, wenn auch unzureichenden Worten abzuthun, und ihre Schwierigkeiten, vielleicht auch ihre Tiefe anzudeuten. Er gehört mehr der Aufklärung, als der poetisch-mystischen Richtung seines Jahrhunderts an. Daher auch fast nichts von Naturschwärmerei – wiewohl seine Beschreibung der Corallengärten der Bahama sehr schön ist – oder von Entzücken über die indianischen Naturkinder, dagegen eine ausgesprochene Vorliebe für alle Erscheinungen des praktischen Lebens, besonders für die Bestrebungen zur Hebung der Naturschätze und zur Besserung der wirthschaftlichen und socialen Lage des jungen Staates und im Zusammenhange damit ein tieferes Interesse für alles Politische. Die beiden Bände werden dadurch zu wichtigen Quellen für die Beurtheilung der folgenreichen Entwickelungsperiode, in welche die Vereinigten Staaten nach der Beendigung des Unabhängigkeitskrieges eingetreten waren. Die meisten Urtheile Schöpf’s hat die spätere Geschichte des Landes bekräftigt. Es gilt dies auch von denjenigen, welche er über die Zukunft der Deutschen in den Vereinigten Staaten gefällt hat. Ueber diese bringt er zahlreiche Mittheilungen und für die noch zu schreibende Geschichte der deutschen Einwanderung in Nordamerika werden die beiden Bände seiner Reiseschilderung mit ihren Anhängen immer eine wichtige Quelle bilden. In seinen naturwissenschaftlichen Schriften zeigt sich S. als guter Beobachter und sorgfältiger Sammler. Vielleicht ist er der erste, welcher auf die regelmäßige Drehung der Winde beim Uebergang aus NO. zu S. und umgekehrt, dieselbe, deren Gesetz später Dove näher begründet, aufmerksam gemacht hat. In seinen mineralogischen und metallurgischen Beobachtungen bekundet sich der Sohn des Fichtelgebirges, der auch in der Ferne mit warmer Liebe an seiner Heimath hing.

Fikenscher, Das gelehrte Fürstenthum Bayreut. – Eingehende schriftliche Mittheilungen der Herren Studienlehrer Dr. Köberlin in Bamberg und Apotheker Dr. Schmidt in Wunsiedel.