Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schaumann, Adolf“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 638–641, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schaumann,_Adolf&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 15:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 30 (1890), S. 638–641 (Quelle).
Adolf Schaumann bei Wikisource
Adolf Schaumann in der Wikipedia
Adolf Schaumann in Wikidata
GND-Nummer 117112488
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|30|638|641|Schaumann, Adolf|Ferdinand Frensdorff|ADB:Schaumann, Adolf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117112488}}    

Schaumann: Adolf Friedrich Heinrich S., Historiker, geb. am 19. Februar 1809 in Hannover, † am 10. December 1882 ebenda. Nachdem er 1825 bis 1828 in Göttingen die Rechte studirt hatte und am 11. Juli 1828 unter Hugo’s Decanat Dr. juris geworden war, ließ er sich als Advocat in Hannover nieder. Seine Vorliebe für geschichtliche Studien veranlaßte ihn, die für 1837 gestellte Preisaufgabe der Göttinger Societät der Wissenschaften zu bearbeiten. Seine Schrift, unter dem Titel: „Geschichte des niedersächsischen Volkes von dessen erstem Hervortreten auf deutschem Boden bis zum Jahre 1180“ (Göttingen 1839) veröffentlicht, erhielt den für den sächsischen Theil der Aufgabe ausgesetzten Preis von 500 Thalern; die andere Hälfte des Preises, für die Bearbeitung der ältern [639] Geschichte der slavischen Stämme im nördlichen Deutschland bestimmt, blieb unvertheilt. Dahlmann’s Gutachten rühmte die Selbständigkeit der Schaumann’schen Untersuchung, ihr Streben nach lebendiger Erfassung des wirklichen Zusammenhanges, wenngleich es ihr nicht gelungen sei, einen der großen Zweifelspunkte des Themas befriedigend zu lösen. Die nachfolgende Forschung hat Grund gehabt, diesen Mangel zu bestätigen und ist durch das Buch nicht gefördert worden. Auch um die für 1838 gestellte Preisaufgabe der Societät bewarb sich S., doch wurde nicht seine, sondern Waitz’ und Hirsch’s kritische Prüfung des Chronicon Corbejense gekrönt. S. machte seine Arbeit, der Jacob Grimm’s Bericht gelehrten Scharfsinn und eindringende Kritik nachgerühmt hatte, unter dem Titel: „Ueber das Chron. Corbejense“ (Göttingen 1839) bekannt. Unter Berufung auf seine beim Universitätsjubiläum gekrönte Schrift suchte S. um eine Anstellung bei der Göttinger Bibliothek nach, an welcher durch den Tod von Reuß und die Absetzung der Brüder Grimm große Lücken entstanden waren, und erhielt im Mai 1838 das mit 200 Thalern besoldete Amt des fünften Secretärs. Nachdem ihm die philosophische Facultät die Doctorwürde honoris causa am 10. August 1839 ertheilt hatte, begann er zugleich Vorlesungen über Diplomatik und Theile der deutschen Geschichte zu halten. Die Docententhätigkeit an der schwach besuchten Universität war nicht sonderlich erfolgreich; doch meinte S., dem nach Ablehnung eines Antrages des Grafen Stolberg, welcher ihn zur historischen Ausführung seiner Ansprüche auf das Amt Elbingerode in seine Dienste zu ziehen wünschte, der Gehalt verdoppelt war, die Bibliotheksgeschichte nicht länger fortführen zu können, zumal er seine Vorlesungen auszudehnen und publice auch über solche Gegenstände vorzutragen beabsichtigte, in denen er zur Berichtigung so mancher im Schwange gehender verkehrter politischer Ansichten beitragen könne. Solches Hindeuten auf seine correcte politische Gesinnung dem Minister gegenüber hatte er schon früher versucht. Im Juni 1842 zum außerordentlichen Professor ernannt, erhielt er von Neujahr 1844 ab seine Entlassung aus dem Bibliothekdienst. Ein Ruf der Oldenburgischen Regierung zur Uebernahme der Stelle eines großherzoglichen Bibliothekars wurde abgelehnt; als ihm aber 1846 die durch Luden’s Abgang erledigte Professur in Jena angetragen wurde, zog die Regierung vor, ihm die erbetene Entlassung zu gewähren. Seine Schrift über den zweiten Pariser Frieden hatte das Bedenken erregt, ob er in seiner Geschichtsbehandlung den störenden EInfluß von Parteizwecken zu vermeiden wisse; der Hauptgrund war aber wohl der, daß die Geschichte bis 1837 durch Dahlmann und Gervinus gelehrt, auf die Dauer nicht durch Havemann und Schaumann vertreten werden könne, und der Berufung einer neuen Lehrkraft, die das Interesse für die Geschichte wieder zu erwecken vermochte, die Ernennung Schaumann’s zum Ordinarius hinderlich sein würde. Bis 1851 war S. ordentlicher Professor der Geschichte und Director des staatswissenschaftlichen Seminars in Jena; er kehrte in seine Heimath zurück, als ihn König Georg V. zum Archivar, Oberbibliothekar und Historiographen des königlichen Hauses ernannte. 1864 erhielt er den Titel eines Staatsraths. Mit dem 1. October 1867 trat er wegen Kränklichkeit in den Ruhestand.

Seine Arbeiten gehören drei Gebieten der Geschichte an. Die ältesten gelten dem deutschen Mittelalter, knüpfen großentheils an die Preisschrift von 1837 an und zeigen, wie diese einen grübelnden Scharfsinn, der aber die Probleme ihrer Lösung nicht näher gebracht hat. Es gehören dahin: „Beiträge zur Geschichte des Gildewesens“ in der Zeitschrift des Histor. Vereins für Niedersachsen 1841; eine Abhandlung in den Göttinger Studien von 1845, welche die Eroberung Englands als das Werk deutscher am littus Saxonicum angesessener Stämme darthun will; eine Untersuchung über das Wergeld der Freien nach dem sächsischen Volksrecht (Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft XI, 1842). Dieser Aufsatz brachte S. [640] in einen Conflict mit Jacob Grimm. Weniger durch seinen Inhalt, den Grimm in einem Nachworte als verfehlt zurückwies, als durch einen ungebührlichen Ausfall auf eine Stelle der deutschen Rechtsalterthümer, die eine „vollkommene Unkenntniß aller juristischen und historischen Beziehungen verrathen“ sollte. Der Gegensatz wurde verschärft, als S. in einer Besprechung von Wilhelm Müller’s System der altdeutschen Religion dessen Verhältniß zu Grimm’s Mythologie unter allerlei Lobeserhebungen der letzteren doch dahin formulirte, daß Grimm’s Werk in einer Masse von Einzelnheiten, einer Materialiensammlung bestehe, Müller erst eine kritische Sichtung des Stoffes und Ermittlung des innern Zusammenhanges gelungen sei (Göttinger Gel. Anz. 1844, S. 2046). Eine öffentliche Erklärung Jacob Grimm’s vom 3. April 1845, die es zunächst mit Müller und seinem Buch zu thun hatte, zieh S. der Undankbarkeit. Als S. erwiderte, nie die Schuld der Dankbarkeit verletzt, Grimm nie gesehen noch mit ihm in Correspondenz gestanden zu haben, erinnerte Grimm daran, daß Dahlmann’s und sein Gutachten auf Schaumann’s Stellung, die ganze Wendung seines Lebens wesentlich eingewirkt hatten, und veröffentlichte Stellen aus Briefen, die S. an ihn gerichtet. – Eine „Geschichte der Grafen von Valkenstein am Harze bis zu deren Ausgang im J. 1332“ (Berlin 1847) wurde auf Veranlassung des Eigenthümers der Burg Valkenstein, des Grafen von der Asseburg unternommen, erfuhr aber sofort eine Widerlegung durch L. v. Ledebur, die Grafen von Valkenstein und ihre Stammgenossen (Berlin 1847). Die erste von Jena aus veröffentlichte Schrift: „Die Acten des ersten schriftlichen Processes in Deutschland nach römisch-kanonischen Formen“ (Jena 1847), ist den Urkunden des Göttinger diplomatischen Apparats entnommen und behandelt, ohne erheblichen Aufschluß zu gewähren, einen vor dem Halberstädter geistlichen Gericht geführten Proceß über das Eigenthum an einer Badestube. – Eine zweite Gruppe von Schaumann’s Schriften wendet sich der neueren Zeit zu, den Congressen, welche die Neuordnung der politschen Verhältnisse nach dem Sturze Napoleon’s I. bezweckten. Die „Geschichte des zweiten Pariser Friedens für Deutschland“ (Göttingen 1844), ist werthvoll durch ihre Actenstücke, welche der Verfasser dem württembergischen Minister Grafen Heinrich Levin v. Wintzigerrode verdankte, der nach seiner Verabschiedung eine Zeitlang in Göttingen lebte. Der Arbeit schließen sich die drei in Raumer’s Historischem Tachenbuche veröffentlichten Aufsätze an: „Geschichte der Bildung des deutschen Bundes auf dem Wiener Congresse“ (1849), „Der Congreß zu Karlsbad“ (1850) und „Der Congreß zu Verona“ (1855). Ein drittes Gebiet, die Haus- und Landesgeschichte Hannover bildete Schaumann’s Beschäftigung während seiner letzten zwanzig Lebensjahre ausschließlich. Das „Handbuch der Geschichte der Lande Hannover und Braunschweig“ (Hannover 1864), für den populären Gebrauch bestimmt, war auf Anregung des Königs Georg V. entstanden und ist in dessen Geiste abgefaßt. Dem hochfahrenden Welfenstolze wird sattsam Weihrauch gestreut und zum Schluß die Perspective auf die Wiedergewinnung Braunschweigs und Hannover als den Admiralstaat Deutschlands eröffnet. Wirklich wissenschaftlichen Werth haben eine Anzahl erst im letzten Jahrzehnt veröffentlichter Abhandlungen: „Ueber die Erwerbung der neunten Kur, die Succession in England“ (Zeitschrift des historischen Vereins f. Niedersachsen 1874/75), „Sophie Dorothea, Prinzessin von Ahlden und Kurfürstin Sophie von Hannover“ (Hannover 1879). Früchte seiner archivalischen Studien, enthalten sie wichtige Beiträge zur Aufhellung dunkler Partieen der hannoverschen Geschichte. Auch die in den Nachrichten von der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen (1877 Nr. 8 S. 145 ff.) publicirte Abhandlung über das Testament Herzog Georg’s von Braunschweig-Lüneburg verdient diese Anerkennung; nur vergaß der Verfasser, daß er ihr Resultat schon in seinem Handbuche mitgetheilt hatte und der „als tiefstes [641] Geheimniß im Dunkel der Archive verborgen gehaltene“ und „hier zum erstenmal in seiner Vollständigkeit mitgetheilte“ Revers des Herzogs und der Kalenbergischen Landschaft schon von Ludolf Hugo in der Schrift: von der Succession nach dem Primongeniturrecht S. 13 u. 14 (Hannover 1691) vollständig, nur daß die Namen der Mitglieder des landständischen Ausschusses fehlen, bekannt gemacht war. Auch für die A. D. B. hat S. eine Reihe werthvoller Artikel geschrieben, so über die vier George, den Herzog Adolf von Cambridge, den Hofrichter von Berlepsch. So unbefangen das politische Urtheil über Persönlichkeiten des Fürstenhauses hier und in den anderen neuern Arbeiten lautet, man wird die Erinnerung nicht los, daß der Verfasser damit etwas spät kommt, nachdem er an seinem Theile zur Förderung jener Ueberhebung mitgewirkt hat, die zum Falle führen mußte.

Göttinger Gel. Anz. 1837 S. 1689 ff., 1838 S. 2041 ff. – J. Grimm, Kl. Schriften VII, 600. – Schaumann in der Deutschen Allg. Ztg. vom 28. April 1845 Nr. 118 Inseratentheil; J. Grimm in der Augsb. Allg. Ztg. vom 8. Mai 1845 Nr. 128 Beilage. – F. Frensdorff, J. Grimm in Göttingen S. 36 u. 41. – Hannov. Courier 1882 Nr. 11 909. – Acten des Göttinger Universitäts-Curatoriums.