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Artikel „Salomon, Gotthold“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 771–772, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Salomon,_Gotthold&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:45 Uhr UTC)
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Salomon *): Gotthold S., jüdischer Theologe und Kanzelredner, geb. am 1. November 1784 in Sandersleben, † am 17. November 1862 in Hamburg. Von besonders günstigem Einflusse auf die geistige Entwicklung des jungen S. war der Unterricht in Bibel und Talmud, den er seit seinem zwölften Lebensjahre in seiner Vaterstadt bei dem tüchtigen praktischen Pädagogen Heinemann genoß. Die Grundlage zu seiner allgemeinen Bildung erhielt er gleichzeitig durch den Caplan Bobbe. Im J. 1800 ging er nach Dessau, um bei dem dortigen Rabbiner seine Talmudstudien fortzusetzen, daneben versäumte er es jedoch nicht, durch Selbstunterricht seine Kenntnisse nach jeder Richtung hin zu erweitern und sich besonders mit den Werken deutscher Dichter, Philosophen, Pädagogen und Prediger vertraut zu machen. Besonders zog ihn der ethische Lehrgehalt des Judenthums an, dessen Darlegung und Klarmachung er sich in dem Religionsunterrichte, den er seit 1802 in der jüdischen Franzschule zu Dessau ertheilte, und später in seinen Predigten zur besonderen Aufgabe machte. Sehr anregend wirkte auf S. der innige Verkehr mit seinen Collegen an der genannten Schule und der Umgang mit christlichen Litteraten. Letztere (Pfarrer de Marées und der Kanzelredner Spieker) machten ihn auf die homiletischen Werke Zollikofer’s, Jerusalem’s, Reinhardt’s u. a. aufmerksam, die ihm zur Anleitung dienten. Sein erstes schriftstellerisches Product war eine deutsche Uebersetzung der Bücher Haggai und Maleachi, die er mit einem kurzen im Geiste der Mendelssohn’schen Schule gehaltenen hebräischen Commentare begleitete (Dessau 1805). Bald wurde er auch Mitarbeiter an der zur Verbreitung der Cultur unter den Israeliten gegründeten Zeitschrift „Sulamit“. Auf Anregung David Friedländer’s veröffentlichte er 1814 eine Schrift: „Licht und Wahrheit, die Umbildung des israelitischen Cultus betreffend“, in der er für die Reform des synagogalen Gottesdienstes eintrat. Eine größere Verbreitung fand „Selima’s Stunden der Weihe, eine moralisch-religiöse Schrift für Gebildete des weiblichen Geschlechts“ (Leipzig 1816), ein Erbauungsbuch, das seiner Zeit viel gelesen wurde. S. erfreute sich schon als Kanzelredner eines großen Rufes, als ihm im J. 1818 die Stelle eines zweiten Predigers bei dem „neuen israelitischen Tempelverein“ in Hamburg übertragen wurde. In diesem Berufe, in welchem er bis zu seiner im J. 1857 erfolgten Pensionirung wirkte, fand S. auch den ergiebigsten Boden für seine litterarische Thätigkeit. Im J. 1819 gab er die erste Sammlung der im Hamburger israelitischen Tempel gehaltenen Predigten heraus, der dann noch viele größere und kleinere Schriften gleichen Inhalts folgten. Die deutsche Kanzelberedtsamkeit in den Synagogen war zur Zeit, als S. sie zur Blüthe brachte, noch über ihre ersten Anfänge nicht hinausgekommen. Er selbst bildete sich, was den formellen Aufbau der Predigt betrifft, an christlichen Mustern heran, so daß man ihn mit Claus Harms verglich und ihn den „jüdischen Dräseke“ nannte, aber seine hervorragende Fähigkeit kann nicht besser bezeugt werden, als dadurch, daß er, der Alles, was er war, selbst aus sich gemacht hatte, diese Muster auch erreichte. Salomon’s Predigten haben fast durchwegs die Beleuchtung der durch klare logische Deduction aus biblischen Texten entwickelten praktischen Moral des Judenthums, deren Anwendung auf das Leben er lehrt, zum Inhalte. Von der rabbinischen Haggada macht er nur geringen Gebrauch, aber wo dies geschieht, fügen sich die derselben entnommenen Aussprüche so zwanglos in die Rede, als ob sie nothwendig zu dem Gefüge derselben gehörten. Was seinen Predigten einen besonderen Reiz verleiht, ist die edle Einfachheit der Sprache, die, von aller Ueberladung und Gespreiztheit sich ferne haltend, den Gedanken in lichter Klarheit hervortreten läßt, ihn Jedem verständlich macht und zugleich auch zu Herzen [772] führt. Im allgemeinen macht S. mehr die Erbauung als die Belehrung zum Zwecke der Predigt, daher ihre unmittelbare Wirkung wohl eine größere gewesen ist, als nach dem geschriebenen Worte sich vermuthen läßt. Meisterhaft ist die Disposition des Themas, in dessen Behandlung sich eine alle Schwierigkeiten besiegende Gewandtheit zu erkennen gibt. Von besonderer Bedeutung sind die in Kanzelvorträgen dargestellten Lebensbilder Mose’s (Hamburg 1835), David’s (Hamburg 1837) und Elia’s (Hamburg 1840). Die Predigten Salomon’s zeugten, daß das Judenthum die höchste Moral in sich enthalte und bildeten dadurch allein schon eine Widerlegung der gegnerischen Behauptungen, in denen das bestritten wurde. Inzwischen fand er auch Anlaß zu directer Zurückweisung gegen das Judenthum gerichteter Angriffe. Nachdem er schon (im Vereine mit Josef Wolf) in einer Schrift „Charakter des Judenthums“ gegen judenfeindliche Bestrebungen der Professoren Rühs und Fries in die Schranken getreten war, fühlte er durch Anton Theodor Hartmann’sEisenmenger und seine jüdischen Gegner“ (Altona 1835) sich aufgefordert, in einer Gegenschrift „Briefe an Hrn. Ant. Th. Hartmann“ (Altona 1835) die Nichtigkeit der darin aufgestellten Gründe, aus welchen den Juden die Emancipation versagt werden müsse, nachzuweisen. Hartmann versuchte zwar in einer Gegenschrift seine Behauptungen zu rechtfertigen, doch war ihm das so wenig gelungen, daß es S. ein Leichtes war, in einer zweiten Broschüre dieselben völlig zu nichte zu machen. Nicht schwieriger war es, Bruno Bauer’s Behauptung, daß die Juden dadurch, daß sie für die Erhaltung ihres Gesetzes und ihrer Sonderart einstanden, die von ihnen erlittenen Verfolgungen selbst verschuldet und verdient hätten, abzuweisen. Innerhalb des Judenthums blieb S. ein consequenter Wortführer des Reformprincips, das er auch auf den Rabbinerversammlungen (1844–46) auf das entschiedenste vertrat. Wie sehr S. davon überzeugt war, daß dasselbe mit Bibel und Tradition in Einklang stehe, läßt sich aus der Schrift „Das neue Gebetbuch und seine Verketzerung“ (Hamburg 1841) ersehen, in der er die Aenderungen, die schon vor Antritt seines Amtes in den liturgischen Texten vorgenommen wurden (Modificirung der auf den persönlichen Messias und die dereinstige Restauration des Opfercultus betreffenden Stellen u. dgl.), gegen die Einwendungen, welche von dem Hamburger Rabbiner Bernays erhoben wurden, zu rechtfertigen suchte. Erwähnenswerth ist noch, daß Salomon’s Schrift „Erinnerungen an das Seebad Helgoland im Jahre 1834 in Briefen“ (Hamburg 1838) nicht wenig dazu beitrug, den Ruf dieses Curorts zu verbreiten.

G. Salomon’s Selbstbiographie, Leipzig 1863. – Biographische Skizzen von Ph. Philippson, 3. Heft, Leipzig 1866. – Kayserling, Bibliothek jüdischer Kanzelredner I, 142 ff.

[771] *) Zu Bd. XXX, S. 281.