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Artikel „Wolff, Joseph“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 39–41, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolff,_Joseph&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 17:07 Uhr UTC)
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Wolff: Joseph W., Judenmissionar (er selbst schreibt seinen Namen in seinen gedruckten Reiseberichten Wolff; von andern wird er Wolf geschrieben), geboren 1796 in dem Dorfe Weilersbach in der Nähe von Bamberg (so nach seiner eigenen Angabe; nach Menge 1795 zu Baireuth), † im Mai 1862. Er war Jude von Geburt; sein Vater war Rabbiner an seinem Geburtsorte, kam als solcher bald nach der Geburt des Sohnes nach Halle, später wieder in die Nähe von Bamberg. Seine Schulbildung erhielt W. an verschiedenen Orten; zuerst in Bamberg bis zu seinem 13. Jahre. Er hatte inzwischen einige Kenntniß vom Christenthum erhalten, und da er Hinneigung zu demselben zu zeigen begann, so sah er sich, wie er erzählt, genöthigt, vor den Verfolgungen der Juden aus Bamberg zu fliehen und verlor auch den Zusammenhang mit seiner Familie. Er trieb sich seither an verschiedenen Orten herum, wo er bei mitleidigen Christen verschiedener Confession Aufnahme fand, in Frankfurt, Halle, Wien, München, Solothurn, Prag. In Prag ließ er sich schließlich im September 1812 von dem Benedictinerabt zu Emaus taufen. Davon, daß er schon vor der Taufe an den Universitäten Göttingen und Halle, nach der Taufe in Leipzig, Jena und Berlin philologische Studien betrieben habe, wie Menge berichtet, sagt seine Selbstbiographie nichts; dieselbe erzählt vielmehr, daß er sich nach der Taufe zur Fortsetzung seiner Studien nach Wien begeben und dort 11/2 Jahre aufgehalten habe. Hier nahmen sich hervorragende Katholiken seiner [40] an, besonders Friedrich Schlegel und der Generalvicar des Redemptoristenordens, P. Hoffbauer. Durch Schlegel empfohlen, kam er im J. 1814 in das Haus des Grafen Friedrich Leopold Stolberg nach Tatenhausen, wo er dessen Söhnen und ihrem Erzieher Kellermann Unterricht im Hebräischen ertheilte; er blieb hier drei Monate. Nachher faßte er den Entschluß, nach Rom zu gehen, um sich hier als Missionar ausbilden zu lassen. Nachdem er sich auf der Reise an verschiedenen Orten der Schweiz und Italiens umgesehen hatte, kam er im J. 1816 in Rom an, wo sich der Cardinal Litta, an den er Empfehlungen von seinen deutschen Gönnern hatte, seiner annahm. Am 5. September 1816 wurde er in das Collegium Romanum aufgenommen, am 6. December 1817, nachdem er die vier niederen Weihen empfangen hatte, in das Collegium der Propaganda. Er rühmt sich später, daß er als Alumnus dieser Anstalten die theologischen Studien und Vorlesungen sehr vernachlässigt, dagegen privatim orientalische Sprachen studirt habe. Dabei scheinen die Charakterfehler, die man schon früher in Wien und im Kreise Stolberg’s an dem jungen Mann bemerkt hatte, eine gewisse Zerfahrenheit, verbunden mit maßloser Eitelkeit und Selbstüberschätzung, hier noch mehr hervorgetreten zu sein und zu Zerwürfnissen mit den Obern geführt zu haben, die er selber darauf zurückführen will, daß er sich geweigert habe, an die in den römischen Collegien gelehrte Unfehlbarkeit des Papstes zu glauben. Da er sich auch durch öffentliches Räsonniren über Zustände und Verhältnisse in Rom, die ihm nicht gefielen, unnütz machte, (vgl. die Mittheilungen von Ringseis, der 1818 mit ihm in Rom zusammentraf, Historisch-politische Blätter, Bd. 78, 1876, S. 904–907, und den Brief von Stolberg an W. bei Menge), so wurde er schließlich aus Rom ausgewiesen und polizeilich nach Wien fortgeschafft. Von Wien begab er sich, obwol mit dem Katholicismus innerlich schon ganz zerfallen, gleichwol in das Redemptoristenkloster Valsainte in der Schweiz, wo er im December 1818 als Novize eintrat. Nach sieben Monaten verließ er das Kloster wieder, um sich nach England zu begeben und dort zum Protestantismus überzutreten. Hier übernahm die London Society for promoting Christianity amongst the Jews seine weitere Ausbildung zum Missionar; er studirte noch in Cambridge Arabisch und Persisch und wurde dann in das Missionscolleg zu Stansted in Sussex aufgenommen. Im J. 1821 trat er im Auftrage der Gesellschaft seine erste große Missionsreise nach Asien und Aegypten an, um überall die Juden aufzusuchen und ihre Bekehrung zu versuchen. Erst 1826 kehrte er nach England zurück. Seine Berichte über diese erste Missionsthätigkeit erschienen in den folgenden Jahren gedruckt in 3 Bänden: „Missionary Journal and Memoir of the Rev. Joseph Wolff, Missionary to the Jews, written by himself. Edited by John Bayford“ (2. ed. London 1827–1829). Im J. 1827 heirathete er die verwittwete Lady Mary Walpole. In den nächsten Jahren war er unter den Juden in England, Schottland, Irland und Holland thätig, worüber er Berichte im Jewish Expositor veröffentlichte. 1829 war er wieder einmal in Jerusalem. Am 21. December 1829 veröffentlichte er von Limasol auf der Insel Cypern aus eine Prophezeiung, wonach er die Wiederkunft Christi auf das Jahr 1847 ansetzte und die Juden zur vorherigen Bekehrung aufforderte; sich selber stellt er darin als ein besonders auserwähltes Werkzeug Gottes zum Zwecke der Judenbekehrung hin; das sonderbare Schriftstück ist abgedruckt in der (Aschaffenburger) Katholischen Kirchen-Zeitung 1830, Nr. 49, S. 388 f. Am 29. December 1830 trat er von Malta aus, wo er seine Familie zurückließ, eine neue große Reise über Aegypten nach Asien an; von jetzt an beherrschte ihn der Gedanke, die seit dem assyrischen Exil verlorenen zehn Stämme Israels wieder aufzufinden, die er in Bokhara und Balkh, unter den Afghanen, in Indien und China suchte. Sein Tagebuch über diese Reise ließ er 1835 in Malta drucken: „Researches [41] and missionary labours among the Jews, Mohammedans, and other sects, by J. W., during his travels between the years 1831–1834“. Da er hier die zehn Stämme nirgends entdeckt hatte, suchte er sie später noch in Amerika, ebenfalls vergeblich. Nach England zurückgekehrt, schloß er sich, nachdem er sich bis dahin zu den Methodisten gehalten, der anglicanischen Staatskirche an und erhielt eine Pfarrei. Im J. 1844 machte er nochmals unter gefahrvollen Umständen eine Reise nach Asien. Seit 1845 hielt er sich endlich, nachdem er die Pfarrei von Isle Brewers bei Taunton in der Grafschaft Bristol erhalten hatte, ruhig dort bis an sein Lebensende.

Selbstbiographie bis zum Jahre 1819 im 1. Bande seines Missionary Journal, p. 1–64. – Allgemeine Realencyclopädie oder Conversationslexikon für das kath. Deutschland, herausgeg. von W. Binder, Bd. X (Regensburg 1849), S. 896–898. – Th. Menge, Der Graf Friedrich Leopold Stolberg, Bd. II (1862), S. 398–402.