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Artikel „Wolff, Johann“ von Friedrich Teutsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 38–39, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolff,_Johann&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 17:26 Uhr UTC)
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Wolff: Johann W., siebenbürgisch-sächsischer Sprachforscher, geboren am 12. Januar 1844, † am 30. December 1893, war ein Bauernsohn aus dem Dorf Malmkrog bei Schäßburg; sein Vater ein ernster, kräftiger, rastlos thätiger Mann, die Mutter still, sinnig und zartfühlend. Schon als Knabe besuchte er die Schule in Schäßburg, dann das Gymnasium, das er 1865 mit Auszeichnung absolvirte. Nach kurzem Aufenthalt in Wien wandte er sich nach Tübingen, wo er bei Keller, dann nach Leipzig, wo er bei Zarncke germanistische Studien trieb und sich für das Lehr- und Pfarramt, das in seiner Heimath verbunden ist, vorbereitete. Mit äußeren Nöthen kämpfend, konnte er unter Sparsamkeit und Entbehrung nicht nur die Studien vollenden, sondern auch einen großen Theil Deutschlands und der Schweiz durchwandern, aber er brachte zugleich die Anlage zur Krankheit mit, die ihn lähmen sollte, ein Magenübel, das ihm zuletzt den Tod gebracht. Im J. 1870 nach Mühlbach ans evangel. Untergymnasium als Lehrer berufen, wurde er dort 1874 Rector; wenige Wochen vor seinem Tode rief ihn die Nachbargemeinde Petersdorf zum Pfarrer, doch starb er kurz nach der Uebersiedelung, ohne das neue Amt angetreten zu haben.

Er nahm mit jugendlichem Eifer die germanistischen und dialektologischen Arbeiten neu auf, die hier immer gepflegt, im Augenblick einen kurzen Stillstand erfahren hatten. Die Lautphysiologie hatte ihre großen Erfolge eben zu erringen begonnen und die neuen Anregungen der Universität verwerthete der junge Lehrer nun in seinen Arbeiten, von denen schon die beiden ersten: „Der Consonantismus des Sieb.-Sächsischen mit Rücksicht auf die Lautverhältnisse verwandter Mundarten“ (1873) und „Ueber die Natur der Vocale im Siebenb.-Sächsischen“ (1875) allgemeine Anerkennung fanden. Das Resultat beider Arbeiten ist, daß das Sächsische zu den Dialecten gehört, die unter dem Namen des Mitteldeutschen zusammengefaßt werden. W. wies entschieden nach, daß die sächsische Mundart rheinfränkisch sei. Damit versuchte aber W. zugleich mit der Sprachforschung die Lösung der Herkunftsfrage der Sachsen zu fördern, ein Ziel, das er nie aus den Augen gelassen hat. Dabei schlägt die Gluth des nationalen Gedankens in allen den Arbeiten gewaltig auf. Weiter standen alle seine Arbeiten im Dienst der Schaffung eines sächsischen Wörterbuches. Er hatte diese Aufgabe in der vierten Generation übernommen; keiner ist es vergönnt gewesen, sie zu beendigen. Das Wörterbuch sollte den gesammten Wortschatz der Sprache ausschöpfen, es sollte den Volksgeist in seinem Werden, in seiner Bedingtheit von der Natur und dem Leben darstellen, ein Spiegel der Volksseele, ein Stück Sittengeschichte deutscher Entwicklung sein.

Es ist eine geradezu erstaunliche Arbeitskraft gewesen, die ihm eigen war, die dazu gar bald unter wachsenden Schmerzen seiner Krankheit im Dienst dieser Ziele rastlos die Bausteine herbeischaffte. In den „Deutschen Dorfsnamen in S.“ stellte er 122 Dorfsnamen, die auf -Dorf endigen zusammen, untersucht ihre Bedeutung und weist nach, daß die Mehrzahl aus Mannsnamen entstanden sind, die mit der Gründung der Orte zusammenhängen. So führt die Untersuchung in die Zeiten der Besiedlung zurück und helle Streiflichter fallen auf die Art derselben. Im selben Geist sind die Abhandlungen über „Deutsche Dorf- und Stadtnamen in S.“, „Die Landesnamen Siebenbürgens“ und die Untersuchungen „Zur Etymol. siebenb. Fluß- und Bachnamen“, sowie die Bezeichnungen für Wald gehalten. Ein neues Gebiet eroberte er in den Agrarhist. Forschungen der sächs. [39] Wissenschaft. Seine Ergebnisse faßte er in den „Beiträgen zur sieb.-sächs. Agrargeschichte“ zusammen und in dem lichtvollen Culturbild „Unser Haus und Hof“. Er weist darin in überraschender Weise die Markgenossenschaft im Sachsenland nach, die Gleichheit der Feldlose, die wiederkehrende Auftheilung des gemeinsamen Baulandes, die Gebundenheit des Ackers an die gemeinsame Ordnung. Immer auf Grund der maßgebenden deutschen Forschungen entwirft er die Grundzüge unsrer alten Agrargeschichte und weiß darin ein Stück Güter- und Pflichtenlehre des sächsischen Volkes darzustellen. Zum 100jährigen Geburtstag Jak. Grimm’s gab er die „Kleinen Schriften Jos. Haltrich’s“ in neuer Bearbeitung heraus, damit wieder ein gut Stück sächsischer Culturgeschichte. Als Begründer (1878) und Herausgeber des Correspondenzblattes des Vereins f. siebenb. Landeskunde (seit 1880) sammelte er die zerstreuten Kräfte zu gemeinsamer Arbeit und weckte das Interesse für diese Forschungen in weitern Kreisen. Daneben gingen die Sammlungen für das Wörterbuch vorwärts. Als er starb, hinterließ er in 10 000 Zetteln den Grundstock des Wörterbuchs und in 17 weiteren Bänden nahezu ausschließlich Vorarbeiten und Beiträge zu dieser Lebensarbeit. Als Publicist im In- und Ausland unermüdlich thätig, besonders in den schwersten Jahren des politischen Kampfes seines Volks, um das Verständniß für dessen Lage und sein Recht zu wecken, in ausgedehntestem Briefwechsel mit einer Anzahl Personen, besonders auch in Deutschland, hat er mit dazu beigetragen, unsre Forschung dort zu Ansehen zu bringen und Theilnahme für die Sachsen zu erwecken. Wie es in kleinen Verhältnissen zu gehn pflegt, mußte er auch sonst nach vielen Richtungen sich verwenden lassen: in den Kirchen- und Schulbehörden, als Prüfungscommissär, als Vorsteher des Jugendbundes in Mühlbach, als Vortragender an Winterabenden, in politischen Versammlungen und nie versagte er. Gegen Ende seines Lebens brachte er noch ein Lesebuch für die höhere Volksschule fertig und einen Theil eines solchen für das Gymnasium. So steht er in der Entwicklung der sächsischen Schule und Wissenschaft als ein unermüdlicher und erfolgreicher Kämpfer da; die volksthümlichen Forschungen, die Agrargeschichte, das Wörterbuch sind für immer auch mit seinem Namen verbunden.

Fr. Teutsch, Denkrede auf Joh. Wolff im Archiv des Vereins für sieb. Landeskunde, 27. Bd., S. 5.